Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Der am 5. 12. 1964 geborene Kläger war zuletzt als Leiter des Finanz‑ und Rechnungswesens beschäftigt und in die Verwendungsgruppe Va des Rahmenkollektivvertrags für Angestellte der chemischen Industrie eingestuft. Er leidet an einer angeborenen hochgradigen Sehschwäche am rechten Auge, wodurch ihm mit diesem nur ein peripheres Sehen möglich ist. Die Einschränkungen und Beschwerden im Zusammenhang damit verschlechterten sich nach seinem Eintritt ins Berufsleben. Bei Arbeiten auf Distanzen unter einem Meter, beispielsweise Bildschirmarbeiten, können Beschwerden wie Kopfschmerzen, Augenbrennen oder Doppelbilder auftreten. Diese können durch das Abdecken des rechten Auges hintangehalten werden, was bei einem achtstündigen Arbeitstag keine negativen Folgen oder Spätfolgen hervorruft.
Aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls ist der Kläger in der Lage etwa als Leiter des Rechnungswesens, Leiter der Buchhaltung oder des Kassenwesens zu arbeiten. Diese Tätigkeiten entsprechen einer Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 5 des Kollektivvertrags für Lehrlinge und Angestellte in Handelsbetrieben.
Von den Vorinstanzen wurde das Klagebegehren auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung nicht zulässig sei.
Die vom Kläger dagegen erhobene außerordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Den Revisionsausführungen ist kurz Folgendes entgegenzuhalten:
1. Der Oberste Gerichtshof ist ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig (RIS‑Justiz RS0123663). Eine mangelhafte oder unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht angefochten werden. Nur wenn das Berufungsgericht sich mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hat, ist sein Verfahren mangelhaft (RIS‑Justiz RS0043371). Das Berufungsgericht muss sich aber nicht mit jedem einzelnen Beweisergebnis und jedem Argument des Berufungswerbers auseinandersetzen. Auch eine knapp gehaltene Begründung, die noch erkennen lässt, dass eine Prüfung stattgefunden hat, genügt (RIS‑Justiz RS0043371 [T4, T18]).
Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird. Vom Revisionsgericht ist nicht zu prüfen, ob eine vom Berufungsgericht gezogene Schlussfolgerung richtig oder fehlerhaft ist (RIS‑Justiz RS0043150).
Obwohl das Berufungsgericht die Tatsachenrüge des Klägers als nicht gesetzmäßig ausgeführt erachtete, hat es sich dessen ungeachtet auch inhaltlich ausführlich mit ihr auseinandergesetzt. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird daher nicht aufgezeigt. Der Oberste Gerichtshof hat bei seiner rechtlichen Beurteilung von den bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen auszugehen.
2. Die Frage, ob der Kläger als berufsunfähig anzusehen ist, ist anhand der Rechtslage, zu dem durch die Antragstellung ausgelösten Stichtag (1. 6. 2004) zu beurteilen, somit nach § 273 Abs 1 ASVG idF des 2. SVÄG BGBl I 2003/145 (§ 223 Abs 2 ASVG; RIS‑Justiz RS0115809).
3. Der Kläger sieht eine wesentliche Rechtsfrage darin, dass keine Rechtsprechung dazu vorliege, welchen Einfluss es auf den Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension hat, wenn dem Antragsteller die Maßnahme, durch die die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt werden kann, erst zu einem späten Zeitpunkt bekannt wird.
4. Nach § 273 Abs 1 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung gilt als berufsunfähig der Versicherte, dessen Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands auf weniger als die Hälfte desjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist.
Auf die subjektive Meinung des Versicherten, arbeitsunfähig zu sein, kommt es dabei, unabhängig davon, worauf sich diese Ansicht gründet und ob den Versicherten daran ein Verschulden trifft, nicht an. Die Feststellung der Arbeitsfähigkeit erfolgt vielmehr objektiv durch Vergleich der verbliebenen Arbeitsfähigkeit des Versicherten im Zeitpunkt der Feststellung mit der Arbeitsfähigkeit eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung, gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten (vgl 10 ObS 178/94, SSV-NF 8/75 ua).
5. Der Versicherte ist im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht verhalten, alle zumutbaren Maßnahmen zu unternehmen, um einen Zustand zu erhalten oder herbeizuführen, der ihn in die Lage versetzt, sonst zumutbare Arbeiten zu verrichten. Dies beinhaltet auch die Verwendung von Hilfsmitteln, deren Anschaffung und Nutzung ihm möglich und objektiv zumutbar ist.
Besteht das Hindernis zur Ausübung eines Berufs nur darin, dass der Versicherte nicht über das erforderliche Hilfsmittel verfügt und unternimmt er nichts, um dessen Beistellung zu erreichen, so kann er aus der dadurch bedingten Behinderung einen Anspruch auf eine Pensionsleistung wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nicht ableiten. Nur dann, wenn über seinen Antrag die Anschaffung des Hilfsmittels verweigert würde oder die Anschaffung seine Leistungsfähigkeit übersteigt, könnte ein Anspruch auf eine Pensionsleistung wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bejaht werden. Eine andere Betrachtungsweise würde zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, dass etwa ein Versicherter, der zufolge eintretender Weitsichtigkeit zur Durchführung seiner Tätigkeit eine Brille benötigt, dadurch, dass er keine Schritte zur Beistellung der Brille unternimmt, die Voraussetzung für einen Pensionsanspruch wegen geminderter Arbeitsfähigkeit herstellen könnte (10 ObS 55/88, SSV‑NF 2/50).
Ist die Ausübung sonst zumutbarer Verweisungstätigkeiten daher nur wegen des Tragens einer schlecht sitzenden Prothese (10 ObS 55/88, SSV‑NF 2/50) oder der Ablehnung einer Brille mit einem undurchsichtigen Glas (10 ObS 17/97s, SSV‑NF 11/15) nicht möglich, oder ist eine Unterzuckergefahr dadurch beherrschbar, dass mehrmals täglich Blutzuckerbestimmungen zur Überprüfung der Werte durchgeführt werden und das Verhalten auf diese eingerichtet wird (10 ObS 13/93, SSV‑NF 7/14), ist auf die sich daraus ergebenden Einschränkungen bei Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht Bedacht zu nehmen (vgl auch die ähnliche Regelung in § 3 Abs 1 EinstV zum BPGG für den Bereich des Pflegegeldanspruchs).
6. Kann daher durch die Verwendung einfacher Hilfsmittel die Arbeitsfähigkeit erhalten werden, ist, anders als bei Heilbehandlungen, durch die eine bereits geminderte Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt werden soll und deren Notwendigkeit dem Antragsteller noch einmal vor Augen geführt werden soll, keine Aufforderung zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht durch den Pensionsversicherungsträger erforderlich. Da keine ‑ auch nur vorübergehende ‑ Arbeitsunfähigkeit vorliegt, kommt auch eine befristete Pensionsleistung nicht in Betracht. Darüber hinaus hat der augenfachärztliche Sachverständige Dr. S***** bereits in seinem ersten Gutachten vom 16. 4. 2005 (ON 5) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dem Kläger trotz funktioneller Einäugigkeit Büro‑ und Bildschirmarbeiten durchaus zumutbar sind, weil das sehschwache rechte Auge abgedeckt werden kann und der Kläger das Arbeiten am Bildschirm mit abgedecktem rechten Auge erlernen kann. Auf die subjektive Ansicht des Antragstellers, arbeits(un)fähig zu sein, kommt es ‑ wie ausgeführt ‑ nicht an.
7. Vor diesem Hintergrund ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass kein Pensionsanspruch wegen geminderter Arbeitsfähigkeit besteht, nicht zu beanstanden.
Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
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