OGH 10ObS93/15x

OGH10ObS93/15x2.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Clemens Pichler LL.M., Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist‑Straße 1, 1021 Wien, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Juni 2015, GZ 25 Rs 39/15v‑75, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00093.15X.0902.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision zieht nicht in Zweifel, dass der Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen ist.

2.1. Grundsätzlich darf ein Versicherter auf eine Berufstätigkeit dann nicht verwiesen werden, wenn er diese nur unter der Voraussetzung eines besonderen Entgegenkommens seines Arbeitgebers verrichten kann (RIS‑Justiz RS0084383).

2.2. Benötigt der Pensionswerber über die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen hinaus zusätzliche Arbeitspausen, so ist eine Verweisung auf den Arbeitsmarkt nur möglich, wenn eine entsprechende Zahl von Arbeitsplätzen besteht, bei denen die Einhaltung dieser Pausen gewährleistet ist. Für die Annahme eines besonderen Entgegenkommens des Dienstgebers ist entscheidend, ob und inwieweit in der Wirtschaft ein bestimmtes Ausmaß von zusätzlichen Pausen im Allgemeinen toleriert wird (RIS‑Justiz RS0084389 [T5]).

2.3. Dabei ist grundsätzlich von der Regelung über die Ruhepausen in § 11 AZG auszugehen. Benötigt ein Versicherter über die gesetzlich vorgesehenen Pausen hinaus zusätzliche Arbeitspausen, so ist eine Verweisung nur zulässig, wenn eine entsprechende Anzahl von Arbeitsplätzen zur Verfügung steht, bei denen die erforderlichen Pausen gewährt werden. Ob dies zutrifft ist eine Tatfrage (RIS‑Justiz RS0043613).

3.1. Im Allgemeinen werden behinderungsbedingte zusätzliche Kurzpausen in einer täglichen Gesamtdauer bis zu etwa 20 Minuten bei Tätigkeiten, die nicht mit Kundenverkehr verbunden sind, in der Wirtschaft toleriert, sodass diese Gruppe von Arbeitnehmern nicht auf ein besonderes Entgegenkommen des Arbeitgebers angewiesen und deshalb nicht vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist (RIS‑Justiz RS0084414, RS0084389 [T3]).

3.2. Was behinderungsbedingte Toilettengänge betrifft, wurde bereits darauf verwiesen, dass das Aufsuchen der Toilette keineswegs nur während der Arbeitspausen üblich ist und daher fraglich sei, inwieweit dafür überhaupt „zusätzliche Arbeitspausen“ erforderlich sind (10 ObS 119/05f mwN). Im Allgemeinen ist es üblich, jedenfalls kurze Toilettenpausen während der Arbeitszeit zu tolerieren und diese nicht als zusätzliche Arbeitspausen zu qualifizieren (10 ObS 106/11b mwN).

4. Nach den Feststellungen muss der Kläger alle 2‑3 Stunden die Möglichkeit haben, die Toilette aufzusuchen, wobei der Harndrang plötzlich und imperativ auftreten kann. Der Arbeitsablauf ist daher alle 2‑3 Stunden für die Dauer von 5‑10 Minuten zu unterbrechen.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger sei im Hinblick auf die erwähnte Regelung der Ruhepausen und der in der Wirtschaft darüber hinaus allgemein tolerierten behinderungsbedingten zusätzlichen Kurzpausen nicht vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen, steht daher im Einklang mit der zitierten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Auf die in der Revision aufgeworfene Frage, ob vom Kläger verlangt werden könne, die ihm nach § 11 AZG eingeräumte Arbeitspause für Toilettengänge zu nutzen, kommt es nicht an.

Die Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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