OGH 27Os7/14b

OGH27Os7/14b16.4.2015

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 16. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil sowie die Rechtsanwälte Dr. Schlager und Dr. Kretschmer als Anwaltsrichter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen Mag. *****, Rechtsanwalt in *****, über die Beschwerden des Disziplinarbeschuldigten gegen die Beschlüsse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 5. August 2014 und vom 25. September 2014, AZ D 116/14, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0270OS00007.14B.0416.000

 

Spruch:

Den Beschwerden wird keine Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 5. August 2014, AZ D 116/14, wurde dem Disziplinarbeschuldigten als einstweilige Maßnahme gemäß § 19 Abs 1 Z 1 und Abs 3 Z 1 lit b DSt das Vertretungsrecht vor der Staatsanwaltschaft Wien sowie allen dieser Behörde nachgeordneten Behörden (einschließlich der im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien tätig werdenden Ermittlungsbehörden) entzogen. Der weitergehende Antrag des Kammeranwalts, das Vertretungsrecht auch vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien und den diesen in Strafsachen nachgeordneten Bezirksgerichten sowie vor der Wirtschaft‑ und Korruptionsstaatsanwaltschaft und vor dem Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung zu entziehen, wurde abgewiesen.

Begründet wurde dieser Beschluss damit, dass von der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Disziplinarbeschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 und Abs 2 Z 3 SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter, fünfter und sechster Fall SMG, der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG und des Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB geführt wird.

Nach Teileinstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Wien hinsichtlich der Vorwürfe nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB und § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG beantragte der Disziplinarbeschuldigte am 10. September 2014 die Aufhebung der dargestellten einstweiligen Maßnahme. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 25. September 2014, AZ D 116/14, abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese beiden Beschlüsse richten sich die jeweils fristgerecht eingebrachten Beschwerden, denen jedoch keine Berechtigung zukommt.

Zur Beschwerde gegen den Beschluss vom 5. August 2014:

Entgegen der Beschwerdebehauptung, der Disziplinarbeschuldigte habe mangels Vorhalt der konkreten gegen ihn erhobenen Anschuldigungen hiezu nicht Stellung nehmen können, wurde ihm die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt; davon hat Mag. ***** auch Gebrauch gemacht. Ein darüber hinausgehendes Recht auf Anhörung steht im Verfahren über die Verhängung einer einstweiligen Maßnahme nicht zu (RIS‑Justiz RS0124019).

Dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider hängt die Zulässigkeit einer einstweiligen Maßnahme nicht vom Nachweis einer gerichtlich strafbaren Handlung ab; vielmehr genügt eine ausreichende Verdachtslage (RIS‑Justiz RS0119609, RS0107306), welche angesichts der vorliegenden Zeugenaussagen und des bei der Hausdurchsuchung vorgefundenen Suchtgifts zum Zeitpunkt der Erlassung der einstweiligen Maßnahme vorlag und hinsichtlich der verbleibenden Vorwürfe nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG sowie § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall SMG nach wie vor gegeben ist.

Für die Verhängung einer einstweiligen Maßnahme ist die Besorgnis von schweren Nachteilen für die rechtsuchende Bevölkerung oder das Ansehen des Rechtsanwaltsstandes ausreichend (RIS‑Justiz RS0078293). Ein solcher schwerer Nachteil liegt bereits in der Möglichkeit, dass der vom Rechtsanwalt seinen Mandanten geschuldete umfassende Einsatz vor der Strafverfolgungsbehörde nicht mehr gewährleistet ist, wenn sich dieser Rechtsvertreter selbst als Beschuldigter zu verantworten hat (RIS‑Justiz RS0104960, RS0056748, RS0056752). Zudem ist es auch dem Ansehen des Standes abträglich, wenn ein Rechtsanwalt vor derselben Behörde einmal in eigener Sache als Beschuldigter und ein anderes Mal als Parteienvertreter agiert (RIS‑Justiz RS0056745).

Die einstweilige Maßnahme wurde daher zu Recht verhängt.

Zur Beschwerde gegen den Beschluss vom 25. September 2014:

Die erfolgte Teileinstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Wien hat an der Zulässigkeit der einstweiligen Maßnahme entgegen dem Beschwerdevorbringen nichts geändert.

Den nach der Teileinstellung noch offenen und weiter zu untersuchenden Vorwürfen von Verbrechen und Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz kommt noch immer ein derartiges Gewicht zu, dass das verfügte Vertretungsverbot weiter aufrecht zu erhalten war.

Das Beschwerdevorbringen, das nach erfolgter Teileinstellung nicht ersichtlich sei, was dem Disziplinarbeschuldigten vorgeworfen wird, ist angesichts der präzisen Umschreibung des Umfangs der Teileinstellung in der an den Disziplinarbeschuldigten ergangenen Mitteilung der Staatsanwaltschaft Wien nicht nachvollziehbar.

Hinsichtlich seines Rechtsmittelvorbringens, das zu prüfen gewesen wäre, ob allenfalls anhängige „Restdelikte“ in die Zuständigkeit des Gerichtshofs oder der Bezirksgerichte fallen, ist der Beschwerdeführer auf den Strafsatz des § 28a Abs 1 SMG zu verweisen.

Beiden Beschwerden war damit ein Erfolg zu versagen.

Stichworte