OGH 4Ob34/15a

OGH4Ob34/15a11.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****kammer, *****, vertreten durch Mag. Jakob Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** L*****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen Unterlassung (Streitwert [eingeschränkt] 12.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2013, GZ 5 R 162/13b‑19, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 5. August 2013, GZ 28 Cg 26/13a‑8, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00034.15A.0811.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 836,28 EUR (darin enthalten 139,38 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin nimmt als Körperschaft öffentlichen Rechts die wirtschaftlichen Interessen der österreichischen Apotheker wahr und ist nach § 2 Abs 4 Z 14 Apothekerkammergesetz 2001 befugt, Verfahren aufgrund von § 14 UWG zu führen und Klagen nach den §§ 1 und 2 UWG einzubringen.

Die Beklagte ist eine Unternehmerin, die auf ihrer Homepage unter anderem Vitalpilze zum Verkauf anbietet.

Anlässlich eines von der Klägerin veranlassten Testkaufs von Agaricus Pulver Kapseln und Coriolus Pulver Kapseln bei der Beklagten enthielten die jeweiligen Behältnisse zu 120 Stück keinen Hinweis darauf, dass es sich hierbei um Nahrungsergänzungsmittel handelt. Ebenso fehlte ein Hinweis darauf, dass diese Kapseln nicht als Ersatz für eine abwechslungsreiche Ernährung verwendet werden dürfen und die empfohlene Tagesdosis nicht zu überschreiten ist. Als Zutaten wurden bei den Agaricus Pulver Kapseln Agaricus blazei murill Pulver (Shellbroken) und Cellulose (Kapselhülle pflanzlich) und bei den Coriolus Pulver Kapseln Coriolus Pulver (Shellbroken) und abermals Cellulose (Kapselhülle pflanzlich) genannt. Als Hersteller schien auf den Behältnissen eine deutsche GmbH auf. Dem Testkäufer wurde ein Informationsschreiben mit krankheitsbezogener Werbung übermittelt.

Die Klägerin begehrte, die Beklagte a) zur Unterlassung krankheitsbezogener Werbung im Zusammenhang mit ihren Vitalpilz-Produkten und anderen Nahrungsergänzungsmitteln, b) zur Unterlassung der Weglassung des Hinweises auf die Aufbewahrung außerhalb der Reichweite von Kindern, sowie c) zur Unterlassung des Inverkehrbringens ihrer Vitalpilz-Produkte mit Packungen zu verhalten, welchen die Sachbezeichnung „Nahrungsergänzungsmittel“ fehlt und welchen Packungen, die Hinweise fehlen, dass die angegebene empfohlene Tagesdosis nicht zu überschreiten sei und dass Nahrungsergänzungsmittel nicht als Ersatz für eine abwechslungsreiche Ernährung verwendet werden dürfen, dies insbesondere für die Produkte Agaricus Pulver Kapseln und Coriolus Pulver Kapseln. Gemäß § 5 Abs 3 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) sei es entsprechend Art 2 Abs 1 lit b der Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG verboten, beim Inverkehrbringen oder in der Werbung für Lebensmittel, zu welchem Begriff auch Nahrungsergänzungsmittel zählten, diesen Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuzuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaft entstehen zu lassen. Überdies verstoße die Beklagte gegen die Kennzeichnungsverpflichtung gemäß der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NEMV). Es liege daher eine unlautere Geschäftspraktik nach §§ 1 und 2 UWG vor.

Hinsichtlich ihres Begehrens zu a) (krankheitsbezogenen Werbung) schlossen die Parteien einen gerichtlichen Unterlassungsvergleich ab, hinsichtlich des Begehrens zu b) schränkte die Klägerin ihr Begehren mangels Verstoßes ein. Das verbleibende Begehren zu c) (fehlende Bezeichnung als Nahrungsergänzungsmittel, fehlender Hinweis auf die Tagesdosis und die abwechslungsreiche Ernährung) bestritt die Beklagte im Wesentlichen mit der Begründung, dass sie keine Nahrungsergänzungsmittel vertreibe, die den Kennzeichnungsbestimmungen der NEMV nicht entsprächen. Bei den Produkten Agaricus Pulver Kapseln und Coriolus Pulver Kapseln handle es sich um keine Nahrungsergänzungsmittel, weil sie nicht als Konzentrate angeboten würden. Die Beklagte habe aus guten Gründen den entsprechenden Beteuerungen des deutschen Herstellers Glauben schenken können.

Das Erstgericht gab dem (verbleibenden) Klagebegehren Folge. Bei richtlinienkonformer Interpretation von § 3 Abs 1 bzw Abs 2 Z 1 bis 5 NEMV und von § 3 Z 4 LMSVG ergebe sich, dass nicht die Zutat des Nahrungsergänzungsmittels, sondern das verzehrfertige Produkt ein Konzentrat im weiteren Sinn sein müsse. Dies sei hier gegeben, weshalb die klagsgegenständlichen Produkte in die Kategorie der Nahrungsergänzungsmittel fielen. Die Beklagte habe daher gegen § 3 NEMV verstoßen und damit den Tatbestand nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG verwirklicht.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision zur Frage der Qualifizierung der verfahrensgegenständlichen Pilzprodukte wie auch ähnlicher Produkte als Nahrungsergänzungsmittel nachträglich zu. Die Auffassung der Beklagten, ihre Pilzprodukte seien keine Nahrungsergänzungsmittel, stehe im Widerspruch zu § 3 Z 4 LMSVG bzw der zugrundeliegenden Richtlinie 2002/46/EG und sei daher nicht mit guten Gründen vertretbar. Der Sinn des Begriffs Konzentrat erschließe sich aus der englischen Originalfassung des Art 2 lit a RL 2002/46/EG (food supplements … are concentrated sources of ...). Demnach sei der Begriff so zu verstehen, dass die betreffenden Produkte die Nährstoffe und sonstigen Stoffe in konzentrierter Form liefern, also auf sich selbst reduziert und frei von anderen Substanzen sein sollten. Nahrungsergänzungsmittel unterschieden sich demnach von angereicherten Lebensmitteln, die regelmäßig einen signifikanten Brennwert besäßen und in der für Lebensmittel charakteristischen Form ‑ also insbesondere nicht in dosierter Form ‑ aufgenommen würden. Eine Zufuhr von Substanzen in konzentrierter Form sei mit solchen Produkten nicht möglich. Nicht die Zutat des Nahrungsergänzungsmittels müsse also konzentriert sein, sondern das verzehrfertige Produkt müsse ein Konzentrat im weiteren Sinn sein.

Die Beklagte wiederholte in ihrer Revision ihren Standpunkt, wonach das von ihr vertriebene Pilzpulver kein Nahrungsergänzungsmittel sei, weil durch die bloße Trocknung und mechanische Zerkleinerung keine Konzentration der Nähr- oder sonstigen Stoffe herbeigeführt werde. Überdies machte sie unter Bezugnahme auf deutsche Rechtsprechung geltend, die genannte Richtlinie und damit das LMSVG seien nur auf Nahrungsergänzungsmittel anzuwenden, welche die im Anhang I und II der Richtlinie taxativ aufgezählten Vitamine und Mineralstoffe enthielten. Ihre Rechtsauslegung sei schon deshalb vertretbar, weil ihre Lieferantin das beanstandete Pulver in Deutschland rechtmäßig in den Verkehr gebracht habe. Gemäß dem Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit könne der Beklagten somit das Inverkehrbringen im Inland nicht untersagt werden.

Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Nahrungsergänzungsmittel sind nach Art 2 lit a der Richtlinie 2002/46/EG vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen und in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden, d. h. in Form von z. B. Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen. Nährstoffe sind nach lit b Vitamine und Mineralstoffe. Diese Definition entspricht wortgleich der Umsetzung der Richtlinie in § 3 Z 4 LMSVG.

2. Art 4 Abs 1 der genannten Richtlinie bestimmt, dass im Falle von Vitaminen und Mineralstoffen [...] nur die in Anhang I aufgeführten Vitamine und Mineralstoffe in den in Anhang II aufgeführten Formen für die Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden dürfen. Nahrungsergänzungsmittel können nun aber nach Art 2 lit a der Richtlinie aus Nährstoffen (= Vitamine und Mineralstoffe), aber auch aus sonstigen Stoffen bestehen. Art 4 nimmt demnach nach seinem klaren Wortlaut nur auf den ersten Fall Bezug, ohne den Anwendungsbereich der Richtlinie sonst zu beschränken. Art 6 der Richtlinie, der die Kennzeichnungspflicht bestimmt, spricht allgemein von Nahrungsergänzungsmitteln, worunter nach der Legaldefinition auch Zubereitungen sonstiger Stoffe fallen können.

3. Das von der Beklagten zitierte Urteil des BGH I ZR 275/01 nimmt zur Frage der Kennzeichnungspflicht nicht Stellung und ist daher nicht einschlägig. Soweit in der Literatur vertreten wird, dass sich die Richtlinie 2002/46/EG nur auf Nahrungsergänzungsmittel beziehe, die Vitamine und/oder Mineralstoffe enthalten (Delewksi, Nahrungsmittel im europäischen Wirtschafts- und Verwaltungsraum, 323; Kügel/Delewski, Neues Recht für Nahrungsergänzungsmittel, EuZW 2003, 549 [550]; ähnlich ‑ wenngleich ohne Begründung ‑ Kert, Lebensmittelstrafrecht im Spannungsfeld des Gemeinschaftsrechts [2004], 298), ist dem angesichts des klaren Wortlauts des Art 2 lit a der Richtlinie nicht zu folgen.

Delewski (aaO 302), bezieht sich diesbezüglich auf die Begründung der Kommission zum geänderten Vorschlag KOM (2001) 159 v. 19. 3. 2001. Dort wird ausgeführt, die in der künftigen Richtlinie festzuschreibenden Bestimmungen für Vitamine und Mineralstoffe sollten für Nahrungsergänzungen geltend, die Vitamine und Mineralstoffe und sonstige Zutaten enthalten. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass Nahrungsergänzungsmittel nur solche Produkte sind, die Vitamine oder Mineralstoffe enthalten, spricht doch der ausdrückliche Wortlaut von Art 2 lit a der Richtlinie dagegen. Auch aus Erwägungsgrund 8 der Richtlinie, wonach spezifische Vorschriften über andere Nährstoffe als Vitamine und Mineralstoffe oder über andere Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung, die als Zutaten von Nahrungsergänzungsmitteln Verwendung finden, zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden sollten, sofern ausreichende und sachgerechte wissenschaftliche Daten über diese Stoffe vorliegen, kann keine Beschränkung der Kennzeichnungspflicht abgeleitet werden. Der Erwägungsgrund bezieht sich offenkundig auf die Festlegung von Positivlisten entsprechend Anhang I und II für ebendiese sonstigen Stoffe (vgl Streit, Nahrungsmittel ‑ Möglichkeiten ihrer Beurteilung, in FS Welsch, 305 [307]) und hat somit für die Kennzeichnungspflicht keine Relevanz. Die Kennzeichnungspflicht nach der Richtlinie erstreckt sich daher auch auf Nahrungsergänzungsmittel, die nur sonstige Stoffe enthalten (so auch Meisterernst, Sonstige Stoffe in Nahrungsergänzungsmitteln ‑ Weitere Harmonisierung erforderlich?, in FS Welsch, 317; Kügel/Hahn/Delewski, [dt] Nahrungsergänzungsmittelverordnung [2007] § 4 Rz 15).

4. Der EuGH hat in der Entscheidung C‑319/05, Kommission/Deutschland, die Frage, ob ein Knoblauchpulver in Kapseln ein Nahrungsergänzungsmittel sei, offen gelassen, weil nur die Abgrenzung zu einem Arzneimittel strittig war (Rz 84). In der Rechtssache C‑140/07, Hecht-Pharma GmbH/ Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg (auch dort ging es um die Abgrenzung Arzneitmittel/Lebensmittel) brachte die Generalanwältin in ihren Schlussanträgen (Rz 28) Kapseln mit rot fermentiertem Reis, der ebenfalls keine Vitamine und Mineralstoffe, sondern nur Monacolin (ein Schimmelpilz) enthielt, mit der Richtlinie 2002/46/EG in Zusammenhang.

5. Soweit die Revisionswerberin argumentiert, das gegenständliche Pulver sei kein Nahrungsergänzungsmittel, weil nur getrocknete Pilze zermahlen würden, sohin kein Konzentrat vorliege, ist ihr entgegenzuhalten, dass unter den Begriff sonstige Stoffe mit physiologischer Wirkung auch (zermahlene) Pflanzen und Kräuter fallen (vgl Kügel/Delewski, Neues Recht für Nahrungsergänzungsmittel, EuZW 2003, 549, FN 16; Streit, Nahrungsmittel ‑ Möglichkeiten ihrer Beurteilung, in FS Welsch, 305 [307]; Blass ua, LMSVG³ § 3 Rz 24; Natterer, Lebensmittelrecht [2008], Rz 25), soweit ihre Beisetzung darauf abzielt, die allgemeine Ernährung zu ergänzen und eine konzentrierte Zufuhr dieser Stoffe zu bewirken (Meisterernst, Sonstige Stoffe in Nahrungsergänzungsmitteln ‑ Weitere Harmonisierung erforderlich?, in FS Welsch, 317 [318]). Dass der Ausdruck Konzentrat nicht dahingehend zu verstehen ist, dass die Zutat selbst konzentriert sein muss, sondern dass die sonstigen Stoffe auf sich selbst konzentriert und damit reduziert von anderen Substanzen sein müssen (vgl Blass ua, LMSVG³ § 3 Rz 26; Hagenmeyer/Hahn, Im SumV der NemV, wrp 2004, 1445 [1447]) hat bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt. Im Übrigen räumt auch die Revisionswerberin ein, dass die Pilze getrocknet werden, was ihnen 90 % ihres sonstigen Inhalts (nämlich Wasser) entzieht. Damit liegt insofern ein Konzentrat vor, als das Pulver durch ein physikalisches Trennverfahren gewonnen wird (vgl Kügel/Hahn/Delewski, NemV § 1 Rz 47).

6. Das erst in der Revision erstattete Vorbringen der Beklagten, die Kapseln seien in Deutschland rechtmäßig in Verkehr gebracht worden, weshalb es gegen die Warenverkehrsfreiheit verstieße, sie in Österreich einer Kennzeichnungspflicht zu unterziehen, verletzt das Neuerungsverbot und ist daher schon deswegen unbeachtlich. Im Übrigen kann die wörtliche Umsetzung sekundären Unionsrechts (wie hier durch das LMSVG bzw die NEMV) keinen Verstoß gegen die Freiheit des Warenverkehrs begründen (vgl EuGH C‑220/98, Estée Lauder Cosmetics GmbH & Co OHG/Lancaster Group GmbH, Rz 26; Schroeder in Streinz, EUV/AEUV2 Art 34 AEUV Rz 62).

7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die von der Beklagten vertriebenen Vitalpilze-Kapseln als Nahrungsergänzungsmittel iSv § 3 Z 4 LMSVG bzw Art 2 lit a der Richtlinie 2002/46/EG zu qualifizieren sind und die Beklagte bei deren Vertrieb daher gegen § 3 Abs 2 NEMV verstoßen hat.

8. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinne zuzuordnende generelle Norm als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht (RIS-Justiz RS0123239). Wenn eine nach dem Wortlaut des Gesetzes immerhin vertretbare Rechtsauffassung in der Folge von den Gerichten nicht geteilt wurde, ist dies kein Verstoß gegen § 1 UWG. Es kommt vor allem darauf an, ob die Auffassung über den Umfang der Befugnisse durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann (RIS‑Justiz RS0077771). Die auf das Kriterium der Vertretbarkeit abstellende Rechtsprechung deckt aber nicht den Versuch, einen offenkundigen Gesetzesverstoß nachträglich mit spitzfindigen Argumenten zu rechtfertigen (RIS-Justiz RS0077931 [T13]).

9. Im vorliegenden Fall ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 3 Z 4 LMSVG (… die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen …), dass die von der Beklagten vertriebenen Vitalpilz-Produkte unter den Begriff der Nahrungsergänzungsmittel fallen und somit der entsprechenden Kennzeichnungspflicht nach der NEMV unterliegen. Die Beklagte kann sich daher nicht auf die Vertretbarkeit ihrer Rechtsansicht berufen. Der Revision war somit auch unter diesem Aspekt nicht Folge zu geben.

10. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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