Spruch:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Beschluss wurde die Auslieferung des am 13. November 1963 in Jugoslawien geborenen, (zuletzt:) jugoslawischen Staatsangehörigen George S***** wegen im Einzelnen angeführter Straftaten ("kriminelle Vereinigung zur Begehung von Straftaten, im Besonderen" ua "wegen des Begehens der Tat zu Erwerbszwecken von drei oder mehr Personen zum Zwecke des Anwerbens von Personen für die Prostitution, Anwerbung von Personen zum Zwecke der Prostitution, Verleitung von Personen, sich zum Zwecke der Prostitution in ein Land zu begeben, wo sie nicht ihren ordentlichen Wohnsitz haben, Zuhälterei mit dem Erschwerungsgrund des Begehens der Tat zum Nachteil von mehreren Personen) nicht für unzulässig erklärt (vgl EvBl 2002/154 = JBl 2002, 670 mit Anmerkung von Burgstaller, 13 Os 51/03).
Rechtliche Beurteilung
Wie zu 13 Os 51/03 mit eingehender Begründung dargelegt, ist dagegen in analoger Anwendung des GRBG eine Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zulässig, welche auch rechtzeitig eingebracht wurde.
In einer solchen ist anzugeben und zu begründen, worin der Beschwerdeführer die Verletzung eines bestimmt zu bezeichnenden, als Auslieferungshindernis in Betracht kommenden Grundrechtes des Betroffenen - vgl § 19 Z 1 (Art 3 und Art 6 EMRK), § 20 ARHG (Art 1 6. ZP EMRK) und § 22 ARHG (Art 8 EMRK) - erblickt. Auch diesem Erfordernis entspricht die vorliegende Beschwerde.
Er macht einerseits unter Berufung auf "die Härteklausel" der Sache nach eine Verletzung des Grundrechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK mit der Behauptung geltend, dass er "den Großteil seines Lebens in Österreich verbracht" habe, "hier vollkommen sozial integriert" sei, "seine gesamte" - aus einer "neuen" Lebensgefährtin, zwei leiblichen Kindern und zwei Schwestern, mit denen er "regen Familienkontakt" unterhalte, bestehende - "Familie in Österreich" lebe und er weder Italienisch noch Englisch spreche. Darüber hinaus führt er ins Treffen, gegen ihn sei ein inländisches Erkenntnisverfahren anhängig, und weiter: "Es betreffen diese Strafverhandlungen auch exakt jene Personen, die im Haftbefehl des italienischen Ansuchens genannt sind", was "nunmehr vor allem in Kombination mit der Aufschiebung bis zur rechtskräftigen Verurteilung in Österreich" bedeute, "dass der Einschreiter wegen ein und derselben Straftaten mehrmals abgeurteilt werden würde."
Da ein Grundrecht, während eines anhängigen Inlandsverfahrens wegen der diesem zugrunde liegenden Taten nicht ausgeliefert zu werden, weder besteht noch behauptet wird, erweist sich die Beschwerde insoweit als unzulässig. Außerdem wurde im angefochtenen Beschluss, die Übergabe des George S***** gem Art 19 Abs 1 EuAlÜbk aufgeschoben, bis den inländischen Strafverfahren (34 Hv 1045/01g und 17 Ur 260/02x des Landesgerichtes Linz) Genüge getan ist. Selbst Art 4 Abs 1 des 7. ZP EMRK kennt nur das Recht, wegen einer strafbaren Handlung, derentwegen bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates eine rechtskräftige Verurteilung oder ein solcher Freispruch erfolgt ist, in einem Strafverfahren desselben Staates nicht erneut vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden (vgl auch Art 54 SDÜ).
Ein aus Art 8 EMRK erfließendes Auslieferungshindernis hinwieder ist den im Verhältnis zur Italienischen Republik in Geltung stehenden Auslieferungsverträgen nicht bekannt, weswegen das Oberlandesgericht keine Veranlassung zur Anführung auf dieses Grundrecht bezogener Sachverhaltsannahmen hatte, sind doch die Vorschriften des ARHG (hier: § 22) zwischenstaatlichen Vereinbarungen gegenüber bloß subsidiär (§ 1 ARHG).
Mit Blick auf das Vorbringen des S***** und die im angefochtenen Beschluss dargelegten Tatumstände hat der Oberste Gerichtshof schon deshalb keinen Anlass, gegen die Anwendung dieser Staatsverträge aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit Bedenken zu hegen (Art 89 Abs 2 und4 B-VG), weil darnach von einer im Auslieferungsverfahren relevanten Verletzung des Art 8 EMRK nicht die Rede sein kann (vgl JBl 2001, 331 mit Anm von Dedeyne-Amann).
Die Auslieferung ist nicht nur gesetzlich vorgesehen, sondern fällt als Einschränkung familiärer Kontakte angesichts moderner Verkehrsverbindungen zum Häftlingsbesuch im Nachbarstaat unter Berücksichtigung der Schwere der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Straftaten gegenüber einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung der "Verteidigung der Ordnung und der Verhinderung von Straftaten" kaum ins Gewicht (Art 8 Abs 2 EMRK; vgl auch Newsletter 1995, 184 [Zulässigkeitsentscheidung in der Sache Raidl gg Österreich]).
Selbst bei Anwendung des § 22 ARHG wäre mangels der dort verlangten Unverhältnismäßigkeit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen: Nach seinem eigenen Vorbringen in der öffentlichen Verhandlung (§ 33 Abs 2 ARHG) wohnen seine beiden Kinder im Alter von 18 und 9 Jahren bei den jeweiligen Müttern. Sein Kontakt zu den Kindern "war zuletzt nicht sehr gut" (vor dem Untersuchungsrichter hatte er eingeräumt, im letzten halben Jahr vor seiner Verhaftung keinen Kontakt mehr zu den Kindern gehabt zu haben; ON 14). Er hat diese deshalb "nur ganz wenig gesehen, weil" er "zuletzt keine Zahlungsmittel mehr gehabt habe, um hinzufahren." Die Adresse einer der beiden Mütter konnte er gar nicht angeben (vgl aber S 115). Seine jetzige, als Lebensgefährtin bezeichnete Partnerin "ist 19 Jahre alt und geht noch zur Schule."
Damit erübrigen sich weitere Erwägungen zur Relevanz des reklamierten Grundrechtes als Auslieferungshindernis gegenüber einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (zum Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 "über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten" eingehend Fuchs, Europäischer Haftbefehl und Staaten-Souveränität, JBl 2003 [im Druck]).
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