OGH 9ObA138/14f

OGH9ObA138/14f29.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Weixelbraun‑Mohr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Schleinzer und Mag. Regina Albrecht als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K***** H*****, vertreten durch Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 7.924,42 EUR brutto sA und Feststellung (Streitwert 30.700 EUR), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. September 2014, GZ 10 Ra 59/14s‑13, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 14. März 2014, GZ 33 Cga 155/13z‑9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00138.14F.0429.000

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 2.431,56 EUR (darin 405,26 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.483,40 EUR (darin 186,90 EUR Umsatzsteuer und 1.362 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der am ***** 1940 geborene Kläger war seit 1. Mai 1967 bei der Beklagten angestellt. Im Dienstvertrag vom 22. Februar 1983 wurde mit dem Kläger eine Vereinbarung über einen Ruhegenuss getroffen, wobei als Bemessungsgrundlage dafür der unmittelbar vor dem Pensionsfall bezogene monatliche Grundbezug ausschließlich allfälliger Zulagen vorgesehen war. In Punkt VIII. Abs 4 des Dienstvertrags heißt es: „ Die von öffentlich-rechtlichen Versicherungsträgern entrichteten gesetzlichen Pensionen sind in Ruhegenuß, Witwen- und Waisengenüsse nicht einzurechnen. Als Höchstausmaß der Gesamtpension werden 70 % des letzten monatlichen Grundbezuges festgelegt. “ Gespräche dazu gab es mit dem Kläger nicht. Er war froh, eine Pensionszusage überhaupt erhalten zu haben. Er hätte die Pensionszusage ebenso akzeptiert, hätte sie ausdrücklich die Anrechnung der Hinterbliebenenpension vorgesehen.

Am 21. Dezember 1995 vereinbarten die Parteien eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses. In dieser heißt es (ua): „ In Bezug auf die Altersversorgung gilt ihr Dienstvertrag vom 22.2.1983 mit der Maßgabe, daß die Pension ab 1.11.2000 anfällt, sowie die Betriebsvereinbarung vom 5.10.1993 mit Erklärung vom 15.12.1993 mit der die Bemessungsgrundlage für Ihre Pension auf 89,61 % des letzten Aktivbezuges reduziert wurde. [...]

Somit berechnet sich ihre Pension nach derzeitigen Wertverhältnissen wie folgt:

Gehalt S 77.278,-

davon 89,61 % S 69.249,-

davon 70 % S 48.474,-

abzüglich ASVG-Pension

zuzüglich Anpassungen gemäß Punkt XI b Ihres Vertrages, erstmalig per 1.2.1996.

Damit war der Kläger einverstanden. Dass von der ASVG-Pension auch eine (künftige) Witwerpension umfasst sein könnte, überlegte er damals nicht; Besprechungen dazu gab es nicht. Das Einkommen seiner Ehefrau fand zu ihren Lebzeiten für die Gesamtpension des Klägers keine Berücksichtigung. Die Ehefrau des Klägers verstarb am 15. August 2011; der Kläger bezieht eine Witwerpension. Die Beklagte kürzt seit Jänner 2013 die Betriebspension des Klägers um die erhaltene Witwerpension.

Der Kläger begehrte von der Beklagten Zahlung der seit Jänner 2013 monatlich vorgenommenen Kürzungen seiner Betriebspension (zuletzt 7.924,42 EUR brutto sA) sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm die Alterspension ohne Berücksichtigung einer bezogenen Witwerpension nach dem ASVG zu leisten. Zusammengefasst brachte der Kläger dazu vor, die Kürzung sei unzulässig, weil die Witwerpension die Aufrechterhaltung des Lebensstandards nach dem Tod des Ehepartners gewährleisten solle und ein Surrogat für die Unterhaltsverpflichtung des verstorbenen Ehepartners gegenüber dem anderen sei. Die Pension des Klägers sei durch Unterhaltsbeiträge seiner Ehefrau nicht geschmälert worden, daher könne auch die Witwerpension (als Surrogat) nicht dazu führen, dass der Pensionsanspruch gegen den Dienstgeber geschmälert und damit im Ergebnis die Beklagte durch das Ableben der Ehefrau entlastet werde. Die Berücksichtigung der ASVG-Pension könne nur in jenem Ausmaß erfolgen, in dem dem Kläger selbst aufgrund seiner eigenen Erwerbstätigkeit eine ASVG-Pension zustehe, der Anteil der Witwerpension müsse hingegen außer Betracht bleiben.

Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, nach dem Wortlaut der Vereinbarung sei als Höchstmaß der Gesamtpension 70 % des letzten Grundbezugs festgelegt worden. Im Rahmen der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses sei die Berechnung der Gesamtpension dargestellt und auch der Abzug der ‑ damals noch nicht der Höhe nach bekannten ‑ ASVG-Pension genannt worden. Nach dem Wortsinn der Vereinbarung über die Gesamtpension sei die Witwerpension zu berücksichtigen; § 16 Abs 1 BPG stehe einer solchen Vereinbarung nicht entgegen. In den Ruhegenuss von 50 % der Bemessungsgrundlage sei die bezogene Witwerpension zwar nicht eingerechnet worden, die Gesamtpension des Klägers sei aber mit 70 % des letzten Grundbezugs beschränkt. Auch die bezogene Witwerpension sei ein Bestandteil der Gesamtpension; dies entspreche dem Zweck einer solchen Pensionszusage, einerseits dem Versorgungsberechtigten eine gehobene Altersvorsorge zu sichern und andererseits den Aufwand des für die Altersversorgung leistenden Arbeitgebers zu begrenzen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der objektive Aussagewert der Vereinbarung über die Gesamtpension sei nicht zweifelhaft, sondern erfasse alle Leistungen der gesetzlichen Pensionsversicherung, der Pensionskassen sowie Betriebspensionsleistungen. Auch Hinterbliebenenpensionen seien gemäß § 16 Abs 1 BPG anrechenbar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab. Nach dem Sinn und Zusammenhang der Regelung im Dienstvertrag beziehe sich die „Gesamtpension“ nur auf eigene Pensionsansprüche nach dem ASVG, nicht aber auf abgeleitete wie die Hinterbliebenenpension. Die Revision sei nicht zulässig, weil Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht behandelt worden seien.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das klagsabweisende Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch ‑ im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils ‑ berechtigt.

1. Die von der Revisionswerberin behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde vom Senat geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). In der Beurteilung des Berufungsgerichts liegt ‑ entgegen der Ansicht der Beklagten ‑ auch keine Scheinbegründung, sodass keine Nichtigkeit im Sinn des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO gegeben ist.

2.1 Die Auslegung einer Vereinbarung über eine (wertgesicherte) Betriebspension hat sich am Zweck dieser Regelung, dem Begünstigten einen gehobenen Lebensstandard für die gesamte Dauer des Ruhestandes zu sichern, zu orientieren (RIS-Justiz RS0017765). Eine Pensionszusage und ihr Inhalt ist nach den §§ 914, 915 zweiter Halbsatz ABGB auszulegen; es kommt auf die Formulierung an und wie diese unter Beachtung der Übung des redlichen Verkehrs zu verstehen ist. Maßgebend ist nicht nur der Wortlaut, sondern wie die Erklärung inhaltlich verstanden und gehandhabt wurde (RIS-Justiz RS0108884; vgl auch RS0017797, RS0017915).

2.2 Gesamtpensionssysteme sind dadurch charakterisiert, dass der Arbeitgeber einen in der Regel von der Dauer der Dienstzeit und der Höhe des Entgelts abhängigen Betrag als „Gesamtpension“ zusichert, von diesem Betrag aber bestimmte Versorgungsleistungen in Abzug bringt, die der Arbeitnehmer von Dritten erhält; eingerechnet werden insbesondere Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung (9 ObA 10/09z = DRdA 2011/5 [ Resch ]; Schima , Zusammenspiel zwischen gesetzlicher Pensionsversicherung und betrieblicher Altersvorsorge, in Drs , Betriebspensionsrecht 235 ff [243] mwN). Die Parteien haben einen weitreichenden Gestaltungsspielraum; sie bestimmen, wie die betriebliche Pension zu berechnen ist ( Pobenberger in Runggaldier / Steindl , Handbuch zur betrieblichen Altersversorgung 227 [230, 234]). Die Einrechnung der Sozialversicherungspension verstößt grundsätzlich weder gegen ein gesetzliches Verbot (§ 16 BPG) noch gegen die guten Sitten (9 ObA 10/09z mwN; 9 ObA 86/11d). Das Anrechnungsverbot des § 16 Abs 1 BPG, das sich gegen Vereinbarungen wendet, durch die andere Versorgungsleistungen des Berechtigten seinen Anspruch mindern würden, betrifft weder Leistungen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung noch solche, die auf Beiträgen Dritter beruhen ( Resch in ZellKomm 2 § 16 BPG Rz 3 und 8).

2.3 Hier hat die Beklagte dem Kläger im Dienstvertrag aus dem Jahr 1983 unter näher geregelten Voraussetzungen einen Ruhegenuss auf Lebensdauer zugesichert, für den als Bemessungsgrundlage der unmittelbar vor dem Pensionsanfall bezogene monatliche Grundbezug (ausschließlich allfällig bezogener Zulagen) gelten und dessen Höhe grundsätzlich 50 % dieser Bemessungsgrundlage betragen soll (Punkte V und VI Abs 1 und 2). In Punkt VIII Abs 4 erster Satz des Dienstvertrags wird festgelegt, dass gesetzliche Pensionen in den Ruhegenuss nicht einzurechnen (also bei Berechnung des Ruhegenusses nicht zu berücksichtigen) sind. Im zweiten Satz in Punkt VIII Abs 4 wird jedoch die dem Kläger zugesagte Pension insgesamt begrenzt, indem festgelegt ist, dass als Höchstausmaß der „Gesamtpension“ des Klägers 70 % seines letzten monatlichen Grundbezugs festgelegt sind. Der Ausschluss der Einrechnung gesetzlicher Pensionen in den Ruhegenuss bezieht sich damit nach dem klaren Wortlaut nicht auf das Höchstausmaß der Gesamtpension.

Eine Auslegung dieser Pensionsvereinbarung in der Weise, dass keine von öffentlich-rechtlichen Versicherungsträgern entrichtete gesetzliche Pensionen in die Gesamtpension einzurechnen sein sollten (- damit wäre auch die Berücksichtigung der vom Kläger bezogenen ASVG‑Pension nicht zulässig), würde dem Inhalt der Vereinbarung nicht entsprechen und wird auch vom Kläger nicht behauptet. Im Rahmen der Vereinbarung zur einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses im Dezember 1995 haben die Parteien zur Pensionsregelung vom Juni 1983 einvernehmlich klargestellt, dass bei der Ermittlung des konkreten Pensionsanspruchs des Klägers die „ASVG‑Pension“ in Abzug zu bringen sein sollte.

3. Der Kläger wendet sich allein gegen die Berücksichtigung der von ihm bezogenen Witwerpension bei Ermittlung der ihm insgesamt zustehenden Gesamtpension.

3.1 Die Hinterbliebenenpension nach § 258 ASVG soll ‑ als eine aus dem Versicherungsfall des Todes zu gewährende Leistung der Pensionsversicherung (RIS-Justiz RS0085159) ‑ den Unterhaltsausfall ersetzen, der in einer partnerschaftlichen Ehe durch den Tod eines Ehepartners entsteht (RIS-Justiz RS0117422). Der Begriff „ASVG‑Pension“ umfasst daher auch eine Hinterbliebenenpension. Der Kläger bezieht (auch) diese ASVG-Pension.

3.2 Nach § 16 Abs 1 BPG sind Hinterbliebenenpensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung auf Betriebspensionsleistungen grundsätzlich anrechenbar, weil sie auf Pflichtbeiträgen beruhen, die nicht vom (oder für den) Leistungsberechtigten selbst stammen, und daher vom Anrechnungsverbot ausgenommen sind ( Resch in ZellKomm 2 § 16 BPG Rz 8).

3.3 Die Pensionsvereinbarung der Parteien enthält zwar keine ausdrückliche Regelung über die Anrechenbarkeit einer allfällig vom Dienstnehmer bezogenen Hinterbliebenenpension, die Berücksichtigung auch dieser Form einer „ASVG-Pension“ beim Höchstausmaß der Gesamtpension entspricht jedoch der Formulierung des Dienstvertrags und der Auflösungsvereinbarung. Dagegen lässt sich nicht wirksam einwenden, dass Beiträge der Ehefrau zum Unterhalt zu ihren Lebzeiten den Pensionsanspruch nicht gemindert hätten, weil solche Beiträge in keinem Fall einer Pensionsleistung gleichgesetzt werden können. Die durch eine Berücksichtigung der ASVG-Pension(en) des Klägers bewirkte „Entlastung“ der Beklagten ist eine Folge der Begrenzung ihrer Zusage durch den vereinbarten Prozentsatz vom Grundbezug als Gesamtpension.

4. Die Auslegungsregel des § 915 ABGB ist erst dann heranzuziehen, wenn die Ermittlung der erklärten Absicht der Parteien (auch unter Einschluss der ergänzenden Verkehrsübung) ohne eindeutiges Ergebnis geblieben ist; insofern kann § 915 ABGB als subsidiär bezeichnet werden (RIS-Justiz RS0109295; RS0017791 [T5]; Bollenberger in KBB 4 § 915 Rz 1). Hier führt die Auslegung der Vereinbarung („ abzüglich ASVG-Pension “) nach § 914 ABGB zu einem klaren Ergebnis, weshalb ‑ entgegen der Ansicht des Revisionsgegners ‑ § 915 ABGB nicht zur Anwendung kommt.

5. In Abänderung der Berufungsentscheidung war daher das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

6. Die Entscheidung über die Verpflichtung der klagenden Partei auch zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens (zweiter und dritter Instanz) beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

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