OGH 3Ob65/15b

OGH3Ob65/15b20.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj J*****, wohnhaft bei der Mutter B*****, vertreten durch das Land Oberösterreich als Kinder‑ und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft Linz-Land), Linz, Kärntnerstraße 16, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters S*****, Justizvollzugsanstalt *****, vertreten durch Dr. Peter Pfeil, Rechtsanwalt in Garsten, gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 29. Jänner 2015, GZ 1 R 298/14p‑50, womit über Rekurs des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Steyr vom 15. Oktober 2014, GZ 1 PU 112/14b‑43, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00065.15B.0520.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts, womit der Antrag des Vaters, ihn für die Dauer seiner Strafhaft (voraussichtliches Strafende 8. Mai 2019) von seiner (herabgesetzten) Unterhaltsverpflichtung von monatlich 450 EUR gegenüber dem Minderjährigen zu befreien, abgewiesen wurde.

Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, dass dem Vater, der über eine von seinem ehemaligen Arbeitgeber geleistete Abfertigung in Höhe von 32.900 EUR und ein zugestandenes Barvermögen von 75.000 EUR aus dem Verkauf einer Liegenschaft verfügt, zugemutet werden könne, von diesem Vermögen insgesamt 27.000 EUR für die Unterhaltsleistungen (450 EUR x 60) heranzuziehen. Nach seiner Haftentlassung blieben dem Vater genügend finanzielle Reserven. Im Übrigen gingen die Unterhaltsansprüche des Kindes jedenfalls den eigenen, nicht lebenswichtigen Bedürfnissen des Vaters vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist entgegen dem nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Ein behaupteter Verfahrensmangel erster Instanz, der im Rekurs nicht gerügt wurde, bildet auch im Außerstreitverfahren ‑ von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen ‑ keinen Revisionsrekursgrund (RIS‑Justiz RS0050037 [T13]).

Ob und in welchem Umfang für Unterhaltsleistungen die Heranziehung des Vermögensstamms des Unterhaltspflichtigen, wozu auch der Verkaufserlös von Liegenschaften gehört (6 Ob 106/11y mwN), zumutbar ist, ist nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls zu prüfen (RIS‑Justiz RS0047414 [T1]; RS0047470 [T1]) und daher nur dann vom Obersten Gerichtshof überprüfbar, wenn dem zweitinstanzlichen Gericht eine ‑ hier nicht vorliegende - korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.

Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung der Anspannungsgrundsatz bei Haftverbüßung nicht anzuwenden ist (RIS‑Justiz RS0047622).

Richtig ist auch, dass das Vermögen jedenfalls dann in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist, wenn und soweit der Unterhaltspflichtige dessen Substanz angreift, um damit die Kosten der von ihm gewählten Lebensführung zu decken (RIS-Justiz RS0117850 [T1]).

Unzutreffend ist allerdings der daraus vom Revisionsrekurswerber gezogene Schluss, dass Vermögen nicht heranzuziehen ist, wenn der Unterhaltsverpflichtete es nicht zur Deckung seiner Lebensführung verwendet: Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Eltern im Rahmen des Zumutbaren zur Erfüllung ihrer Unterhaltsverpflichtungen auch ihr Vermögen angreifen, soweit die erforderlichen Unterhaltsleistungen nicht aus dem laufenden Einkommen bestritten werden können (RIS‑Justiz RS0047494). Die Vermögenssubstanz ist dann heranzuziehen, wenn das Einkommen nicht zur Deckung des angemessenen Unterhalts ausreicht (6 Ob 106/11y mwN). Warum diese Grundsätze für einen in Strafhaft befindlichen Unterhaltspflichtigen nicht gelten sollen, ist nicht ersichtlich.

Dass von den Vorinstanzen nicht geprüft wurde, ob der Vater den Erlös aus dem Verkauf seiner Liegenschaft in Höhe von 300.000 EUR nicht ohnedies zumindest teilweise verwendete, um damit die Kosten der von ihm gewählten Lebensführung zu decken, ist daher ohne Relevanz.

Dem im Revisionsrekurs wiederholten Argument, der Vater benötige für die Zeit nach der Haftentlassung Geld für den Neuaufbau seines Lebens, hat bereits das Rekursgericht zutreffend entgegengehalten, dass dem Vater nach seiner voraussichtlichen Haftentlassung auch bei Abweisung seines Unterhaltsenthebungsbegehrens rund drei Viertel seines Barvermögens verbleiben.

Gerade der im Revisionsrekurs gezogene Vergleich mit einem pflichtbewussten Familienvater (vgl RIS‑Justiz RS0047590) spricht für und nicht gegen die Richtigkeit der Entscheidung des Rekursgerichts: Ein pflichtbewusster Familienvater, der sich in Haft befindet, würde seinem Kind während der Haftdauer Unterhalt auch dann gewähren, wenn er dafür ein Viertel seines Barvermögens aufwenden müsste (vgl 6 Ob 106/11y).

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