OGH 9Ob38/14z

OGH9Ob38/14z20.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner sowie die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. D***** M*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Perg, gegen die beklagte Partei M***** AG, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 38.516,68 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. März 2014, GZ 5 R 96/13v‑20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat sich bei der Prüfung der Frage, ob eine außerordentliche Revision einer weiteren Behandlung unterzogen oder verworfen werden soll, grundsätzlich auf jene Gründe zu beschränken, die in der Zulassungsbeschwerde als solche angeführt wurden (RIS‑Justiz RS0107501).

2. Der Kläger wurde nach den diesbezüglich unbekämpften Feststellungen beim Ankauf der hier verfahrensgegenständlichen Wertpapiere von seiner Ehegattin vertreten. Diese kümmerte sich auf seinen Wunsch selbständig um die Vermögensveranlagung, traf die Entscheidungen und nahm die Beratungsgespräche wahr. Der Kläger leistete die erforderlichen Unterschriften, nachdem seine Gattin ihm die relevanten Informationen weitergeleitet hatte. Der Kläger, vertreten durch seine Gattin, traf die hier gegenständliche Veranlagungsentscheidung (auch) aufgrund eines nach den Verfahrensergebnissen der Beklagten zuzurechnenden „Fact‑Sheets“, das der Gattin des Klägers vorgelegt wurde. Mit der Behauptung, der Kläger habe dieses „Fact‑Sheet“ „selbst nicht einmal gesehen“ und „überhaupt keine Beratung in Anspruch genommen“, übergeht die Beklagte die für den Obersten Gerichtshof bindenden Sachverhaltsgrundlagen, sodass sie insoweit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt.

Die weitere Behauptung, auch die Gattin des Klägers habe das „Fact‑Sheet“ nicht gelesen, ist einerseits eine unbeachtliche Neuerung, weil die Beklagte sie erstmals in der Berufung geltend machte. Sie findet überdies in den Feststellungen keine Grundlage. Danach hat die Gattin des Klägers den Entschluss zur Veranlagung aufgrund der im „Fact‑Sheet“ enthaltenen Angaben, die das Erstgericht im Detail festgestellt hat, getroffen. Auf das von der Revisionswerberin behauptete Abweichen der Entscheidung des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den „Folgen des Nichtlesens des Vertrags“ kommt es hier daher nicht an.

3. Ein Prospekt (hier das „Fact‑Sheet“) muss nicht eine gewisse Form haben, um die von den Vorinstanzen angenommene Prospekthaftung nach allgemein zivilrechtlichen Grundlagen auszulösen (vgl dazu 9 Ob 43/13h mwH). Der Prospektbegriff ist vielmehr im umfassenden Sinn zu verstehen. Maßgeblich ist, ob der Werbeprospekt des freien Kapitalmarkts dem Vertrieb einer Anlage dient und dabei generell geeignet ist, den Anlageentschluss eines potentiellen Anlegers in Ansehung einer konkreten Anlage zu beeinflussen, indem er den Anschein ausreichender und objektiver Anlageinformation erweckt (RIS‑Justiz RS0108623). Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechung berücksichtigt und ausgeführt, dass das gegenständliche „Fact‑Sheet“ als Prospekt und nicht bloß als verkürzte, bloß die Aufmerksamkeit weckende Werbeaussage anzusehen sei. Dem hält die Revisionswerberin entgegen, dass es sich bei diesem „Fact‑Sheet“ lediglich um ein „Kurzexposé und/oder Handzettel“ mit einer nur kurzen und erkennbar unzureichenden Information handle. Sie übergeht damit aber, dass das „Fact‑Sheet“ nicht nur Angaben über das Geschäftsmodell, die Veranlagung, deren Potential und deren Erträge samt operativen Zahlen und Eckdaten enthielt, sondern ‑ anders als in der von der Revisionswerberin für ihren Standpunkt herangezogenen Entscheidung 10 Ob 32/13y ‑ auch einen Hinweis auf das mit der Veranlagung verbundene Risiko. Die Gattin des Klägers hielt die Angaben im „Fact‑Sheet“ für nachvollziehbar. Es diente, worauf das Berufungsgericht hinwies, als einzige schriftliche Unterlage im Beratungsgespräch. Mit ihrer nicht näher begründeten Behauptung, dass das „Fact‑Sheet“ im konkreten Fall gerade nicht geeignet gewesen wäre, den Anschein ausreichender und objektiver Anlageinformation zu erwecken, zeigt die Revisionswerberin keine Unvertretbarkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts im konkreten Fall auf.

Einer weiteren Begründung bedarf die Zurückweisung dieser außerordentlichen Revision nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Stichworte