Spruch:
Dem Ausgelieferten wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung seines Rechtsmittels bewilligt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Anklage einer im Bezirk Florida-Mitte Abteilung Orlando/USA einberufenen Federal Grand Jury vom 29. April 1998, Fall Nr 98-99-Cr-Orl-19A, wurden dem am 1. April 1954 geborenen amerikanischen Staatsangehörigen Sholam W***** als Hauptverantwortlichem eines weit verzweigten Unternehmensgeflechts in insgesamt 93 Anklagepunkten gravierende Verstöße gegen bestimmte Paragrafen des Titel 18 United States Code zur Last gelegt. Danach hat er im Wesentlichen - hier zusammengefasst wiedergegeben - zwischen 1992 und 1996 im Rahmen eines umfassenden, von langer Hand geplanten und stufenweise verwirklichten vielschichtigen Betrugskonzepts in wechselnder Beteiligungsform unter Mitwirkung mehrerer Komplizen durch dolose Zwischenschaltung des von ihm dominierten Firmenimperiums umfangreiche Geldtransaktionen (vorwiegend am Aktien-, Investment-, Immobilien- und Hypothekenmarkt) ua mittels Scheingeschäften und unter Vorlage falscher Dokumente vor allem zum Nachteil des in Florida ansässigen Versicherungsunternehmens N***** sowie dessen Muttergesellschaft L***** Inc mit einem Gesamtschaden von mehr als 250 Mio US-Dollar eigennützig oder zum Vorteil seiner Mittäter abgewickelt (S 165 ff/II).
In der zwischen 1. Februar 1999 und 29. Oktober 1999 stattgefundenen Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Florida-Mitte war der gegen Kaution auf freiem Fuß befindliche Angeklagte während der Beweisaufnahmen und der Schlussplädoyers ständig persönlich anwesend und zumindest durch einen selbst gewählten Verteidiger vertreten gewesen. Seine Vernehmung zur Sache nahm mehrere Wochen in Anspruch. Im Verlaufe des Verfahrens wurden mehr als 100 Zeugen befragt und umfangreiches Urkundenmaterial eingesehen (S 47 ff/II). Die nach Abschluss des (zur Gänze unter Beteiligung des Angeklagten durchgeführten) Beweisverfahrens sowie nach Übergabe der schriftlichen Rechtsbelehrung an die Jury-Mitglieder zwischen 11. und 18. Oktober 1999 anberaumte Sitzungspause nutzte Sholam W***** zur Flucht aus den USA. Am 18. Oktober 1999 (an diesem Tag hatten die Beratungen der Jury zur Entscheidungsfindung begonnen) erschien der Angeklagte trotz Kenntnis des Termins nicht vor Gericht, worauf gegen ihn Haftbefehl erlassen wurde (S 505/II).
Entsprechend der Regel 43 der Strafprozessordnung für Bezirksgerichte der Vereinigten Staaten wurde die Beratung der Jury-Mitglieder über die Beweismittel fortgesetzt. Mit Urteil des genannten Bezirksgerichtes vom 1. November 1999, Fall Nr 98-99-Cr-Orl-19A, wurde Sholam W***** in Abwesenheit (jedoch im Beisein seines gewählten Verteidigers) in 78 Anklagepunkten schuldig erkannt (S 513 ff/II). In der am 15. Februar 2000 durchgeführten Strafmaßverhandlung, AZ 6:98-Cr-99-Orl-19A (in welcher der abwesende Angeklagte ebenfalls durch seinen Wahlverteidiger vertreten war), wurde über ihn ua (nach den Richtlinien Titel 18 United States Code, S 573 ff/II) entsprechend einem geltenden Kumulationsprinzip eine Gesamthaftstrafe von 845 Jahren (über einen Mitangeklagten - wie nur am Rande bemerkt sei - eine solche von 740 Jahren) verhängt (S 577, 595/II). Die Verkündung der Strafe erfolgte in öffentlicher Verhandlung. Auf Grund des Umfangs und der wiederholten betrügerischen Handlungen sollte der Angeklagte nach den Urteilsgründen "dauerhaft aus der Gesellschaft entfernt werden" (S 589/II).
Daraufhin reichte der Verteidiger des Angeklagten rechtzeitig Berufung gegen das Urteil ein. Dieses Rechtsmittel wurde am 10. April 2000 nach den Verfahrensvorschriften der Gerichte der Vereinigten Staaten aus formellen Gründen (Prinzip des Berechtigungsverlustes durch Flüchtlinge) "abgewiesen". In der Folge stellten die Vereinigten Staaten - bereits im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Auslieferungsbegehren - einen "Notantrag" auf Wiederzulassung der Berufung des Angeklagten, der vom Berufungsgericht über den mittleren Justizbezirk des Bundesstaates Florida, Nr 00-11007-CC, abgelehnt wurde.
Nach den vorliegenden Erklärungen der Vereinigten Staaten steht Sholam W***** gemäß Titel 28 United States Code § 2255 im Fall seiner Inhaftierung eine Urteilsanfechtung wegen (behaupteter) Rechtsschutzdefizite (auch im Zusammenhang mit ineffektiver Verteidigung), Unzuständigkeit des Gerichts oder Überschreitung des vorgeschriebenen Strafmaßes binnen Jahresfrist offen, wobei eine Fristverlängerung "bis zu dem Datum, an dem Fakten zur Stützung des Rechtsanspruches ..... hätten offengelegt werden können", möglich wäre. Zudem besteht nach der US-Bundesstrafprozessordnung die Möglichkeit einer Wiederaufnahme im Fall neu entdeckter Beweismittel innerhalb von drei Jahren nach Urteilsverkündung. Darüber hinaus kann eine Prozesspartei zu jeder Zeit einen Antrag auf Neuverurteilung wegen eines in Abwesenheit erfolgten Schuldspruchs stellen, den die Vereinigten Staaten nach ihrer diesbezüglichen Zusicherung nicht anfechten würden.
Am 24. Oktober 2000 wurde Sholam W***** (der zur Verschleierung seiner Identität Falschnamen benützte) in Wien festgenommen und über ihn die Auslieferungshaft verhängt. Mit diplomatischer Note vom 18. Dezember 2000 stellte die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika das Ersuchen um Auslieferung des Genannten zur Vollstreckung der angeführten Freiheitsstrafe. Nach Einlangen ergänzender Auslieferungsunterlagen erklärte das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 11. September 2001, AZ 22 Ns 2/01, die Auslieferung im Wesentlichen mit der Begründung für unzulässig, die Auslieferung des Antragstellers ohne Zusicherung, dass seine Verurteilung von einem übergeordneten Gericht überprüft werde, verstoße gegen Art 2 des 7.
ZPEMRK.
Über eine dagegen vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erkannte der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 9. April 2002, GZ 14 Ns 8/02-12 (= ON 165), dass der bezeichnete Beschluss des Oberlandesgerichts Wien § 33 ARHG und Art 9 des Auslieferungsvertrages zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, BGBl III 1999/216, verletzt. Er wurde aufgehoben und dem Gerichtshof zweiter Instanz aufgetragen, nach dem Gesetz über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. Mai 2002, AZ 22 Ns 8/02, sprach das Oberlandesgericht Wien aus, "die begehrte Auslieferung des Sholam W***** sei mit Ausnahme eines Anklagepunktes wegen Meineids zulässig". Dessen dagegen gerichtete Beschwerde (vom 5. Juni 2002) wies der Oberste Gerichtshof zurück, weil eine Rechtsmittelmöglichkeit nicht eröffnet war (§ 33 Abs 5 ARHG; 14 Os 77/02 = ON 239).
In der Folge wurde Sholam W***** an die Vereinigten Staaten von Amerika ausgeliefert.
Mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2002, GZ G 151, 152/02-15, hob der Verfassungsgerichtshof den zweiten Satz des § 33 Abs 5 ARHG ("Gegen den Beschluß [des Gerichtshofs zweiter Instanz über die Zulässigkeit der Auslieferung], der zu begründen ist, ist kein Rechtsmittel zulässig") als verfassungswidrig auf und sprach aus, diese Bestimmung sei im gegenständlichen Verfahren nicht mehr anzuwenden. Mit Beschluss vom 27. Februar 2003, GZ K I-5/02-8, wies der Verfassungsgerichtshof einen Antrag des Ausgelieferten auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonflikts zwischen dem Oberlandesgericht Wien und dem Bundesministerium für Justiz in Bezug auf die Entscheidung, dass die Auslieferung mit Art 2 des 7. ZPEMRK unvereinbar sei, zurück.
Rechtliche Beurteilung
Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 30. April 2003, GZ 13 Os 51/03-7, mit eingehender Begründung dargelegt hat, ist seit Aufhebung des zweiten Satzes des § 33 Abs 5 ARHG durch das zuvor genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichts, mit dem es eine Auslieferung nicht für unzulässig erklärt hat, in analoger Anwendung des Grundrechtsbeschwerdegesetzes das außerordentliche Rechtsmittel einer Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zulässig. In einer solchen Beschwerde ist anzugeben und zu begründen, worin der Beschwerdeführer die Verletzung eines bestimmt zu bezeichnenden, als Auslieferungshindernis in Betracht kommenden Grundrechts des Betroffenen - vgl § 19 Z 1 (Art 3 und Art 6 EMRK), § 20 ARHG (Art 1 6. ZPEMRK) und § 22 ARHG (Art 8 EMRK) - erblickt. Diesem Erfordernis entspricht die vorliegende Beschwerde.
Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wurde dem Beschwerdeführer am 17. Jänner 2003 zugestellt. Dieser hat innerhalb von 14 Tagen nach Aufhören der Rechtsmittelbeschränkung (§ 364 Abs 1 Z 2 StPO), somit rechtzeitig, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der 14-tägigen Beschwerdefrist angetragen und der vorstehend erwähnten Begründungspflicht entsprochen. Die begehrte Wiedereinsetzung war damit zu bewilligen.
Zur Beschwerde:
Trifft die Ansicht des Verfassungsgerichtshofes zu, wonach das Oberlandesgericht Wien in dem vom Obersten Gerichtshof zur Klarstellung beseitigten Beschluss vom 11. September 2001, AZ 22 Ns 2/01, rechtswirksam über die Existenz eines aus Art 2 des 7. ZPEMRK erfließenden Auslieferungshindernisses (im bejahenden Sinn) entschieden hat, so erübrigt sich - wie der Beschwerdeführer nicht verkennt - in der Tat eine Entscheidung über die Frage, ob im nunmehr angefochtenen Beschluss zu Recht kein Unzulässigkeitsgrund auf den dem Ersuchen zugrundeliegenden Sachverhalt angewendet wurde. Dann hätte nämlich das Oberlandesgericht Wien durch - wenngleich unter Umständen rechtsirrige - Bejahung eines aus Art 2 des 7. ZPEMRK resultierenden Auslieferungshindernisses die Auslieferung für unzulässig erklärt und der Oberste Gerichtshof durch Beseitigung dieser Entscheidung gegen § 292 sechster und siebenter Satz StPO verstoßen, der ihm nur ein den (hier:) Auszuliefernden begünstigendes Ermessen erlaubt, dessen Benachteiligung hingegen verbietet. Hätte demnach der Oberste Gerichtshof Sholam W***** - nach Maßgabe der vom Verfassungsgerichtshof zu 14 Os 8/02 geäußerten Rechtsansicht - in seinem bereits unanfechtbar erworbenen subjektiven Recht, infolge gerichtlicher Unzulässigerklärung der Auslieferung nicht ausgeliefert zu werden, rechtswidrig verkürzt, hätte dieser den in einem Rechtsstaat selbstverständlichen Anspruch auf Wiederherstellung der ihm in Verletzung des Gesetzes - wenngleich wirksam - entzogenen Rechtsposition durch den nunmehr als Beschwerdegericht über die Frage der Unzulässigkeit der Auslieferung entscheidenden Obersten Gerichtshof (vgl Punkt II der Anmerkung von Burgstaller zu JBl 2002, 670). Schon das Fehlen einer dem § 293 Abs 4 StPO entsprechenden Rechtsmittelbeschränkung zeigt nämlich auf, dass der Oberste Gerichtshof, gleich wie ein im zweiten Rechtsgang entscheidendes Beschwerdegericht, an die zuvor geäußerte Rechtsauffassung nicht gebunden wäre (Ratz, WK-StPO § 293 Rz 21).
Der Oberste Gerichtshof sieht allerdings keinen Grund, von seiner bisherigen Rechtsansicht abzugehen, wonach der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 11. September 2001 angesichts der Bejahung bloß eines nicht in die Gerichtskompetenz fallenden Auslieferungshindernisses bei gleichzeitiger Vernachlässigung anderer möglicher Gründe für die Unzulässigkeit der Auslieferung - recht besehen - die Auslieferung nicht für unzulässig, vielmehr im Ergebnis für zulässig erklärt hat. Dies aus nachstehenden Gründen:
Der Verfassungsgerichtshof hat in dem zum AZ G 151, 152/02 am 12. Dezember 2002 ergangenen Erkenntnis nicht über einen (negativen) Kompetenzkonflikt zwischen Gericht und Bundesminister für Justiz entschieden (Art 138 Abs 1 lit a B-VG), sondern ausschließlich im Rahmen seiner ihm nach Art 140 Abs 1 vierter Satz B-VG zukommenden Gesetzesprüfungskompetenz (vgl hiezu dessen zitierte Entscheidung vom 27. Februar 2003, AZ K I-5/02-8). Seine von denjenigen des Obersten Gerichtshofes abweichenden Ausführungen zur Kompetenzabgrenzung zwischen Gericht und Bundesminister für Justiz sind demnach bloß unter dem Gesichtspunkt beachtlich, als davon auszugehen ist, dass dann, wenn der Verfassungsgerichtshof im Rahmen seiner Zuständigkeit nach Art 138 Abs 1 lit a B-VG hinkünftig zu dieser Frage eine Entscheidung zu treffen hätte, diese nach aller Voraussicht im dargelegten Sinn ausfallen würde. So gesehen, ist daraus für die Richtigkeit der vom Obersten Gerichtshof angestellten Überlegungen nur insoweit etwas zu gewinnen, als sie argumentativ zu überzeugen vermögen.
Im Rahmen seiner zur Zulässigkeit des Individualantrags angestellten Erwägungen kommt der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung, nach Maßgabe der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes hätten sowohl das Oberlandesgericht als auch der Bundesminister "über die selbe Sache" zu entscheiden, was gegen den in Art 94 B-VG festgelegten Trennungsgrundsatz verstoße. Dabei schlägt er die im Ersten Abschnitt des II. Hauptstücks des ARHG nicht genannte und vom Obersten Gerichtshof daher ausdrücklich nicht zur "Zulässigkeit der Auslieferung" (s die Abschnittsüberschrift) gezählte Rechtsmittelgarantie in Strafsachen (Art 2 des 7. ZPEMRK) ohne weiteres zur "Zulässigkeit der Auslieferung", um daraus den Schluss zu ziehen, dem Obersten Gerichtshof schwebe eine Entscheidungskompetenz sowohl des Gerichts als auch des Bundesministers in der selben Sache (über die Zulässigkeit der Auslieferung) vor (Punkt 2.2.2.). Da aber der Oberste Gerichtshof bei der Auslegung des - auf einfacher Gesetzesstufe stehenden - ARHG gerade nicht gemeint hat, dass "die Zuständigkeit in der Frage der Zulässigkeit der Auslieferung zwischen Oberlandesgericht und Bundesminister 'geteilt'" sei, vielmehr - wie gesagt - Art 2 des 7. ZPEMRK unter anderem mit Blick auf die den Schutz der Menschenwürde - eines schlechthin zentralen Grundrechts (vgl Art 1 I des Bonner Grundgesetzes) - erfassende Auffangkompetenz des § 34 Abs 1 ARHG nicht als Unzulässigkeitsgrund begriffen und demnach auch nicht "der Frage der Zulässigkeit" zugerechnet hat, wird seine Auffassung durch die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes in Wahrheit gar nicht berührt. Dessen Entscheidung hängt auch nicht von der Richtigkeit seiner Entscheidungskritik ab (zu einer ähnlichen Problemlage im Strafverfahren vgl Ratz, WK-StPO § 293 Rz 10, 17 f). Fuchs (JBl 2002, 641) hinwieder vernachlässigt, dass nach der Rechtsprechung für das Verständnis von Entscheidungen nicht bloß deren Wortlaut ausschlaggebend ist (EvBl 1997/89). Auch trifft sein - vom Beschwerdeführer aufgegriffener - Verweis auf die Möglichkeit, die unterlassene Zuordnung rechtlicher Kategorien (von strafbaren Handlungen beim Schuldspruch, hier aber von Auslieferungshindernissen bei der Entscheidung über die Unzulässigkeit der Auslieferung) in zweiter Instanz nachzuholen, deshalb nicht, weil das gerichtliche Auslieferungsverfahren im Entscheidungszeitpunkt (11. September 2001) keine zweite Instanz kannte. Die als Schlussfolgerung vorgetragene Behauptung, die Angabe eines bestimmten Auslieferungshindernisses sei nicht Gegenstand, sondern Begründung der Entscheidung, womit fehlende Angaben deren Unwirksamkeit nicht zur Folge haben könnten, übergeht die ausdrücklich gegenteilige Prämisse des Obersten Gerichtshofes. Schließlich hat nach dessen Auffassung die angefochtene Entscheidung die Auslieferung des Sholam W***** für zulässig erklärt, nur dabei (möglicherweise) nicht alle Auslieferungshindernisse in Rechnung gestellt, sodass das logische Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten durchaus beachtet wurde. Die bekämpfte Entscheidung war daher für die Gerichte wirksam, band aber nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes den Bundesminister für Justiz bei seiner Entscheidung deshalb nicht, weil sie kein Auslieferungshindernis auf den dem Auslieferungsbegehren zugrundeliegenden Sachverhalt angewendet hatte. Der angefochtene Beschluss ist daher in der Sache selbst dahin zu überprüfen, ob er zu Recht alle der im ARHG genannten Auslieferungshindernisse verneint, darüber hinaus aber auch im Umfang der nicht im Ersten Abschnitt des II. Hauptstücks des ARHG genannten subjektiven Rechte eines Auszuliefernden, welche der Verfassungsgerichtshof in seinen Erwägungen - abweichend vom Obersten Gerichtshof - der "Zulässigkeit" zugeschlagen hat. Kann nämlich zwanglos davon ausgegangen werden, dass der Bundesminister für Justiz angesichts des zum AZ 14 Os 8/02 ergangenen Urteils des Obersten Gerichtshofes, welches in Hinsicht auf die als - auch in Auslieferungssachen beachtliches - Grundrecht reklamierte Rechtsmittelgarantie in Strafsachen (Art 2 des 7. ZPEMRK) ausdrücklich auf dessen alleinige Prüfungspflicht hinweist, diese (wenngleich mit negativem Ergebnis für den Auszuliefernden und ohne förmlichen Bescheid) bei seiner Auslieferungsbewilligung auch wahrgenommen hat, ist eine solche Annahme im Lichte der den Standpunkt des Obersten Gerichtshofes nicht teilenden Auffassung des Verfassungsgerichtshofes hinkünftig nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt. Der Oberste Gerichtshof sieht sich demnach veranlasst, schon vor einer allfälligen Klarstellung durch den einfachen Gesetzgeber, den Prüfungsumfang auf den dem Verfassungsgerichtshof vorschwebenden Rahmen auszudehnen. Das Oberlandesgericht Wien hat indes aus den im angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegten Gründen zu Recht kein Auslieferungshindernis des Ersten Abschnitts des II. Hauptstücks des ARHG auf die dem Ersuchen zugrundeliegenden Handlungen des Beschwerdeführers angewendet, die Auslieferung daher mit Recht nicht für unzulässig erklärt. Es konnte daher - der Beschwerdeauffassung zuwider - auch nicht ein oder mehrere Unzulässigkeitsgründe auf den dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Sachverhalt zur Anwendung bringen, so wie auch ein Freispruch vom Vorwurf der Tat, nicht aber von rechtlichen Kategorien (strafbaren Handlungen) erfolgt, ein sogenannter Qualifikationsfreispruch daher ausscheidet. Dies gilt vorerst für die überzeugenden Darlegungen des angefochtenen Beschlusses mit Blick auf die behauptete Verletzung des Art 6 EMRK durch Abführen eines Teils der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten und durch Verlust des Berufungsrechtes (vgl hiezu auch die Ausführungen zu 14 Os 8/02, S 16 ff). Denn einerseits konnte der während der gesamten, sich über einen Zeitraum von etwa acht Monaten erstreckenden Verhandlung in den USA anwesend gewesene Sholam W***** seine Verteidigungsrechte ausreichend wahren (vgl RV zum gegenständlichen Auslieferungsvertrag 1083 BlgNR 20. GP 19). Andererseits vermochte die Vorsitzende während dieser Zeit einen hinreichenden Eindruck vom Angeklagten für das Strafmaßfestsetzungsverfahren, dem er sich durch Flucht entzogen hatte, gewinnen.
Zutreffend weist der angefochtene Beschluss auch darauf hin, dass Freiheitsstrafen nur dann in ein Spannungsverhältnis zu Art 3 EMRK treten können, wenn sie in keiner Relation zur Schuld des Täters und zum Unrechtsgehalt der Tat stehen (Rosenmayr in Ermacora-Nowak-Tretter, Die europäische Menschenrechtskonvention 171 f). Vor allem wegen der professionellen und rücksichtslosen Tatbegehung im Rahmen eines groß angelegten, organisierten Betrugskonzepts mit einer beträchtlichen Schadenssumme von mehr als 250 Mio US-Dollar kann die Sanktion, mag sie auch auf dem Kumulationsprinzip beruhen und weit über der Obergrenze des im ausliefernden Staat vorgesehenen Strafrahmens liegen, nicht als unmenschlich oder erniedrigend iSd Art 3 EMRK angesehen werden. Letztlich ist aber auch aus Art 2 des 7. ZPEMRK für Sholam W***** nichts zu gewinnen (vgl Matscher, Stb 10. 8. 2002, Burgstaller aaO Punkt III), weshalb die Beschwerde aus den dargelegten Gründen abzuweisen war.
Ein aus Art 8 EMRK erfließendes Auslieferungshindernis hinwieder ist dem vorliegend in Rede stehenden Auslieferungsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika nicht bekannt, weswegen das Oberlandesgericht keine Veranlassung zur Anführung auf dieses Grundrecht bezogener Sachverhaltsannahmen hatte, sind doch die Vorschriften des ARHG (hier: § 22) zwischenstaatlichen Vereinbarungen gegenüber bloß subsidiär (§ 1 ARHG). Mit Blick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers und die im angefochtenen Beschluss dargelegten Tatumstände hat der Oberste Gerichtshof schon deshalb keinen Anlass, gegen die Anwendung dieses Staatsvertrages aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit Bedenken zu hegen (Art 89 Abs 2 und 4 B-VG), weil danach von einer im Auslieferungsverfahren relevanten Verletzung des Art 8 EMRK angesichts fehlender naher familiärer Kontakte in Österreich nicht die Rede sein kann (vgl 13 Os 69/03). Selbst bei Anwendung des § 22 ARHG wäre mangels der dort verlangten Unverhältnismäßigkeit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen.
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