OGH 9ObA70/15g

OGH9ObA70/15g24.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald Fuchs und Wolfgang Cadilek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Nina Sadjak, Rechtsanwältin in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Ing. E***** T*****, vertreten durch Mag. Thomas di Vora, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 9.060 EUR sA, Unterlassung und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 12. März 2015, GZ 6 Ra 89/14a‑34, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Verschwiegenheits‑ und Diskretionspflichten innerhalb eines Arbeitsverhältnisses als Ausdruck der Treuepflicht gehen über die Verpflichtung des Arbeitnehmers, über die ihm bekannt gewordenen Geschäftsgeheimnisse und Betriebsgeheimnisse des Arbeitgebers Verschwiegenheit zu bewahren (vgl RIS‑Justiz RS0079608), hinaus. Sie umfassen sämtliche nicht allgemein bekannte Tatsachen, an deren Geheimhaltung der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat (9 ObA 111/14k; Pfeil in Schwimann ABGB 4 § 1162 ABGB Rz 119). Der Angestellte, der zum Träger fremder betrieblicher und geschäftlicher Interessen geworden ist, ist aufgrund der Treuepflicht verpflichtet, diese Interessen des Arbeitgebers zu wahren und alles zu unterlassen, was diese Interessen zu beeinträchtigen geeignet ist. Er hat daher auch Stillschweigen über für den Arbeitgeber wichtige Informationen, selbst wenn es sich um keine unmittelbaren Geschäftsgeheimnisse handelt, zu bewahren (9 ObA 111/14k mwN; Friedrich in Marhold/Burgstaller/Preyer , AngG § 27 Rz 163). Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses können die gegenüber einem Arbeitgeber bestehenden Treuepflichten eines Arbeitnehmers (vgl RIS‑Justiz RS0021449) andauern (RIS‑Justiz RS0021412; Marhold/Friedrich , Österreichisches Arbeitsrecht 2 116).

Die hier zwischen den Parteien im Arbeitsvertrag - unter Hinweis auf die Treuepflicht des Arbeitnehmers - zulässig vereinbarte Klausel verpflichtete den Beklagten ausdrücklich, auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Geschäfts‑ und Betriebsgeheimnisse, anvertraute Unterlagen, Kundendaten usw des klagenden Arbeitgebers streng zu wahren. Die Vorinstanzen gingen von einem Verstoß des Beklagten gegen diese arbeitsvertragliche Vereinbarung aus und gaben daher dem Unterlassungsbegehren der Klägerin statt. Der Beklagte, der bei der Klägerin eine verantwortliche Stellung bei den in Rede stehenden Bauprojekten der Klägerin inne gehabt habe, habe seine bei der Klägerin erworbenen Projektkenntnisse eines Bauvorhabens ausgenützt, um in einem anonymen Schreiben an die nunmehrigen Wohnungseigentümer auf unsachliche und für die Klägerin rufschädigende Weise im Hinblick auf dargestellte Mängel die Frage aufzuwerfen, ob die Wohnanlage den käuflich erworbenen und bezahlten Leistungen entspreche. Bei einem anderen Bauprojekt der Klägerin habe der Beklagte auf Basis seines im Zuge seiner damaligen Tätigkeit bei der Klägerin erworbenen Insiderwissens und unter Verwendung von damaligen Unterlagen ein umfassendes Objektzustandsgutachten verfasst.

In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision vermag der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Ein Verstoß gegen die vereinbarte Klausel setzt nicht voraus, dass der Beklagte die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verwendeten Informationen seinerzeit rechtswidrig erlangt hat. Die Behauptung, er habe ohnehin nur Informationen verwendet, die den Wohnungseigentümern bekannt gewesen seien, widerspricht dem festgestellten Sachverhalt (arg: Projektkenntnisse, Insiderwissen). Lediglich unlautere Geschäftspraktiken des Arbeitgebers oder gesetzwidriges Verhalten zählen nicht zu den Umständen, an deren Geheimhaltung der Arbeitgeber ein objektiv berechtigtes Interesse hat (RIS‑Justiz RS0113682). Um solche Umstände geht es hier jedoch nicht. Die von den Parteien vereinbarte Klausel beschränkt die strenge Wahrung von Geheimnissen und sonst Anvertrautem nach ihrem Wortlaut auch nicht bloß gegenüber „außenstehenden Dritten“. Die Frage, ob der Beklagte mit seinen Handlungen das schonendste Mittel gewählt hat, um die Wohnungseigentümer über Baumängel zu informieren, stellt sich nicht. Dies würde am schuldhaften und rechtswidrigen Verstoß des Beklagten gegen die Vereinbarung mit der Klägerin nichts ändern.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.

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