European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00064.15V.0630.000
Spruch:
Andrzej S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Innsbruck einer Beschwerde des Andrzej S***** (ON 257 und Ergänzung ON 262) gegen den vom Landesgericht Innsbruck am 26. März 2015 nach einer Haftverhandlung gefassten Beschluss (ON 253) auf Fortsetzung der über ihn am 19. Dezember 2014 verhängten Untersuchungshaft (vgl dazu 11 Os 14/15s, 11 Os 15/15p = ON 251) nicht Folge und setzte seinerseits die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht‑ und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a, b und c StPO fort.
Nach den insoweit auf seine Beschlüsse vom 13. März 2015, AZ 11 Bs 62/15b (richtig: ON 221; dazu zuletzt 11 Os 48/15s) und vom 25. März 2015, AZ 11 Bs 79/15b (ON 250), verweisenden Annahmen des Oberlandesgerichts steht der (polnische Staatsangehörige) Andrzej S***** weiterhin im dringenden Verdacht, er habe - entsprechend der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 2. März 2015 (ON 197) ‑ das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB (A/1‑19), die Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B/1‑8) und die Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (C) begangen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 10. April 2015 (ON 285) richtet sich die von seinem Verfahrenshilfeverteidiger ausgeführte Grundrechts-beschwerde (ON 310) des Angeklagten vom 28. April 2015 (eingelangt am selben Tag). Am 29. April 2015 langte beim Erstgericht auch eine vom Angeklagten persönlich verfasste und mit 28. April 2015 datierte „Grundrechtsbeschwerde“ ein (ON 316).
Auf letztere (ON 316) ist schon im Hinblick auf den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsbehelfs der Grundrechtsbeschwerde nicht weiter einzugehen (RIS‑Justiz RS0061478, RS0097055; Kier in WK 2 GRBG § 3 Rz 26).
Bezugspunkt der Bekämpfung mit Grundrechtsbeschwerde ist auch nicht die Haft als solche, sondern die letztinstanzliche Entscheidung über die Haftverhängung oder Haftfortsetzung nach Erschöpfung des Instanzenzugs (Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 46 f; RIS‑Justiz RS0061004 [T5]; RS0061078).
Die Begründung des dringenden Tatverdachts kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren in sinngemäßer Anwendung der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (RIS‑Justiz RS0110146).
1./ Die Wiederholung des Einwands örtlicher Unzuständigkeit der Innsbrucker Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Landesgericht und Oberlandesgericht) wegen angeblichen Zuvorkommens der Staatsanwaltschaft Leoben im Sinn des § 26 Abs 2 vorletzter Satz StPO betrifft eine bereits entschiedene Sache (11 Os 48/15s).
2./ Gleichfalls auf eine res iudicata bezieht sich das weitere Vorbringen, die mit seiner (nicht auf der Grundlage von Bestimmungen der StPO erfolgten) Festnahme am 6. Dezember 2014 nach der Flucht vor einer Verkehrskontrolle begründeten Maßnahmen der Durchsuchung des Fahrzeugs, „in dem sich der Beschwerdeführer befunden hat“, der darin befindlichen Gegenstände, der vom Beschwerdeführer mitgeführten Tasche sowie einer Garage in T***** seien „nichtig“ und die daraus gewonnenen Ergebnisse hätten deshalb nicht zur Begründung des dringenden Tatverdachts verwertet werden dürfen (11 Os 48/15s).
Dass es zur Verwertung der Ergebnisse der in der Zeit von 6. bis 18. Dezember 2014 durchgeführten Ermittlungen wegen des Verdachts von im Inland begangenen Einbruchsdiebstählen im gegenständlichen Strafverfahren einer besonderen Erklärung der Staatsanwaltschaft auf Einleitung des Ermittlungsverfahrens bedurft hätte, wird vom Beschwerdeführer ohne Ableitung aus dem Gesetz bloß behauptet (vgl dagegen § 1 Abs 2 StPO in den Fassungen BGBl I 2004/19 [bis 31. Dezember 2014] und 2014/71 [ab 1. Jänner 2015]). Anhaltspunkte dafür, dass diese Ermittlungen von der Polizei nach der Festnahme des Angeklagten gegen den erklärten Willen der Staatsanwaltschaft eingeleitet oder fortgesetzt worden wären (§ 101 Abs 1 StPO), lassen sich gerade aus der Abtretung des (später rückabgetretenen) Verfahrens an die Staatsanwaltschaft Salzburg ebensowenig ableiten wie aus der Abforderung von noch nicht bei den Akten der Staatsanwaltschaft befindlichen Berichten und Protokollen der Polizei zu den Vorgängen vom 6./7. Dezember 2014 (ON 1 S 1‑7, 14). Weshalb die Durchsuchung und Sicherstellung der Aktentasche des Angeklagten, die zur Auffindung des Mietvertrags betreffend die über gerichtlich bewilligte Anordnung der Staatsanwaltschaft durchsuchte Garage führte, einen „erklärten Willen“ „bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck“ erfordert hätte, macht die Beschwerde nicht klar (vgl bereits 11 Os 48/15s zu den Rechtsgrundlagen kriminalpolizeilicher Eingriffsbefugnisse). Dass bei den Fahrnissen des Angeklagten nach Aufnahme der Ermittlungen wegen des Verdachts von Einbruchsdiebstählen (ON 3, 4, 5) auch der Mietvertrag „aufgefunden“ worden sei, wurde der Staatsanwaltschaft vor Erwirkung der Durchsuchungsanordnung hinsichtlich der Garage ohnehin mündlich (ON 1 S 1) und schriftlich (ON 6) berichtet; ebenso legte die Polizei darin offen, wie sie ihre (eigenständige) Ermittlungstätigkeit fortzusetzen gedachte (ON 4, 5, 6). Gerade auf Grund dieser Berichte war die Staatsanwaltschaft in der Lage, aus ihrer Sicht erforderliche Anordnungen zu treffen.
3./ Dass das Ergebnis der mit gerichtlicher Bewilligung angeordneten und vom Beschwerdegericht gebilligten molekulargenetischen Untersuchung von im Zuge des gegenständlichen Strafverfahrens sichergestellten Gegenständen und biologischen Spuren (ON 22, 24, 167, 250) entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts (ON 285 S 7 iVm ON 250 S 22 f) zur Beweisführung nicht verwertbar sei, weil ein Abgleich ‑ § 124 Abs 1 StPO zuwider ‑ mit einem angeblich ohne gesetzliche Grundlage gewonnenen DNA‑Vergleichsmaterial aus der nationalen DNA‑Datenbank (§§ 67, 75 SPG und § 21 EU‑PolKG; vgl auch Birklbauer, WK‑StPO § 124 Rz 3 ff, 13 ff, 16 ff) erfolgt sei, ist eine aktenmäßig nicht belegte Behauptung, die eine Unverwertbarkeit des erfolgten Datenabgleichs im Rahmen der Prüfung des dringenden Tatverdachts nicht methodengerecht (durch Vergleich mit gesetzlich normierten Beweisverwertungsverboten) zur Darstellung bringt.
Aus welchem Grund einerseits das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zur Frage der hier gar nicht in Rede stehenden „Vorratsdatenspeicherung“ in Bezug auf anlasslos gespeicherte Daten sämtlicher Benutzer öffentlicher Kommunikationsdienste (G 47/2012 ua vom 27. Juni 2014) oder andererseits die Bestimmungen der §§ 74 f StPO einer Verwendung von in Datenbanken der Sicherheitsbehörden gespeicherten erkennungsdienstlichen Vergleichsdaten und der aus dem DNA‑Abgleich gewonnenen Ergebnisse im gegenständlichen Strafverfahren entgegenstehen sollten, vermag die Beschwerde nicht zu erhellen. Erkennungsdienstliche Behandlung erfolgt ausschließlich anlassbezogen (§§ 65 ff SPG); dem Auszug aus der erkennungsdienstlichen Evidenz zufolge (ON 2 S 17 f) beim Angeklagten im Jahr 2001 mit Bezug zu einem Verdacht der Einbruchsdelinquenz nach wiederholter erkennungsdienstlicher Behandlung wegen eines gleichgelagerten Verdachts in den Jahren 1991 und 1988, keineswegs also wegen des Verdachts eines Bagatelldelikts.
Das Vorbringen wiederum, dem Angeklagten sei in Österreich (und im Ausland) niemals DNA‑Vergleichsmaterial abgenommen worden und ihm sei das eingespeicherte DNA‑Profil demnach fälschlicherweise zugeordnet worden, zielt auf eine bloße Bestreitung der Beweiskraft des vorgenommenen DNA‑Abgleichs ab, ohne dass ein Begründungsmangel des Haftbeschlusses im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO (iVm § 10 GRBG) dargetan wird.
Ebensowenig kann der Umstand, dass dem gerichtsmedizinischen Sachverständigen das zu untersuchende Material unter ausdrücklicher Nennung des Namens des Beschwerdeführers übergeben wurde, die Zulässigkeit der Untersuchung (§ 124 Abs 1 StPO) und die Verwertbarkeit deren ‑ auf Grundlage einer gerichtlich bewilligten Anordnung der Staatsanwaltschaft (§ 124 Abs 2 StPO) ermittelten ‑ Ergebnisse beeinträchtigen.
Bleibt anzumerken, dass das angebliche Fehlen von Vergleichsdaten in der DNA‑Datenbank in der Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung der Anordnung der molekulargenetischen Untersuchung (ON 22) nicht thematisiert wurde (vgl ON 150). Eine Unverwertbarkeit der Ergebnisse des DNA‑Abgleichs im Rahmen der Verdachtsprüfung bei Fortsetzung der Untersuchungshaft vermag die Grundrechtsbeschwerde mit diesem Vorbringen nicht zu belegen; vielmehr zielt dieses bloß auf die Bekämpfung der Beweiskraft des durchgeführten Datenabgleichs ab.
4./ Gleichfalls ins Leere geht das auf eine Unzulässigkeit der vom Beschwerdegericht für rechtmäßig erachteten (ON 285 S 7) Verwertung der Ergebnisse der mit gerichtlicher Bewilligung angeordneten (ON 43) und vom Beschwerdegericht gebilligten (ON 152) Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung abzielende Vorbringen des Beschwerdeführers.
Die auf §§ 134 Z 2, 135 Abs 2 Z 3 StPO gestützte Anordnung (ON 43) bezog sich auf vier Endgeräten zugeordnete IMEI‑Nummern; abgefragt wurden Verkehrsdaten (§ 92 Abs 3 Z 4 TKG), Zugangsdaten (nach der Definition des § 92 Abs 3 Z 4a TKG ist dies ein bestimmter Teil der Verkehrsdaten) einschließlich Stammdaten, IMSI‑Nummer und Teilnehmernummer des jeweils durch die IMEI‑Nummer gekennzeichneten Endgeräts) sowie Standortdaten (§ 92 Abs 3 Z 6 TKG). Schon die Hypothese, die Polizei hätte eine von dieser Anordnung nicht gedeckte Zuordnung von Telefonnummern (Rufnummern) zu einzelnen Mobiltelefonen vorgenommen, ist nicht nachvollziehbar.
Ohne Anführung von Fundstellen in den umfangreichen Akten wird schlichtweg behauptet, dass es sich bei sämtlichen in der Folge ausgewerteten Daten um solche von „Wertkartentelefonen“ gehandelt habe. In Bezug auf letztere vermag der Beschwerdestandpunkt, die Datenspeicherung durch „Anbieter“ sei „zum Zweck der Abrechnung“ gar nicht erforderlich, nicht zu überzeugen. Denn auch im Zusammenhang mit der gleichfalls nach Tarifen erfolgenden Abbuchung von Wertguthaben können sich Streitfälle zwischen dem Anbieter und dem Wertkartenbenützer ergeben, für deren Klärung die Speicherung der Daten zu Verrechnungszwecken geboten ist (vgl §§ 99 Abs 2, 122 TKG). Zur Beweisführung verwendet wurden auch bloß während konkreter Kommunikationsvorgänge angefallene Standortdaten (ON 173 S 459 ff), die zugleich Verkehrsdaten, somit gerade nicht „andere Standortdaten als Verkehrsdaten“ iSd § 102 TKG sind (vgl 12 Os 93/14i [12 Os 93/14m]). Die Auskunftspflicht über Stammdaten des Angeklagten im Strafverfahren wiederum ergibt sich aus § 76a Abs 1 StPO. Mit der Bezugnahme auf § 99 Abs 5 Z 4 TKG verkennt der Beschwerdeführer, dass eine Datenanfrage einer Sicherheitsbehörde nach Maßgabe des § 53 Abs 3a Z 3 SPG (zur Erlangung einer IP‑Adresse) hier nicht in Rede steht.
Die Bestimmungen der §§ 134 Z 2, 135 StPO enthalten keine Beschränkung der Abfrage auf einen bestimmten Zeitraum. Die Auskunft gemäß § 135 Abs 2 Z 3 StPO war zulässig und ist mit vom Beschwerdegericht gebilligter (vgl ON 285 S 7 iVm ON 152) gerichtlicher Bewilligung nach Anordnung durch die Staatsanwaltschaft vom 8. Jänner 2015 erfolgt (§ 137 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Die Anordnung betraf gerade keine (bloß bis zum 30. Juni 2014 einer gesonderten Speicherpflicht unterliegenden) Vorratsdaten im Sinn von § 102a TKG und § 134 Z 2a StPO idF vor deren Aufhebung mit BGBl I 2014/44, sondern beim zuständigen Betreiber für Verrechnungszwecke (§ 99 Abs 1 und 2 TKG) zur Verfügung stehende Daten einer Nachrichtenübermittlung im Sinn des § 134 Z 2 StPO. Deren Verarbeitung zu Auskunftszwecken war demnach ebenso zulässig (§ 99 Abs 5 Z 1 TKG) wie deren Verwendung als Beweismittel im gegenständlichen Strafverfahren (§ 140 Abs 1 Z 2, 4 StPO). Da § 140 StPO eine Sonderbestimmung darstellt, kann für den Beschwerdestandpunkt des Angeklagten auch aus § 74 Abs 1 StPO nichts gewonnen werden.
Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Beschluss somit nicht im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt. Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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