OGH 15Os49/15t

OGH15Os49/15t29.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Horst S***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 13. August 2014, GZ 39 Hv 63/14b‑40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00049.15T.0429.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Horst S***** mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in B***** und an einem anderen Ort außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am 21. Jänner 2001 geborenen unmündigen Marie‑Therese K***** vorgenommen, und zwar

1./ am 2. August 2013 durch mehrfaches Betasten ihres behaarten Schambereichs über der Scheide und ihres behaarten Venushügels;

2./ zwischen 4. und 11. August 2013 durch Betasten ihrer Brust über der Bekleidung;

3./ am 3. August 2013 durch Pressen des eigenen Penis an ihre Scheide.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung des ehemaligen Arbeitgebers des Angeklagten, Stefan R*****, zum Beweis dafür, dass „der Angeklagte im Zeitraum von zuletzt 14 Jahren mit Jugendlichen Fahrten durchgeführt hat und es nie zu ähnlichen Vorwürfen gekommen“ sei und die gegen ihn gerichteten Vorwürfe in einem „eklatanten Widerspruch“ zu seinem bisherigen Verhalten stünden (ON 39 S 44), Verteidigungsrechte nicht geschmälert, betraf schon das Beweisthema keine für die Lösung der Schuld- und Subsumtionsfrage erhebliche Tatsache (RIS‑Justiz RS0116503; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 327 f).

Das (erstmals) im Rechtsmittel erstattete Vorbringen, die Vernehmung des Zeugen sei auch zum Beweis des „Nichtbestehens einer pädophilen Neigung“ des Angeklagten beantragt worden, stellt ‑ abgesehen davon, dass eine solche Neigung

keine Tatbestandsvoraussetzung für die inkriminierte Straftat ist und ihr Fehlen die Tatbegehung nicht ausschließt (RIS-Justiz RS0124721) - eine unzulässige Neuerung dar (RIS-Justiz

RS0099117, RS0099618).

Indem die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zu 2./ den Erwägungen des Schöffengerichts, wonach die Zeugin Rosalyn W***** „zur Tathandlung keine zweckdienlichen Angaben machen“ konnte, „weil sie vor dem Wohnhaus wartete und daher keine unmittelbaren Wahrnehmungen“ hatte (US 9), das den Feststellungen (US 4) beigefügte Klammerzitat mit Seitenangaben aus dem Hauptverhandlungsprotokoll gegenüberstellt, das (auch) auf Aussagen dieser Zeugin verweist, zeigt sie keinen

Widerspruch im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes auf (RIS‑Justiz RS0119089; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 438), weil das Erstgericht die Feststellungen nur insoweit auf die in Klammer angeführten Beweismittel stützte, als „gegen deren Richtigkeit ‑ soweit im folgenden nicht näher ausgeführt ‑ keine Bedenken bestanden“ (US 6). Im Übrigen gab die Zeugin W***** in den genannten Passagen des Hauptverhandlungsprotokolls ohnedies nur an, dass das Opfer alleine in das Wohnhaus des Angeklagten gegangen sei und sie „unten vor der Haustüre gewartet“ habe.

Dass die erkennenden Richter die Feststellungen zur objektiven Tatseite zu 2./ auf die Angaben der Zeugin Marie-Therese K*****, nicht jedoch auf jene der Zeugin W***** stützten und der (im kritisierten Klammerzitat übrigens ebenfalls genannten) Verantwortung des Angeklagten nicht folgten, geht ‑ der auch Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) reklamierenden Rüge zuwider ‑ unzweifelhaft

(RIS‑Justiz RS0117995) aus den darauf bezogenen Urteilserwägungen hervor (US 9).

Soweit (ebenfalls zu 2./) die Nichterwähnung (Z 5 zweiter Fall) der Aussage der Zeugin W***** kritisiert wird, wonach das Abholen der Flasche Pflaumenwein durch das Opfer „nicht länger als drei Minuten gedauert“ habe, bezieht sich die Beschwerde auf kein Verfahrensergebnis, das die Eignung hat, die dem Gericht durch die Gesamtheit der übrigen Beweisergebnisse vermittelte Einschätzung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache (hier: der Annahme einer nicht bloß flüchtigen oder versehentlichen, sondern einer gezielten und intensiven Berührung der entwickelten Brüste des Opfers über der Bekleidung [US 4]), maßgebend zu beeinflussen (RIS‑Justiz RS0116877 [T1]). Warum dem Angeklagten für die konstatierte Berührung ‑ selbst unter Berücksichtigung der Wegzeit des Opfers bis zur Wohnungstür und zurück ‑ nicht „die dafür notwendige Zeit … zur Verfügung stand“, macht die Rüge nicht klar.

Indem die Beschwerde zu 2./ schließlich behauptet, die Aussage der Zeugin K***** würde zur Begründung der Feststellungen „nicht ausreichen“, weil das Erstgericht den Angaben dieser Zeugin bei den vom Freispruch umfassten Fakten nicht gefolgt sei und andere Beweisergebnisse nicht vorliegen würden, bekämpft sie in unzulässiger Form die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

Warum das Erstgericht neben den Konstatierungen zu 2./, wonach der Angeklagte „über der Bekleidung die entwickelte Brust“ des unter 14 Jahre alten Opfers betastete, „wobei es sich hierbei nicht um eine bloß flüchtige oder versehentliche, sondern um gezielte, intensive Berührungen handelte“ (US 4), auch festzustellen gehabt hätte, „wie lange die Tathandlung überhaupt gedauert haben soll“, legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) durch den Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, die (nur) ein flüchtiges oder oberflächliches Berühren (hier: der Brüste) für die Verwirklichung des Tatbestands nach § 207 Abs 1 StGB nicht genügen lässt, jedoch keine zeitlichen Mindestvorgaben für eine Berührung macht (RIS‑Justiz RS0095186), nicht dar.

Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) einerseits das Vorliegen einer tatbestandlichen Handlungseinheit zu 1./ bis 3./ behauptet, weil sämtliche gegen das selbe ‑ Opfer gerichteten Tathandlungen gleichartig und innerhalb kurzer Zeit erfolgt seien und „auch das Erstgericht nicht von einer unterschiedlichen Motivationslage beim Angeklagten ausgegangen“ sei, und andererseits das Fehlen von Feststellungen kritisiert, „ob sämtliche … Tathandlungen von ein und demselben Tatentschluss umfasst waren“, übergeht sie prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810), dass die Tatrichter keinen Gesamtvorsatz, sondern gesonderte Willensentschlüsse festgestellt (US 4 f) und demnach eine tatbestandliche Handlungseinheit (vgl hiezu RIS‑Justiz

RS0122006; Ratz in WK² StGB Vor §§ 28-31 Rz 89) nicht angenommen haben.

Der Einwand der Sanktionsrüge (Z 11), das Erstgericht habe § 28 StGB aufgrund des Vorliegens einer tatbestandlichen Handlungseinheit „in Folge unrichtig angewendet“, orientiert sich abermals nicht an den Konstatierungen, sondern an der zuvor dargestellten Beschwerdekritik, und verfehlt solcherart die verfahrenskonforme Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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