Spruch:
Alexander M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
Mit Beschluss vom 19. Juni 2015 (ON 7) verhängte das Landesgericht Korneuburg die Auslieferungshaft über Alexander M***** aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr nach § 29 Abs 1 zweiter Satz ARHG iVm § 173 Abs 2 Z 1, Z 3 lit a und lit b StPO. Der dagegen gerichteten Haftbeschwerde der betroffenen Person gab das Oberlandesgericht Wien mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss nicht Folge und setzte die Auslieferungshaft aus den genannten Haftgründen fort.
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ergaben sich aus den Auslieferungsunterlagen hinreichende Gründe für die Annahme, die betroffene Person habe eine der Auslieferung unterliegende strafbare Handlung, nämlich eine „Titel 18, US-Bundesgesetz § 1349 (Strafdrohung bis zu 20 Jahren Freiheitsstrafe)“, „§ 1030 (a) (4), (c) (3) (A) iVm § 2 (Strafdrohung bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe)“ und „§ 1030 (a) (5) (A) iVm § 2 (Strafdrohung bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe)“ unterstellte, in Österreich dem Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB subsumierbare Straftat begangen.
Demnach habe Alexander M***** „mit mehreren Mittätern groß angelegte Betrugshandlungen in der Form begangen“, „dass bösartige Software auf Computern von Unbeteiligten installiert wurde, welche die Benutzer dazu aufforderte, eine 'Virenschutzsoftware' per Kreditkarte zu kaufen; dies unter Vortäuschung, eine tatsächlich legitime Sicherheitssoftware zu erwerben, weil die 'entdeckte' Malware in Wirklichkeit niemals existierte. Stattdessen verursachte die gefälschte Virenschutzsoftware häufig weiteren Schaden an den Computern der Opfer, indem sie zusätzliche Malware installierte. Dadurch soll zwischen Dezember 2007 und Juni 2011 mehr als 72 Millionen USD an Schaden verursacht worden sein, wobei dem Betroffenen die Rolle zukam, als Eigentümer eines Kreditkartenunternehmens das genannte Vorgehen durch Abwickeln der Zahlungen der Opfer wissentlich zu unterstützen. Alleine über das Unternehmen 'P*****' des Betroffenen sollen laut Daten von beschlagnahmten Servern 17,7 Millionen USD abgerechnet worden sein“.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen gerichtete Grundrechtsbeschwerde der betroffenen Person macht die unrichtige Beurteilung von Haftvoraussetzungen geltend.
Soweit sie das Bestehen eines „konkreten Verdachts“ bestreitet, den in den Auslieferungsunterlagen enthaltenen „pauschalen und diffusen Verweis“ auf (ihrem Inhalt nach nicht aktenkundige) Zeugenaussagen als zu dessen Begründung unzureichend erachtet und in der Beschwerdeentscheidung „wesentliche Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite“ vermisst, sei festgehalten:
Entgegen der Beschwerdeauffassung wird der für das Auslieferungsverfahren (und für die Verhängung der Auslieferungshaft) erforderliche hinreichende Tatverdacht bei schlüssigen Auslieferungsunterlagen vermutet. Anders als bei der Entscheidung über die Untersuchungshaft (vgl § 174 Abs 3 Z 4 StPO) hat das Gericht im Beschluss über Verhängung und Fortsetzung der Auslieferungshaft demnach keine eigenen Sachverhaltsannahmen zu treffen, sondern die in den Auslieferungsunterlagen enthaltene Sachverhaltsschilderung dahingehend zu prüfen, ob sich daraus schlüssig ein hinreichender Verdacht der Begehung einer der Auslieferung unterliegenden strafbaren Handlung ergibt. Nicht die Vollständigkeit und mängelfreie Begründung der Sachverhaltsannahmen (zu allen Tatbestandsmerkmalen) in der bekämpften Entscheidung sind daher Bezugspunkt der den Tatverdacht in Frage stellenden Grundrechtsbeschwerde, sondern die den Kriterien des § 29 Abs 1 (iVm § 33 Abs 2) ARHG entsprechende (Schlüssigkeits-)Prüfung (13 Os 15/12y mwN; RIS‑Justiz RS0087119 [insbesondere T2, T3]).
Der Beschwerdeführer beanstandet, die Interpol-Fahndung aus dem Jahr 2013 (ON 2 S 7 ff) und das Ersuchen des U.S. Department of Justice um vorläufige Festnahme der betroffenen Person vom 17. Juni 2015 (ON 4 S 7 ff; ON 15 S 1 ff) würden insoweit voneinander abweichen, als Erstere als Tatort „W*****“, einen Tatzeitraum von 1. Jänner 2006 bis 21. Juni 2011, eine „Strafdrohung von 20 Jahren“ und das Unternehmen „M*****“, Zweiteres hingegen keinen Tatort, einen Tatzeitraum von Dezember 2007 bis 21. Juni 2011, eine (kumulierte) „Strafdrohung von 35 Jahren“ und „P***** als im Fall wesentliches Unternehmen“ anführe. Mit dem Hinweis auf diese ‑ vom Beschwerdegericht bei der in Rede stehenden Prüfung erörterten (BS 5 f), zudem weder den Kern des Vorwurfs noch die Frage nach der Auslieferungsfähigkeit der strafbaren Handlung berührenden ‑ Umstände werden keine erheblichen Bedenken (§ 33 Abs 2 ARHG) gegen die Annahme angesprochen, die betroffene Person sei der ihr zur Last gelegten strafbaren Handlung nach den Auslieferungsunterlagen hinreichend verdächtig.
Indem sie den darin enthaltenen Sachverhaltsschilderungen ‑ ohne an den Kriterien des § 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 5 und 5a Maß zu nehmen (RIS‑Justiz RS0110146) ‑ einen anderen Bedeutungsinhalt beimisst als das Beschwerdegericht und im Übrigen bloß den (eingangs wiedergegebenen) Tatvorwurf in Abrede stellt, verlässt sie den Anfechtungsrahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens.
Mit auf jener prozessordnungswidrigen Kritik aufbauenden Spekulationen zu einer möglichen Subsumtion des ihm vorgeworfenen Verhaltens als ‑ entgegen dem Beschwerdevorbringen übrigens gar wohl (gemäß Art 2 Abs 1 AuslieferungsV USA; § 11 Abs 1 ARHG) der Auslieferung unterliegendes ‑ Vergehen der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB verfehlt der Beschwerdeführer die Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung.
Gemäß (§§ 1, 27 Abs 1 ARHG iVm) Art 13 Abs 1 des ‑ im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika anzuwendenden ‑ AuslieferungsV USA (BGBl III 1999/216) kann ein Vertragsstaat im Dringlichkeitsfall um vorläufige Verhaftung der auszuliefernden Person bis zur Vorlage eines Auslieferungsbegehrens ersuchen. Nach Abs 2 leg cit hat ein solches Ersuchen um vorläufige Auslieferungshaft ‑ soweit hier von Bedeutung ‑ (lit c) eine kurze Sachverhaltsdarstellung des Falles einschließlich Zeit und Ort der strafbaren Handlung, soweit dies möglich ist, und (lit d) eine Anführung der verletzten Gesetzesbestimmungen und der anwendbaren Strafdrohung zu enthalten.
Der Einwand, „die amerikanischen Behörden“ hätten ‑ entgegen lit d dieser Bestimmung ‑ „die anwendbare Strafdrohung nicht angegeben“, trifft angesichts des (oben erwähnten) Inhalts der Auslieferungsunterlagen nicht zu. Ob es ‑ wie die Beschwerde spekuliert ‑ im Sinn der lit c leg cit „möglich gewesen sein müsste, Zeit und Ort der Handlung konkreter anzugeben“, weil „bereits eine Anklageschrift (indictment) vorliegt“, kann dahinstehen. Denn (schon) in der Interpol-Fahndung ist sowohl eine Tatzeit als auch ein Tatort genannt. Das Argument, die Verhängung der Auslieferungshaft sei unzulässig gewesen, weil die Auslieferungsunterlagen die Anforderungen des Art 13 Abs 2 lit c und lit d AuslieferungsV USA (aus den angeführten Gründen) nicht erfüllt hätten, versagt damit von vornherein.
Die Zulässigkeit der Auslieferung bildet nach dem eindeutigen Wortlaut des § 29 ARHG keine Voraussetzung für die Auslieferungshaft (RIS‑Justiz RS0120452). Schon deshalb hat das ‑ der Sache nach ein Auslieferungshindernis nach § 20 Abs 1, Abs 3 ARHG ansprechende ‑ Vorbringen, das (aufgrund des in den USA geltenden Kumulationsprinzips) angedrohte „Strafausmaß von 35 Jahren“ stelle eine Art 3 MRK widersprechende, „unerträglich harte und unter jedem Gesichtspunkt unangemessene“ Sanktion für das ihm zugesonnene Verhalten dar, vorliegend auf sich zu beruhen (zur Beurteilung hoher Freiheitsstrafen unter dem Aspekt des Art 3 MRK vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0118079; 14 Os 30/03; 14 Os 41/12d mwN).
Mit eigenständig entwickelten Überlegungen, die nach Ansicht des Beschwerdeführers für die Substituierbarkeit der Auslieferungshaft durch gelindere Mittel (§ 29 Abs 1 zweiter Satz ARHG iVm § 173 Abs 5 StPO) oder die Zulässigkeit deren Vollzugs im elektronisch überwachten Hausarrest (§ 29 Abs 1 zweiter Satz ARHG iVm § 173a StPO) sprechen sollen, wird ein den gegenteiligen Annahmen des Beschwerdegerichts (BS 7) anhaftender Begründungsmangel nicht einmal behauptet.
Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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