OGH 8Ob28/15y

OGH8Ob28/15y24.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn und die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Abstammungssache der Antragstellerin E***** S*****, vertreten durch Mag. Salih Sunar, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Antragsgegner R***** T*****, vertreten durch Dr. Markus Moser, Rechtsanwalt in Imst, wegen Feststellung der Abstammung, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 18. Juli 2014, GZ 53 R 79/14b‑84, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Silz vom 6. Mai 2014, GZ 1 Fam 54/12v‑73, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00028.15Y.0324.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit 336,82 EUR (darin enthalten 56,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Antragstellerin wurde am ***** in ***** außerhalb der Ehe geboren. Sie und ihre Mutter sind türkische Staatsangehörige. Am 17. 12. 1983 heiratete die Mutter der Antragstellerin einen türkischen Staatsangehörigen, der im Jahr 1984 dafür sorgte, dass er im Personenstand der Antragstellerin als deren Vater aufschien.

R***** T*****, der Rechtsvorgänger des Antragsgegners, ist am ***** gestorben. Der Nachlass wurde zwischenzeitlich dem Antragsgegner eingeantwortet. Im Taufschein des Pfarramts ***** scheint als Vater der Antragstellerin „R***** T*****“ auf; dieser hat die Vaterschaft zur Antragstellerin bis zu seinem Tod nicht anerkannt.

Im vorliegenden Anlassverfahren stellte die Antragstellerin am 18. 9. 2012 den Antrag auf Feststellung ihrer Abstammung von R***** T*****. Nachher, nämlich am 12. 7. 2013, erhob sie vor dem Zivilgericht Cesme eine Ehelichkeitsbestreitungsklage nach Art 285 bis 294 des türkischen Zivilgesetzbuchs (tZGB). Mit (rechtskräftigem) Urteil vom 23. 8. 2013 stellte das türkische Gericht fest, dass der richtige Vater der (hier) Antragstellerin R***** T***** sei, und hob weiters das Abstammungsverhältnis zwischen dem türkischen Ehemann der Mutter und der (hier) Antragstellerin auf. An diesem türkischen Verfahren waren neben der Antragstellerin ihre Mutter sowie ihr rechtlicher Vater, nämlich der Ehemann der Mutter, beteiligt. Der Antragsgegner des vorliegenden Verfahrens wurde vom türkischen Verfahren weder verständigt noch diesem beigezogen.

In ihrem Antrag auf Feststellung der Vaterschaft brachte die Antragstellerin im Anlassverfahren vor, dass sie die leibliche Tochter des Rechtsvorgängers des Antragsgegners sei. Dieser scheine im Taufschein des Pfarramts ***** als ihr Vater auf. In diversen Personaldokumenten sei „R*****“ als ihr Vater eingetragen. Der Ehemann der Mutter habe ihr lediglich seinen Namen gegeben, damit sie in der Türkei nicht als vaterloses Kind von der Gesellschaft ausgeschlossen werde. Aus dem zwischenzeitlich vorliegenden medizinischen Gutachten ergebe sich, dass der Rechtsvorgänger des Antragsgegners ohne Zweifel ihr Vater sei.

Der Antragsgegner erwiderte, dass eine Reihe von Gründen an der Vaterschaft seines Rechtsvorgängers zweifeln ließen. Insbesondere liege kein Vaterschaftsanerkenntnis vor. Von dem in der Türkei geführten Verfahren habe er keine Kenntnis erlangt.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Feststellung der Abstammung ab. Das Urteil des türkischen Gerichts entfalte in Österreich keine Rechtswirksamkeit, weil diese Entscheidung in Österreich nicht (formell) anerkannt und der Antragsgegner des vorliegenden Verfahrens dem türkischen Verfahren nicht beigezogen worden sei. Auf die Feststellung der Abstammung sei materielles türkisches Recht anzuwenden. Davon ausgehend habe die Antragstellerin die Frist nach § 303 tZGB versäumt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge und stellte fest, dass sie von R***** T***** abstammt. Die Entscheidung des türkischen Gerichts über die Aufhebung der Abstammung sei in Österreich (ipso iure) anzuerkennen. Die internationale Zuständigkeit des türkischen Gerichts zur Führung dieses Verfahrens sei zu bejahen. Eine Unvereinbarkeit mit einer inländischen oder früheren ausländischen Statusentscheidung liege nicht vor. Die Entscheidung verstoße auch nicht gegen den ordre public. Demgegenüber entfalte das türkische Urteil in Bezug auf die Feststellung von R***** T***** als Vater keine Bindungswirkung, weil der Antragsgegner des vorliegenden Verfahrens dem türkischen Verfahren nicht beigezogen worden sei. Damit sei über die Feststellung der Abstammung vom österreichischen Gericht zu entscheiden. Nach dem Personalstatut der Antragstellerin sei türkisches Recht anzuwenden. Nach Art 303 tZGB bestehe für die Feststellung der Vaterschaft eine Frist von einem Jahr nach der Geburt. Bestehe aber zwischen dem Kind und einem anderen Mann ein Abstammungsverhältnis, so beginne die einjährige Frist im Zeitpunkt der Beendigung dieses Verhältnisses. Im Anlassfall habe die Frist daher mit dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im türkischen Verfahren am 28. 8. 2013 zu laufen begonnen. Der Antrag auf Feststellung der Vaterschaft sei daher als rechtzeitig anzusehen. Ausgehend von den Feststellungen sei der Rechtsvorgänger des Antragsgegners der leibliche Vater der Antragstellerin. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil „zur Frage der Anerkennung der vom türkischen Gericht gefällten Entscheidung und der Anwendung des § 84 AußStrG im Abstammungsverfahren“ höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners, der auf eine Wiederherstellung der abweisenden Entscheidung des Erstgerichts abzielt. Außerdem bekämpft der Antragsgegner die Kostenentscheidung des Rekursgerichts.

Mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Antragstellerin, das Rechtsmittel des Antragsgegners zurückzuweisen, in eventu diesem den Erfolg zu versagen. Die Mutter der Antragsgegnerin schließt sich deren Revisionsrekursbeantwortung an.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

1. Der Hinweis des Antragsgegners auf § 84 AußStrG ist nicht zielführend. Diese Bestimmung betrifft die Verbindung mehrerer Verfahren über die Abstammung des selben Kindes. Voraussetzung für die Verfahrensverbindung ist unter anderem, dass für alle Anträge dasselbe Gericht im Sinn des § 108 JN sachlich und örtlich zuständig ist (Deixler‑Hübner in Rechberger, AußStrG² § 84 Rz 1). Dies gilt auch für die internationale Zuständigkeit.

Im Anlassfall gesteht der Antragsgegner selbst zu, dass für das Verfahren über die Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter das türkische Gericht international zuständig war.

2.1  Die Entscheidung des türkischen Gerichts bezieht sich einerseits auf die Feststellung, dass die Antragstellerin nicht vom Ehemann der Mutter abstamme (Ehelichkeitsbestreitung), und andererseits auf die weitere Feststellung, dass sie vom Rechtsvorgänger des Antragsgegners abstamme.

In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass auch eine Teilanerkennung etwa eines Scheidungsausspruchs zulässig ist, wenn eine Entscheidung eines ausländischen Gerichts über die Ehescheidung auch andere Spruchpunkte enthält (RIS‑Justiz RS0121413; Neumayr in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, Internationales Zivilverfahrensrecht § 97 AußStrG Rz 16). Auch eine Teilanerkennung einer Entscheidung über das Kontaktrecht kommt in Betracht (Schütz in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, aaO, Art 30 ESÜ, Rz 31).

Auf den Anlassfall gelangt das Abkommen vom 23. Mai 1989 zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei über die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen in Zivil- und Handelssachen (bilateraler Vollstreckungsvertrag) zur Anwendung. Nach Art 7 leg cit werden Rechtssachen über den Ehe‑ oder den Familienstand einander gleichgestellt, was als logische Konsequenz aus der Sachnähe der Statussachen resultiert. Daraus folgt, dass auch in Abstammungssachen (als kindschaftsrechtliche Statussachen) eine Teilanerkennung einer ausländischen Entscheidung zulässig ist, wenn sie über trennbare Ansprüche abspricht und insofern gesonderte Spruchpunkte enthält.

2.2 Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter einerseits und die Feststellung der Abstammung vom biologischen Vater andererseits sind sowohl nach österreichischem Recht (§ 151 ABGB) als auch nach türkischem Recht (Art 287 tZGB) jeweils selbständig möglich.

3.1 Der Antragsgegner steht auf dem Standpunkt, dass eine inzidente Anerkennung des türkischen Urteils, also ohne darauf gerichteten Antrag, im österreichischen Verfahren unzulässig sei.

Damit ist der Antragsgegner auf Basis der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht im Recht.

3.2  Es entspricht der Rechtsprechung, dass der Grundsatz der entschiedenen Rechtssache auch im internationalen Kontext gilt und der Verstoß gegen eine im Ausland rechtskräftig entschiedene und in Österreich anzuerkennende Rechtssache gleich wie der Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit zu behandeln ist (6 Ob 96/11b mwN). Auch die Entscheidungen ausländischer Gerichte, die im Inland anzuerkennen sind, entfalten daher Bindungswirkung, die von Amts wegen wahrzunehmen ist (2 Ob 238/13h mwN).

3.3 Das neue AußStrG enthält in §§ 97 ff (eheauflösende Entscheidungen), §§ 112 ff (Obsorge‑ und Kontaktrecht) und §§ 91a ff (Adoption) ausdrückliche Regelungen zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen. Die Brüssel IIa‑VO oder sonst maßgebende völkerrechtliche Anerkennungs‑ und Vollstreckungsverträge gelangen vorrangig zur Anwendung.

Wie schon erwähnt, gelangt auf den Anlassfall das bilaterale Vollstreckungsabkommen zwischen Österreich und der Türkei zur Anwendung. Nach Art 11 Abs 1 leg cit richtet sich das Anerkennungsverfahren nach dem Recht des ersuchten Staats, hier also nach österreichischem Recht.

Im österreichischen Recht ist die Analogiefähigkeit der im AußStrG enthaltenen Regelungen über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen seit langem anerkannt (1 Ob 190/03b zu einer griechischen Adoption; 6 Ob 170/04z zu einer indischen Adoption; 1 Ob 21/04a zu einer chinesischen Adoption). Der Oberste Gerichtshof hat ebenfalls bereits geklärt, dass die Anerkennungsregeln nach §§ 91a ff AußStrG ‑ die mit dem FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, ab 1. 1. 2010 für die Anerkennung ausländischer Adoptionsentscheidungen eingefügt wurden und sich an den §§ 97 ff (ausländische Eheentscheidungen) und den §§ 112 ff AußStrG (ausländische Obsorgeentscheidungen) orientieren ‑ aufgrund der besonderen Sachnähe als geeignete Analogiegrundlage zur Anerkennung von ausländischen Entscheidungen in Abstammungsangelegenheiten heranzuziehen sind, zumal diese neben den Adoptionssachen ebenfalls zu den kindschaftsrechtlichen Statussachen zählen (2 Ob 238/13h).

Die verfahrensrechtliche Frage (Art 11 Abs 1 des bilateralen Vollstreckungsvertrags), ob eine inzidente Prüfung der Anerkennungsfähigkeit der Abstammungsentscheidung des türkischen Gerichts zulässig ist, richtet sich somit nach den §§ 91a ff AußStrG (analog).

3.4 Nach § 91a Abs 1 Satz 2 AußStrG kann die Anerkennung als Vorfrage selbständig beurteilt werden, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Damit wurde für rechtskräftige ausländische Adoptionsentscheidungen der Grundsatz der Inzident‑Anerkennung gesetzlich verankert (2 Ob 238/13h; siehe 6 Ob 96/11b zu § 97 Abs 1 AußStrG). Aufgrund des gebotenen Analogieschlusses gilt dies ebenso für rechtskräftige ausländische Entscheidungen über die Abstammung des Kindes.

4.1  Im Anlassverfahren ist somit die Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung des türkischen Gerichts zu prüfen, um deren Bindungswirkung beurteilen zu können. Die Prüfung erfolgt in Ermangelung vorrangiger unionsrechtlicher Normen anhand einschlägiger völkerrechtlicher Verträge, hier auf Basis des bilateralen Vollstreckungsvertrags, subsidiär in analoger Anwendung der §§ 91a ff AußStrG.

Nach Art 3 des bilateralen Vollstreckungsvertrags sind die Entscheidungen des anderen Vertragsstaats anzuerkennen, wenn sie rechtskräftig sind und das Gericht nach den Art 6 bis 9 zuständig war. Nach Art 11 Abs 1 des bilateralen Vollstreckungsvertrags ist die Zuständigkeit in Rechtssachen über den Ehe‑ oder Familienstand anzuerkennen, wenn der Beklagte (Antragsgegner) zur Zeit der Einleitung des Verfahrens Angehöriger dieses Staats war oder seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet dieses Staats hatte.

Nach Art 4 Abs 1 des bilateralen Vollstreckungsvertrags darf die Anerkennung (unter anderem) versagt werden, wenn sie mit der öffentlichen Ordnung des ersuchten Staats offensichtlich unvereinbar ist (lit a; siehe auch § 91a Abs 2 AußStrG).

4.2  Das Vorliegen einer ausländischen rechtskräftigen Entscheidung über die Abstammung wird vom Antragsgegner nicht bestritten.

Hinsichtlich der Entscheidung des türkischen Gerichts über die Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter (Ehelichkeitsbestreitung) ist die Zuständigkeit des türkischen Gerichts nach Art 7 Abs 1 des bilateralen Vollstreckungsvertrags anzuerkennen.

4.3 Ein Verstoß gegen den ordre public setzt voraus, dass das Ergebnis der Anwendung fremden Rechts Grundwertungen der inländischen Rechtsordnung verletzt, wozu auch eine ausreichende Inlandsbeziehung gehört (RIS‑Justiz RS0110743; 3 Ob 186/11s). Als systemwidrige Ausnahme erfordert die ordre public‑Klausel einen besonders sparsamen Gebrauch (RIS‑Justiz RS0077010). Eine schlichte Unbilligkeit des Ergebnisses genügt ebenso wenig wie der bloße Widerspruch zu zwingenden österreichischen Rechtsvorschriften (6 Ob 138/13g). Das fremde Recht muss im Ergebnis vielmehr zu einer unerträglichen Verletzung tragender Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung führen (8 Ob 118/12d).

Der verfahrensrechtliche ordre public soll sicherstellen, dass die Parteien die Möglichkeit hatten, sich am Verfahren zu beteiligen (2 Ob 238/13h). Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist somit eine besondere Ausprägung des verfahrensrechtlichen ordre public. Sie soll den Beklagten (Antragsgegner) davor schützen, dass die ausländische Entscheidung ohne seine Beteiligung erlassen wurde. Es muss daher sichergestellt sein, dass für den Beklagten (Antragsgegner) die Möglichkeit bestanden hat, sich effektiv am Verfahren zu beteiligen (6 Ob 96/11b zu § 97 Abs 1 AußStrG).

4.4 Hinsichtlich der Entscheidung des türkischen Gerichts zur Ehelichkeitsbestreitung ist kein Verstoß gegen den ordre public erkennbar. Im Verfahren auf Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter (§ 151 ABGB) kommt dem möglichen biologischen Vater (und damit ebenso dem Antragsgegner als Rechtsnachfolger) auch nach österreichischem Recht keine Antragslegitimation (Hopf in KBB4 §§ 151-153 ABGB, Rz 3) und auch keine materielle Parteistellung zu (vgl Deixler‑Hübner in Rechberger, AußStrG² § 82 Rz 9).

4.5 Die Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung des türkischen Gerichts über die Bestreitung der Ehelichkeit der Antragstellerin und damit die Bindungswirkung dieser Entscheidung für den österreichischen Rechtsbereich ist demnach zu bejahen.

Eine Überprüfung der anzuerkennenden Entscheidung des türkischen Gerichts dahin, ob dieses inhaltlich richtig entscheiden hat, kommt im österreichischen (Anerkennungs‑)Verfahren nicht in Betracht. Der Antragsgegner beruft sich in dieser Hinsicht darauf, dass die Antragstellerin die Ehelichkeitsbestreitungsklage gemäß Art 289 tZGB verspätet eingebracht habe. Indem sich der Antragsgegner auf eine zeitliche Beschränkung des Anfechtungsrechts beruft, macht er gerade keine ordre public‑Widrigkeit geltend (vgl dazu 6 Ob 559/95).

4.6 Zur Feststellung der Vaterschaft des Rechtsvorgängers des Antragsgegners im Verfahren vor dem türkischen Gericht scheitert die Anerkennung dieser Entscheidung schon daran, dass nach Art 7 Abs 1 des bilateralen Vollstreckungsvertrags die Zuständigkeit des türkischen Gerichts nicht gegeben und daher nicht anzuerkennen ist, weil der Antragsgegner (dies hätte auch für seinen Rechtsvorgänger gegolten) weder türkischer Staatsangehöriger ist noch seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Türkei hat.

Außerdem liegt auch ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public und damit ein Grund für die Versagung der Anerkennung dieser Entscheidung des türkischen Gerichts vor. Der Antragsgegner wurde dem türkischen Verfahren nicht beigezogen, er war an diesem gesamten Verfahren also nicht beteiligt. Gemäß § 82 Abs 2 AußStrG sind in einem Abstammungsverfahren jedenfalls das Kind, die Person, deren Elternschaft durch das Verfahren begründet oder beseitigt werden kann, und der andere Elternteil des Kindes, soweit er einsichts‑ und urteilsfähig sowie am Leben ist, Parteien (vgl auch § 148 Abs 1 ABGB). Die Feststellung der Vaterschaft ohne rechtliches Gehör des Betroffenen bzw seines Rechtsnachfolgers (vgl Deixler‑Hübner in Rechberger, AußStrG² § 82 Rz 3) verstößt gegen den inländischen ordre public. Von einem offenkundigen Einverständnis des Antragsgegners mit der türkischen Entscheidung über die Vaterschaft seines Rechtsvorgängers (vgl § 91a Abs 2 Z 2 AußStrG) kann naturgemäß nicht ausgegangen werden.

4.7 Eine Anerkennung der Entscheidung des türkischen Gerichts über die Feststellung der Abstammung der Antragstellerin vom Rechtsvorgänger des Antragsgegners scheidet damit aus.

5. Das Rekursgericht ist demnach zu Recht davon ausgegangen, dass über die Feststellung der Vaterschaft im vorliegenden Verfahren zu entscheiden ist.

Der Beurteilung des Rekursgerichts, wonach auf diese Frage türkisches Sachrecht anzuwenden ist, die Antragstellerin für den Antrag auf Feststellung der Abstammung (vor dem österreichischen Gericht) die Frist des Art 303 tZGB eingehalten hat und diese vom Rechtsvorgänger des Antragsgegners abstammt, tritt der Antragsgegner im Revisionsrekurs nicht entgegen.

6. Die im Revisionsrekurs noch angesprochene Rechtshängigkeit (Art 4 Abs 1 lit b des bilateralen Vollstreckungsvertrags) kann sich hier nur auf die Feststellung der Vaterschaft beziehen, weil die Bestreitung der Ehelichkeit nicht selbständiger Gegenstand des österreichischen Verfahrens ist. Außerdem könnte die Prüfung der Rechtshängigkeit aufgrund der zeitlichen Abfolge der Rechtsschutzanträge nur das Verfahren vor dem türkischen Gericht betreffen. Die Entscheidung des türkischen Gerichts über die Feststellung der Vaterschaft ist aber schon aus anderen Gründen nicht anzuerkennen.

7. Das Rekursgericht ist im Ergebnis von den hier dargestellten Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 78, 83 Abs 4 AußStrG iVm § 50 ZPO. Die Kostenentscheidung der Vorinstanzen kann im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht bekämpft werden.

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