OGH 4Ob86/15y

OGH4Ob86/15y16.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Hubert Fitz, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Dr. R*****, vertreten durch Dr. Rolf Philipp und Dr. Frank Philipp, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen 29.780,84 EUR, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 26. März 2015, GZ 2 R 13/15a‑12, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 14. Jänner 2015, GZ 4 Cg 101/14x‑8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00086.15Y.0616.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.678,68 EUR (darin 279,78 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Das im Verfahren 6 Cg 45/10v des Landesgerichts Innsbruck auf Aufhebung und Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Pkw gerichtete Begehren des durch den Beklagten rechtsfreundlich vertretenen Klägers wurde rechtskräftig abgewiesen.

Im Verfahren 56 Cg 89/13d des Landesgerichts Feldkirch (in der Folge: Vorprozess) begehrte der Kläger gegen den auch hier Beklagten als Schadenersatz wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung und Prozessführung im Verfahren 6 Cg 45/10v 41.380,84 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe des Pkw. Der Klagsbetrag setzte sich aus dem Kaufpreis des Pkw (19.500 EUR) und den Verfahrenskosten zu 6 Cg 45/10v (21.880,84 EUR) zusammen.

Das Klagebegehren im Vorprozess wurde primär mangels Schlüssigkeit abgewiesen. Erst- und Berufungsgericht verneinten eine Rechtsgrundlage für die im Begehren geforderte Übernahme des Pkw. Eine Verurteilung zu einer unbedingten Geldleistung würde gegen § 405 ZPO verstoßen. Der Oberste Gerichtshof wies die außerordentliche Revision des Klägers zurück (8 Ob 29/14v) und hielt fest, dass es den Vorinstanzen verwehrt gewesen sei, den Wert des Fahrzeugs von Amts wegen zu ermitteln und diesen vom Schaden des Klägers in Abzug zu bringen.

Nunmehr begehrt der Kläger als Schadenersatz wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung und Prozessführung im Verfahren 6 Cg 45/10v 29.780,84 EUR. Neben seinen im Verfahren 6 Cg 45/10v angefallenen Verfahrenskosten sind darin 7.900 EUR als Differenz aus dem Kaufpreis und dem Wert des PKW enthalten.

Der Beklagte wendet die Einmaligkeitswirkung der Entscheidung im Vorprozess ein und beantragt die Zurückweisung der Klage.

Das Erstgericht wies die Klage wegen entschiedener Streitsache zurück und erklärte sein bisheriges Verfahren als nichtig. Im Ergebnis ging es davon aus, dass das Begehren und das seiner Begründung dienende Vorbringen mit dem Begehren samt Vorbringen des Vorprozesses ident sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob die Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die Fortführung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die Einmaligkeitswirkung der Rechtskraft schließe nur die neuerliche Entscheidung über das gleiche Begehren aufgrund derselben Sachlage und auch die Geltendmachung des gleichen Begehrens aufgrund von Tatsachen aus, die bereits im Vorprozess vorgelegen seien, wenn dort über ein konkretes und schlüssiges Rechtsschutzbegehren entschieden worden sei. Die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache sei hingegen nicht begründet, wenn die Klage des Vorprozesses mangels Schlüssigkeit abgewiesen worden und die neue Klage nunmehr schlüssig sei. Dies sei hier der Fall, weil im Vorprozess eine inhaltliche Entscheidung lediglich über das Geldleistungsbegehren durch die Aufnahme der Zug‑um‑Zug‑Leistung nicht möglich gewesen sei.

Über einen Antrag nach § 528 Abs 2a ZPO änderte das Rekursgericht seinen Ausspruch dahin ab, dass es den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig erachtete. Es bestehe zur Zulässigkeit einer neuerlichen Klage bei Wegfall eines Zug‑um‑Zug‑Begehrens keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.

In seinem Revisionsrekurs vertritt der Beklagte die Ansicht, dass der Kläger im nunmehrigen Verfahren aufgrund des weggelassenen Zug-um-Zug-Begehrens ein rein quantitatives Minus geltend mache. Dazu existiere keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine solche Rechtsfrage ausgeführt.

1. Hat das Rekursgericht in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung eine Prozesseinrede verworfen und liegt kein anderer die Zulässigkeit ausschließender Grund des § 528 ZPO vor, kann der Oberste Gerichtshof zur Überprüfung der rekursgerichtlichen Entscheidung mit Revisionsrekurs angerufen werden. In einem solchen Fall kommt mangels vergleichbarer Ausgangssituation eine analoge Anwendung der Anfechtungsbeschränkungen des § 519 ZPO nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0121604).

2.1 Die Einmaligkeitswirkung greift bei identem Begehren dann ein, wenn die rechtlich relevanten Tatsachenbehauptungen im Folgeprozess im Kern dem festgestellten rechtserzeugenden Sachverhalt des rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses entsprechen (RIS‑Justiz RS0039347 [insb T15, T25, T33]). Nach ihrer Reichweite erfasst die Einmaligkeitswirkung sich betragsmäßig deckende Ansprüche im Folgeprozess sowie ein quantitatives Minus (RIS‑Justiz 8 ObA 62/11t; RS0039347 [T33]; RS0041281 [T2]).

2.2 Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0044453), weshalb schon aus diesem Grund keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, zumal eine grobe Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht jedenfalls auszuschließen ist.

3.1 Die zweite Instanz ist davon ausgegangen, dass die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache nicht begründet ist, wenn die Klage des Vorprozesses mangels Schlüssigkeit abgewiesen wurde und die neue Klage nunmehr schlüssig ist. Diese Rechtsansicht hält sich im Rahmen der ständigen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0041402) und begründet damit keine erhebliche Rechtsfrage.

3.2 Eine Klage ist auch dann unschlüssig, wenn sich im Gesetz keine Anspruchsgrundlage für das gestellte Begehren findet ( Deixler-Hübner in Fasching/Konecny 2 § 396 ZPO Rz 7). Davon ist das Rekursgericht (auch in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Vorprozess) ausgegangen. Die Beurteilung der Schlüssigkeit wirft regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO auf (RIS‑Justiz RS0042828 [T9]).

4.1 Der Beklagte argumentiert damit, gegenüber dem Vorprozess sei als einziger relevanter Unterschied in der nunmehrigen Klage lediglich das Zug‑um‑Zug‑Begehren weggelassen worden, sodass ein „quantitatives Minus“ geltend gemacht werde. Auch dieses Vorbringen begründet keine erhebliche Rechtsfrage, weil es von den Umständen des Einzelfalls abhängt, ob in einem Folgeprozess ein „quantitatives Minus“ vorliegt.

4.2 Abgesehen davon, dass der Kläger im nunmehrigen Prozess nicht nur die Zug‑um‑Zug‑Leistung weggelassen, sondern gleichzeitig auch sein Leistungsbegehren gegenüber dem Vorprozess betraglich reduziert hat, hat das Rekursgericht im Ergebnis das Vorliegen eines „quantitativen Minus“ schon deshalb vertretbar verneint, weil im nunmehrigen Verfahren ein ergänzendes Vorbringen zu den rechtserzeugenden Tatsachen hinsichtlich des Werts des PKW erforderlich war.

4.3 Zudem übersieht die Argumentation des Beklagten, dass die Beifügung einer Zug‑um‑Zug‑Leistung ein Minus gegenüber einem unbedingten Zuspruch ist (RIS‑Justiz RS0041069; RS0041067; Fucik in Fasching/Konecny 2 § 405 ZPO Rz 57), sodass im umgekehrten Fall ‑ also bei einem Weglassen einer Zug‑um‑Zug‑Leistung ‑ das Begehren erweitert wird (RIS‑Justiz RS0039561), somit ein Plus vorliegt. Gerade aus diesem Grund konnte dem Kläger im Hinblick auf § 405 ZPO im Vorprozess der begehrte Geldbetrag durch Weglassen der Zug‑um‑Zug‑Leistung nicht zugesprochen werden.

5. Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ist das Rechtsmittel daher zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

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