OGH 9ObA47/15z

OGH9ObA47/15z28.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johanna Biereder und Horst Nurschinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Beer & Steinmair Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei B***** C*****, vertreten durch Dr. Karl‑Heinz Plankel ua, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 4.883,76 EUR sA (Revisionsinteresse: 4.406,97 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 2015, GZ 10 Ra 99/14y‑43, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00047.15Z.0528.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen bejahten den Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung von Beträgen, die sie dem Beklagten, einem ihrer ehemaligen Agenten, als „Provisionsvorschüsse“ ausbezahlt hatte. In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Beklagte keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Die Anforderungen an die Behauptungs- und Beweislast für den Anspruch auf Rückzahlung von Provisionen und Provisionsvorschüssen wurden bereits in der Entscheidung 8 ObA 20/14w (s auch 9 ObA 10/14g, 8 ObA 79/14x) dargestellt.

2. Zu den ausführlichen, jeden einzelnen Vertragsabschluss betreffenden Feststellungen des Erstgerichts vermisst der Beklagte ein dieser Judikatur entsprechendes schlüssiges Vorbringen der Klägerin.

Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur an Hand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden (RIS‑Justiz RS0037780 ua). Dazu gehört auch die einzelfallabhängige Frage, inwieweit ausnahmsweise auch Urkundeninhalte zum Inhalt des Vorbringens erklärt werden können (3 Ob 244/13y; RIS‑Justiz RS0037420). Nach der Lage des Falles, ist es vertretbar, wenn das Berufungsgericht nicht davon ausging, dass es den Feststellungen an einem ausreichenden Vorbringen der Klägerin mangelt. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor.

3. Der Beklagte meint auch, es sei nicht erkennbar, auf Basis welcher Rechtsgrundlage die zwischen den Produktgesellschaften und der Klägerin vereinbarten Stornohaftungszeiten auf das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und ihren Agenten heranzuziehen seien. Dass darauf im Agentenvertrag Bezug genommen wurde, gesteht er zum einen selbst zu. Zum anderen ist dieser Aspekt nicht entscheidungsrelevant: Der Ansicht des Beklagten, dass der Provisionsanspruch bereits zu dem Zeitpunkt als entstanden anzusehen sei, in dem der vermittelte Vertrag von der jeweiligen Produktgesellschaft angenommen worden sei, der Kunde die erste Prämie gezahlt habe und die Klägerin von der Produktgesellschaft die daraus zustehende Provision erhalten habe, steht die bereits genannte Entscheidung 8 ObA 20/14w entgegen. Darin wurde ausgeführt, dass bei periodisch wiederkehrenden Leistungen ab der erstmaligen (Prämien‑)Zahlung durch den Kunden eine teilweise Ausführung des Geschäfts vorliegt, sodass der Provisionsanspruch zeitlich auch nur anteilsmäßig entsteht.

4. Nicht korrekturbedürftig ist auch die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Klägerin ihrer aus § 9 Abs 3 HVertrG 1993 resultierenden Behauptungs‑ und Beweislast dafür, dass die Gründe für die Stornierung oder Vertragsänderung nicht ihrer Sphäre oder der Sphäre der Produktgesellschaft zuzurechnen sind, nachgekommen ist. Das Erstgericht stellte im Einzelnen fest, dass die vom Beklagten ‑ überwiegend nahen Verwandten und Bekannten ‑ vermittelten Verträge jeweils mangels Zahlung der Prämien, infolge Konvertierung oder Rückkauf von Versicherungen, wegen Prämienreduktion oder ‑freistellung über Kundenwunsch oder wegen Ablaufkündigung abgeändert oder aufgehoben wurden. Nicht zuletzt ist auch sein den Bekannten gegebenes Versprechen einer Rendite der Lebensversicherungsverträge von 9 bis 12 %, mit dem er sie zu einem Vertragsabschluss bewegen wollte, nach den Feststellungen nicht der Sphäre der Klägerin zurechenbar.

5. Zu Unrecht meint der Beklagte weiter, dass die festgestellten Rückbuchungen von Beträgen der jeweiligen Produktgesellschaft noch keiner Rückzahlung gleichzuhalten seien, können Rückzahlungen doch auch im Verrechnungsweg, insbesondere im Weg eines Kontokorrents durchgeführt werden.

6. Im Fall des seiner Mutter vermittelten Versicherungsvertrags richtet sich der Beklagte dagegen, dass seine gesamte Provision rückgebucht worden sei. Die zwischen der Klägerin und der Versicherung getroffene Vereinbarung einer Rückbuchung der gesamten Prämie für den Fall, dass ein Versicherungsvertrag in den ersten sechs Monaten prämienfrei gestellt werde, könne nicht zu seinen Lasten gehen.

Nach den Feststellungen wurde jener Vertrag in einen anderen Vertrag „konvertiert“, was nicht anders zu verstehen ist, als dass der ursprüngliche Versicherungsvertrag zugunsten des Abschlusses eines neuen Vertrags aufgelöst wurde. Nach § 9 Abs 3 HVertrG 1993 entfällt ein bereits (nach Maßgabe der Abs 1 und 2 leg cit) entstandener Provisionsanspruch wieder, wenn und soweit feststeht, dass der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Unternehmer nicht ausgeführt wird, und dies nicht auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind. Auch nach § 26b Abs 2 HVertrG 1993 entfällt (oder vermindert sich) der bereits entstandene Anspruch wieder, wenn der Versicherer gerechtfertigte Gründe für eine Beendigung des Versicherungsvertrags oder eine betragsmäßige Herabsetzung der Versicherungsprämie hat. Die Beendigung des ursprünglichen Versicherungsvertrags war hier aber schon deshalb gerechtfertigt, weil sich die Mutter des Beklagten die Prämienzahlungen nicht mehr leisten konnte. Den Feststellungen zufolge war dieser Umstand dem Beklagten auch bekannt (s Ersturteil S 15: Mutter als „seine eigene Angehörige“).

7. Der Beklagte meint, dass die Klägerin nicht alle zumutbaren Schritte unternommen habe, um Kunden doch noch zur Leistung zu veranlassen, weil sie ihm als ausgeschiedenem Agenten keine Stornogefahrmitteilungen mehr gesandt habe.

Die damit aufgeworfene Frage, ob die Bestimmung des § 9 Abs 3 S 2 HVertrG 1993 angesichts der Sonderbestimmung des § 26b HVertrG 1993 auch für Versicherungsvermittlungen gilt (s dazu Nocker, HVertrG2 § 26b Rz 14 ff, 16), kann hier dahingestellt bleiben:

Im Hinblick auf jene Verträge, die der Beklagte seinen eigenen Angehörigen vermittelte, war eine Stornogefahrmitteilung deshalb nicht erforderlich, weil dem Beklagten nach dem festgestellten Sachverhalt so weit bekannt war, dass sie ihre Prämien nicht zahlen konnten, aus anderen Gründen kündigten oder um Prämienfreistellung ersuchten. Im Übrigen besteht nach § 9 Abs 3 HVertrG 1993 von Gesetzes wegen keine Pflicht des Unternehmers, dem Vertreter Stornogefahrmitteilungen zu senden. Vielmehr hat der Unternehmer nur nachzuweisen, alle zumutbaren Schritte unternommen zu haben, um den Dritten zur Leistung zu veranlassen. Welche Maßnahmen zur Stornoabwehr vom Unternehmer zu setzen sind, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Soweit sich der Beklagte unter Verweis auf das Urteil des BGH vom 1. 12. 2010 - VIII ZR 310/09 darauf beruft, dass ihm in Rücksicht auf sein Provisionsinteresse Stornogefahrmitteilungen zu senden gewesen wären, übersieht er, dass es dem Versicherungsunternehmen nach der Rechtsprechung des BGH freisteht, zur Stornoabwehr notleidender Versicherungsverträge entweder eigene, nach Art und Umfang freilich ausreichende Maßnahmen zu ergreifen, oder aber sich darauf zu beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten (BGH vom 28. 6. 2012, VII ZR 130/11 mwN). Nach dieser Rechtsprechung hat das Versicherungsunternehmen bei eigenen Maßnahmen zur Stornoabwehr säumige Kunden zwar ernsthaft und nachdrücklich zur Erfüllung der Vertragspflichten anzuhalten, ist im Regelfall aber nicht gehalten, klagsweise gegen säumige Versicherungsnehmer vorzugehen (BGH vom 1. 12. 2010 ‑ VIII ZR 310/09).

Wenn die Vorinstanzen angesichts der festgestellten Mahnvorgänge in den Fällen der Nichtzahlung von Prämien der Ansicht waren, dass die Produktgesellschaften die jeweils zumutbaren Schritte gesetzt hatten, so ist dies nach den Umständen des vorliegenden Falls vertretbar und nicht weiter korrekturbedürftig.

8. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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