OGH 3Nc16/15f

OGH3Nc16/15f19.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Roch und Mag. Painsi sowie die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr. H*****, über den Ablehnungsantrag des Antragstellers vom 20. April 2015, betreffend den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. A*****, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. S*****, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. J***** und Dr. C*****, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. M*****, den früheren Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. H*****, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. W*****, Dr. E*****, Univ.‑Prof. Dr. G***** und Dr. G*****, die frühere Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. I*****, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. H*****, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. C*****, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. E*****, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. M***** und Dr. W*****, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. H*****, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Univ.‑Prof. Dr. M*****, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. K*****, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. R***** und Mag. Dr. B*****, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030NC00016.15F.0819.000

 

Spruch:

Der Ablehnungsantrag des Antragstellers vom 20. April 2015 wird zurückgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof wird, sollte der Antragsteller weitere Ablehnungsanträge derselben Art einbringen, darüber nicht mehr förmlich entscheiden.

Begründung

Der Antragsteller verfolgt in einem Verfahren vor dem Landesgericht Leoben Amtshaftungsansprüche gegen die Republik Österreich, sonstige Schadenersatzansprüche gegen eine Journalistin und die Inhaberin eines Printmediums. Ferner erhebt er Feststellungsbegehren gegen alle dort beklagten Parteien. Nach Zurück‑ bzw Abweisung seiner Begehren im Verfahren erster Instanz lehnte er wiederholt Richter des Landesgerichts Leoben, des Oberlandesgerichts Graz und des Obersten Gerichtshofs erfolglos ab (vgl die näheren Angaben in den Entscheidungen AZ 7 Nc 24/14k, AZ 7 Nc 36/14z und AZ 6 Nc 36/14t je des Obersten Gerichtshofs).

Mit Ablehnungsantrag vom 9. Jänner 2015 und dessen Ergänzung vom 23. Jänner 2015 lehnte der Antragsteller im Zusammenhang mit dem oben angeführten Verfahren (teilweise neuerlich) namentlich genannte (teilweise ehemalige) Mitglieder der Senate 1, 6 und 7 des Obersten Gerichtshofs ab. Der 8. Senat des Obersten Gerichtshofs wies den Antrag samt Ergänzung mit Beschluss vom 24. März 2015 als unzulässig zurück (AZ 8 Nc 2/15h). Begründet wurde dies im Wesentlichen ‑ neben dem Umstand, dass sich zwei abgelehnte (ehemalige) Mitglieder des Obersten Gerichtshof bereits im Ruhestand befänden ‑ mit der ständigen Judikatur (RIS‑Justiz RS0111656), wonach ein Ablehnungsantrag, in dem der Ablehnungswerber seine Behauptung, Mitglieder des Obersten Gerichtshofs seien befangen, ausschließlich darauf stützt, sie hätten als Spruchkörper des Obersten Gerichtshofs in derselben oder in einer anderen ihn betreffenden Rechtssache unrichtig entschieden, gemäß § 24 JN als unzulässig zurückzuweisen ist; alle vom Antragsteller geltend gemachten Ablehnungsgründe und die dazu vorgebrachten Behauptungen würden sich aber ausschließlich auf nicht mehr überprüfbare Entscheidungen beziehen.

Diese Entscheidung nahm der Antragsteller zum Anlass, einen weiteren, nunmehr zu beurteilenden Ablehnungsantrag vom 20. April 2015 zu stellen, verbunden mit dem Antrag, die näher aufgezählten „kausalen Beschlüsse des Obersten Gerichtshofs“ als nichtig aufzuheben, „an deren Erlassung die abgelehnten RicherInnen beteiligt waren“. Dieser richtet sich wieder gegen die schon zu AZ 8 Nc 2/15h genannten (teilweise ehemaligen) Mitglieder der Senate 1, 6 und 7, und zwar mit der identen, über viele Seiten im wesentlich Wort für Wort übernommenen Begründung aus dem vorhergehenden Ablehnungsantrag samt Ergänzung; weiters (und erstmals) betrifft die Ablehnung auch die namentlich angeführten Mitglieder des Senats 8, denen der Antragsteller wegen der Entscheidung vom 24. März 2015 zusammengefasst zur Last legt, es sei sein Vorbringen unvollständig und unrichtig wiedergegeben worden und zum Teil unberücksichtigt geblieben, der Beschluss sei nicht ausreichend begründet worden und enthalte unrichtige Daten. Die Annahme eines Nachprüfungsverbots sei völlig verfehlt und nicht nur mit § 530 Abs 1 Z 4 ZPO unvereinbar, sondern stehe auch im Widerspruch zu Art 83 Abs 2 B‑VG, § 25 JN und Art 6 EMRK; die Vorgangsweise sei erkennbar darauf gerichtet gewesen, dem Antragsteller die erfolgreiche Geltendmachung seiner Ansprüche im Anlassverfahren zu erschweren bzw zu verunmöglichen, sodass zumindestens der Anschein einer Voreingenommenheit entstehe.

Eine weitergehende Darstellung des Ablehnungsvorbringens erübrigt sich, weil dessen Inhalt dem Antragsteller ohnehin bekannt ist (§ 428 Abs 2 ZPO).

Auch der neuerliche Ablehnungsantrag vom 20. April 2015 ist in mehrfacher Hinsicht unzulässig und deshalb zurückzuweisen:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof ist gemäß Art 92 Abs 1 B-VG die oberste Instanz in Zivil- und Strafsachen; seine Entscheidungen sind weder im innerstaatlichen Instanzenzug anfechtbar noch durch ihn selbst überprüfbar; durch die Entscheidung wird die Rechtslage im entschiedenen Einzelfall endgültig geklärt (RIS‑Justiz RS0116215; RS0117577). Der Umstand, dass der Oberste Gerichtshof ‑ zulässig (siehe Punkt 3.2.; vgl auch § 615 ZPO) ‑ als einzige Instanz entschieden hat, ändert daran nichts. Die formelle Rechtskraft eines Beschlusses des Obersten Gerichtshofs tritt daher wegen Unstatthaftigkeit eines Rechtsmittels mit dessen Zustellung ein ( Fasching/Klicka in Fasching/Konecny ² § 411 ZPO Rz 2).

Die am 9. April 2015 erfolgte Zustellung des Beschlusses vom 24. März 2015, mit dem der Ablehnungsantrag vom 9. Jänner 2015, ergänzt am 23. Jänner 2015, zurückgewiesen wurde, führte daher zum Eintritt dessen Rechtskraft.

2. Das hat hier folgende Konsequenzen:

2.1. Wegen der Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft ist es ausgeschlossen, jene Ablehnungsgründe, die der Antragsteller mit diesem Antrag den Mitgliedern der Senate 1, 6 und 7 (erfolglos) zum Vorwurf machte, ohne jede inhaltliche Änderung neuerlich zum Gegenstand eines Ablehnungsantrags zu machen.

Jener überwiegende Teil des vorliegenden Ablehnungsantrags vom 20. April 2015, in dem der vorausgehende Antrag vom 9. Jänner 2015, ergänzt am 23. Jänner 2015, sowohl in seiner Begründung als auch im Begehren beinahe wortident wiederholt wird, erweist sich daher schon wegen des Verstoßes gegen die Einmaligkeitswirkung als unzulässig. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Antragsvorbringen ist dem erkennenden Senat somit verwehrt.

2.2. Die erstmalige Ablehnung der Mitglieder des 8. Senats erfolgte nach der Beschlussfassung vom 24. März 2015 mit dem Antrag vom 20. April 2015 zu einem Zeitpunkt, als das Hauptverfahren (Ablehnung der Mitglieder der Senate 1, 6 und 7 mit Antrag vom 9. Jänner 2015, ergänzt am 23. Jänner 2015) bereits rechtskräftig abgeschlossen war.

Nach ständiger Judikatur kann das Ablehnungsrecht zwar auch noch nach der Erlassung einer Entscheidung ausgeübt werden, allerdings nur vor Eintritt deren Rechtskraft, weil eine allfällige Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung geheilt ist; es besteht auch kein rechtlich geschütztes Interesse auf Ablehnung der erkennenden Richter wegen Befangenheit, weil selbst deren Bejahung am Prozessausgang nichts ändern könnte (RIS-Justiz RS0046032; RS0045978). Jede andere Auffassung würde zu dem systemwidrigen Ergebnis führen, dass eine rechtskräftige Entscheidung im Rahmen eines nachfolgenden Ablehnungsverfahrens beseitigt werden könnte, obwohl eine derartige Durchbrechung der Rechtskraft vom Gesetz nur ausnahmsweise in anderen Fällen (zB §§ 529 ff ZPO) vorgesehen ist (vgl 6 N 509/02; RIS-Justiz RS0046032 [T3]; Rechberger in Rechberger 4 Vor § 390 ZPO Rz 31). Nach einer unanfechtbaren verfahrensbeendenden Entscheidung kommt daher ein Ablehnungsantrag nicht mehr in Betracht (7 Nc 24/14k mwN).

2.3. Die rechtskräftige Beendigung des Ablehnungsverfahrens zu AZ 8 Nc 2/15y durch den Beschluss des 8. Senats vom 24. März 2015 schließt damit die nachträgliche Geltendmachung einer Befangenheit seiner damals entscheidenden Mitglieder aus. Der dennoch gestellte Ablehnungsantrag ist daher auch als unzulässig zurückzuweisen, soweit er Mitglieder des Senats 8 betrifft.

3.1. Eine angebliche Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung kann nicht die Befangenheit eines Richters nach sich ziehen, weil es nicht Aufgabe des Ablehnungssenats ist, die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen anderer Senate zu überprüfen (RIS‑Justiz RS0046047; RS0111290). Das gilt selbstverständlich auch für Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, die überdies ‑ wie zu Punkt 1. bereits dargelegt ‑ als letztinstanzliche Entscheidungen gar keiner innerstaatlichen Überprüfung unterliegen.

3.2. Leitet ein Ablehnungswerber (dennoch) die Befangenheit von Mitgliedern des Obersten Gerichtshofs (auch für künftige Entscheidungen) aus der angeblich fehlerhaften Anwendung des formellen oder materiellen Rechts bei der Fassung einer vorausgehenden Entscheidung ab, sodass die Verifizierung dieser Vorwürfe einer nachträglichen Überprüfung dieser vorausgehenden Entscheidung bedürfte, wird damit ein absolut untauglicher Ablehnungsgrund geltend gemacht. In diesem Sinn wird ständig judiziert, dass eine Überprüfung von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs auf deren Richtigkeit im Rahmen von Verfahren über Ablehnungsanträge gegen seine Mitglieder nicht in Betracht kommt (RIS‑Justiz RS0111658 [T3]).

3.3. Die bloßen Rechtsbehauptungen, mit denen der Antragsteller dem sogenannten Nachprüfungsverbot ohne jede nähere Begründung entgegen tritt, geben keinen Anlass, von dieser Judikatur abzugehen.

Eine Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 4 ZPO als ausnahmsweise vorgesehene Möglichkeit zur Beseitigung eines rechtskräftigen Urteils ist hier nicht zu beurteilen.

Die Erwähnung des Art 6 EMRK verkennt, dass das Grundrecht auf Zugang zu den Gerichten nicht auch das Recht auf einen Instanzenzug gewährt (RIS-Justiz RS0121377; RS0043962; RS0074833 [T2]; RS0074613 [T2]; vgl auch VfGH VfSlg 14.709). Die Verweise auf Art 83 Abs 2 B‑VG und § 25 JN sind im gegebenen Zusammenhang nicht nachvollziehbar.

3.4. Der Antragsteller wirft den Mitgliedern des 8. Senats im Wesentlichen Begründungsmängel und die unzutreffende Annahme eines Nachprüfungsverbots im Ablehnungsverfahren vor und schließt allein aus dem von ihm angenommenen Umstand, dass diese (angeblichen) Fehler begangen worden seien, auf deren Parteilichkeit und Voreingenommenheit. Um diese Vorwürfe beurteilen zu können, bedürfte es der Prüfung des Beschlusses vom 24. März 2015 auf dessen formelle und materielle Richtigkeit, die nach der dargestellten Rechtslage jedoch ausgeschlossen ist.

Daher ist der Ablehnungsantrag vom 20. April 2015 betreffend die Mitglieder des 8. Senats auch aus diesem (selbständigen) Grund zurückzuweisen.

4. Der somit offenkundig unbegründete Ablehnungsantrag erforderte es nicht, den Gegnern des Ablehnungswerbers eine Äußerungsmöglichkeit einzuräumen (RIS‑Justiz RS0126587).

5. Dem Ablehnungswerber als Rechtsanwalt musste die hier dargestellte Rechtslage ohnehin bekannt sein; jedenfalls ist die Kenntnis mit Zustellung dieses Beschlusses gegeben. Dennoch in Zukunft eingebrachte weitere gleichartige Ablehnungsanträge gegen Richter und Richterinnen des Obersten Gerichtshofs wären deshalb als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren und müssten nicht zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gemacht werden (RIS-Justiz RS0046015); auch diese Judikatur wurde dem Ablehnungswerber schon in der Vergangenheit bekannt gemacht.

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