OGH 9ObA54/15d

OGH9ObA54/15d28.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johanna Biereder und Horst Nurschinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** L*****, vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Heigl, Mag. Willibald Berger, Rechtsanwälte in Marchtrenk, wegen 10.226 EUR sA, (Revisionsinteresse: 9.232 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 5. März 2015, GZ 11 Ra 13/15h‑12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00054.15D.0528.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Vorinstanzen bejahten den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Entgelt aus unterkollektivvertraglicher Entlohnung und nicht abgegoltenen Überstunden, weil sein Dienstvertrag nicht dahin verstanden werden könne, dass die Streitteile eine Anrechnung des Sachbezugs (Dienstfahrzeug) auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt vereinbart hätten. In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

2. Dass der Sachbezug einen Entgeltbestandteil des Klägers darstellen sollte, kann der Beklagten zugestanden werden. Dies ist jedoch davon zu trennen, ob der Sachbezug auch auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt anzurechnen ist. Zur Frage, ob und inwieweit eine solche Anrechnung überhaupt wirksam vereinbart werden könnte (vgl 8 ObA 61/13y mwN), braucht hier nicht Stellung genommen zu werden, weil das Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung in vertretbarer Weise verneint wurde. Konkret hielten die Streitteile im Dienstvertrag unter dem Punkt „Entgelt und Besondere Vereinbarungen“ ausdrücklich fest, dass sich das monatliche Bruttoentgelt aus a) dem monatlichen Fixum und b) den Provisionen zusammensetzt, und weiter, dass dem Kläger für die Dienstausübung ein Kfz zur Verfügung gestellt wird, dass für Reisen keine Diäten bezahlt werden und wie der Zeiterfassungschip zu benützen ist. Wenn die Vorinstanzen darin noch keine Vereinbarung über eine Anrechnung des Sachbezugs auf den kollektivvertraglichen Mindestlohn erkennen konnten, so ist dies kein unvertretbares Auslegungsergebnis, das korrekturbedürftig wäre (s RIS‑Justiz RS0042936; RS0042776). Ein einseitiges Abgehen von einer kollektivvertraglichen Verpflichtung, das Entgelt in Geld zu leisten, ist dem Dienstgeber jedenfalls verwehrt (9 ObA 112/03s; RIS‑Justiz RS0117393).

3. Vertretbar ist es auch, wenn die Vorinstanzen die Überstunden des Klägers nicht mit dem Sachbezug abgegolten ansahen, weil die im Dienstvertrag maßgebliche All‑In‑Klausel eine Abgeltung der Überstunden durch „Fixum und Provision“ vorsieht, trotz der davor getroffenen Unterscheidungen den Sachbezug jedoch nicht erwähnt. Aus der Berufung der Beklagten auf eine Betriebsübung dahin, dass generell keine Überstunden ausbezahlt würden, ist für sie nichts zu gewinnen: Ein Eingriff in zwingende gesetzliche oder kollektivvertragliche Ansprüche ist jedenfalls unzulässig. Bei einer vereinbarten überkollektivvertraglichen Entlohnung wiederum kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass Arbeitnehmer mit einem kollektiven Vorenthalten eines vereinbarten Entgeltbestandteils durch den Arbeitgeber ‑ was die Beklagte als „Betriebsübung“ ansehen dürfte ‑ einverstanden wären.

4. Zu ihrem Vorbringen, dass die Überstunden nicht angeordnet oder genehmigt worden seien, ist die Beklagte auf die zutreffende Beurteilung des Berufungsgerichts zu verweisen (s RIS‑Justiz RS0051441). Für die von ihr befürchtete willkürliche Verwendung des Zeiterfassungssystems durch einen Arbeitnehmer fehlen hier jegliche Anhaltspunkte.

5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Stichworte