OGH 11Os92/15m

OGH11Os92/15m11.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. August 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zonsics als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef M***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 12. Mai 2015, GZ 34 Hv 122/14k‑43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00092.15M.0811.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef M***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er (zusammengefasst) am 1. November 2014 in A***** Michaela S***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er sie auf sein Bett stieß, sich auf ihre Hüfte setzte und dabei an einer Hand festhielt und die Hose samt Unterhose bis zu den Knien hinunterzog, wobei die Tat letztlich lediglich deshalb beim Versuch blieb, weil Michaela S***** sich heftig zur Wehr setzte und flüchten konnte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus Z 4, 5, 9 lit a und lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags (ON 42 S 10 iVm ON 29) auf Vernehmung vom Beschwerdeführer namhaft gemachter ‑ beim Vorfall selbst nicht anwesender ‑ Zeugen zum Charakter der Michaela S*****, zu deren Verhalten gegenüber Männern, speziell auch am Vorfallstag und gegenüber dem Angeklagten, zu deren Alkoholkonsum und Verhaltensweise im Zustand der Alkoholisierung keine Verteidigungsrechte beeinträchtigt. Eine Bedeutung der beantragten Beweisaufnahmen für die Lösung der vorliegenden Schuldfrage ließen die Beweisanträge nämlich nicht erkennen (RIS‑Justiz RS0118444). Im Übrigen wurde den Angaben der Belastungszeugin Michaela S*****, die beim Schöffensenat einen sehr guten und glaubwürdigen Eindruck hinterließ, auch unter Zugrundelegung des behaupteten Lebenswandels Glauben geschenkt (US 7, 10; RIS‑Justiz RS0098410).

Dem Antrag auf molekulargenetische Untersuchung der Schuhe Michaela S*****s zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte die Stiefletten der Anzeigenlegerin aufgeschnürt und diese dann ausgezogen hat“ (ON 42 S 10 iVm ON 29), folgte das Schöffengericht schon deshalb zu Recht nicht, weil es das angestrebte Beweisergebnis ohnehin als erwiesen annahm (ON 42 S 11; US 8, 11; RIS‑Justiz RS0099135).

Das die Anträge ergänzende Beschwerdevorbringen ist prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618, RS0099117).

Mit sich in Widerspruch (Z 5 dritter Fall) ist ein Urteil, wenn das Gericht entscheidende Tatsachen als nebeneinander bestehend feststellt, die einander nach den Gesetzen logischen Denkens ausschließen oder grundlegenden Erfahrungssätzen (vgl RIS‑Justiz RS0117402 [bes T15]). Dies trifft auf die Feststellungen, wonach sich der Angeklagte im Bereich der Hüfte der Michaela S***** niederließ, sie mit einer Hand festhielt und ihr mit der anderen Hand die sehr elastische Stretchjeans samt Unterhose hinunterzog (US 5), nicht zu.

Die von der Mängelrüge vermisste Auseinandersetzung (Z 5 zweiter Fall) mit dem Motiv der Michaela S*****, den Angeklagten, obwohl er verheiratet ist, nach Hause zu begleiten, ist weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage von Bedeutung. Im Übrigen wurden vom Erstgericht genau dazu konkrete Feststellungen getroffen, und zwar dahingehend, dass sie zunächst von der Anwesenheit der Ehegattin ausging und in weiterer Folge vom Angeklagten in das Schlafzimmer gelockt wurde, um ihr angebliche Beweise für das Fremdgehen seiner Ehegattin vorzuführen (US 4 f).

Weder das ausdrücklich zum Inhalt der Nichtigkeitsbeschwerde gemachte ‑ indes von vornherein unbeachtliche ( Ratz , WK‑StPO § 285 Rz 6 mwN) ‑ Schreiben des Beschwerdeführers vom 15. Juni 2015 („Warum fährt Frau S***** freiwillig mit mir nach Hause?“...) an seinen Verteidiger noch das übrige, sich in eigenständigen Beweiswerterwägungen erschöpfende Vorbringen der Mängelrüge, mit dem lediglich versucht wird, die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in Zweifel zu ziehen, lassen einen Bezug zu den Kriterien des § 281 Abs 1 StPO erkennen.

Der Verweis der Rechtsrüge auf das bisherige Vorbringen (Z 4 und 5) verkennt die verschiedenen Ansätze dieser Nichtigkeitsgründe (RIS‑Justiz RS0115902).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).

Indem die Rüge (Z 9 lit a) einwendet, flüchtiges Berühren am Oberschenkel stelle keine Nötigung dar, dabei aber die für den Schuldspruch nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB maßgeblichen Feststellungen zur Intention des Angeklagten übergeht, Michaela S***** mit Gewalt gegen ihren Willen zur Duldung des Beischlafs „bzw“ einer den Beischlaf gleichzusetzenden Handlung zu nötigen (US 5 f), verfehlt sie die dargelegten Anfechtungskriterien.

Nicht an den Feststellungen orientiert ist auch der Einwand (Z 9 lit b) strafbefreienden Rücktritts vom Versuch auf Basis der urteilskonträren Annahme, die Vollendung der Tat sei freiwillig, also nicht aufgrund der festgestellten Gegenwehr der Michaela S***** unterblieben (US 6).

Mit der Behauptung eines Tatbildirrtums bestreitet der Beschwerdeführer den festgestellten Vorsatz und verfehlt solcherart einmal mehr den gesetzlichen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (US 6).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte