OGH 10Ob32/13y

OGH10Ob32/13y25.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm sowie die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. F***** und 2. I*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Siegfried Lohse, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagten Parteien 1. P***** AG ***** (vormals V*****-AG), *****, vertreten durch Dr. Christian Haas, Rechtsanwalt in Wien, und 3. U***** AG, *****, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 60.000 EUR, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2013, GZ 2 R 269/12m-33, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Ein Prospekt muss nicht eine gewisse Form haben, um die Prospekthaftung auszulösen, der Prospektbegriff ist vielmehr im umfassenden Sinn zu verstehen. Maßgeblich ist, ob der Werbeprospekt des freien Kapitalmarkts dem Vertrieb einer Anlage dient und dabei als Schriftstück generell geeignet ist, den Anlageentschluss eines potentiellen Anlegers in Ansehung einer konkreten Anlage zu beeinflussen, indem er den Anschein ausreichender und objektiver Anlageinformation erweckt. Kurzexposees, Handzettel und Zeitungsanzeigen sind wegen ihrer nur kurzen und deshalb erkennbar unzureichenden Information dazu im Allgemeinen nicht geeignet (RIS-Justiz RS0108623).

1.2. Von dieser Rechtsprechung weicht die Ansicht des Berufungsgerichts nicht ab, die Kläger könnten sich nicht erfolgreich auf den Prospektcharakter einer ihnen im Zuge des Beratungsgesprächs gezeigten Informationsunterlage („Factsheet“ Blg ./G) berufen, weil diese neben grundlegendsten Informationen über den Fonds bloß eine ausführliche Darstellung zu dessen „Performance“ enthalte, ohne auch nur den Anschein der Darstellung von mit der Anlage verbundenen Risiken zu erwecken. Eine derartige Darstellung sowie umfangreiche Angaben zur Struktur des Fonds, zu den Anlagezielen und der Anlagestrategie fänden sich vielmehr im (umfangreichen) Verkaufsprospekt Blg ./2, der den Klägern übergeben wurde. Die Kläger könnten sich daher auf den Prospektcharakter des „Factsheet“ nicht berufen.

1.3. Dem setzen die Kläger im Wesentlichen nur entgegen, sie hätten das „Factsheet“ (und nicht den Verkaufsprospekt) zur Grundlage ihrer Disposition gemacht, das „Factsheet“ enthalte aber nur unvollständige Informationen. Insbesondere sei ihnen nicht erkennbar gewesen, dass die Verwahrung und Verwaltung des Fonds bei einer Person zusammenfielen. Mit diesem Vorbringen wird jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung zum (mangelnden) Prospektcharakter aufgezeigt.

2. Die Haftung der drittbeklagten Partei wegen fehlerhafter Kontrolle des Verkaufsprospekts in deren Eigenschaft als Repräsentantin des ausländischen Kapitalanlagefonds nach § 26 Abs 2 des (hier noch anzuwendenden) InvFG 1993 iVm § 11 KMG ist als abschließend erledigter Streitpunkt nicht mehr Gegenstand des Verfahrens im zweiten Rechtsgang (siehe Pkt III.3.3. des in dieser Rechtssache nach dem im ersten Rechtsgang ergangenen Aufhebungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 8. 11. 2011, 10 Ob 69/11m).

3. Das Erstgericht legte seiner Entscheidung zu Grunde, ausgehend von den getroffenen Feststellungen sei den Klägern der Nachweis misslungen, für die Drittbeklagte in ihrer (weiteren) Funktion als orderausführende Depotbank wären konkrete Anhaltspunkte für Beratungs- und Aufklärungspflichtverletzungen durch das erstbeklagte Wertpapierdienstleistungsunternehmen als „kundennäheres“ Unternehmen vorhanden gewesen. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und ging rechtlich davon aus, die Drittbeklagte hätten keine subsidiären Aufklärungs- und Beratungspflichten getroffen (siehe 10 Ob 69/11m Pkt 1.1.4). Die in der Revision enthaltene Rechtsrüge, die Drittbeklagte sei wegen Verletzung von Beratungs- und Aufklärungspflichten (doch) haftbar, indem sie „jegliche individuelle anleger- und anlagegerechte Aufklärung“ unterlassen habe, setzt sich über die maßgebliche Tatsachengrundlage hinweg. Insofern ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0043312).

4. Auf die bereits vom Berufungsgericht verworfene und in der Revision wiederholte (teils gar nicht verfahrensrelevante) Mängelrüge sowie auf die in der Revision erhobene Tatsachen- und Beweisrüge ist nicht einzugehen (RIS-Justiz RS0043111; RS0042903 [T7]).

Mangels Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen.

Stichworte