OGH 6Ob161/14s

OGH6Ob161/14s19.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr.

Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ‑Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. M*****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Dr.in G*****, vertreten durch Dr.in Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung und Widerrufs, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Juli 2014, GZ 1 R 117/14d‑32, in nichtöffentlicher Sitzung den

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

B e s c h l u s s

gefasst:

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hängen die Fragen, ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar gewesen wäre, ob Tatsachen verbreitet wurden oder eine wertende Äußerung vorliegt und ob eine bestimmte Äußerung als Wertungsexzess zu qualifizieren ist (RIS‑Justiz RS0113943; RS0107768), so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO in der Regel ‑ von einer krassen Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen abgesehen ‑ nicht zu klären sind.

Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass sich die Ermittlung des Sinns und Bedeutungsgehalts sowie die Beurteilung der Frage, ob „Tatsachen“ verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung richten (RIS‑Justiz RS0031883, RS0032489), und hiefür auf den maßgeblichen Eindruck des verständigen Erklärungsadressaten (6 Ob 170/13p; 6 Ob 232/10a mwN) abgestellt.

Das Berufungsgericht stellte den Bezugzusammenhang, in dem die beanstandete Äußerung fiel, zutreffend dar. Seine Beurteilung, dass die Äußerung nach den Umständen des Falls ihrem Sinn und Bedeutungsgehalt nach die Behauptung der Tatsache, der Kläger sei vor Abschluss des Spekulationsgeschäfts voll informiert gewesen, umfasst, ist jedenfalls vertretbar. Die Unwahrheit dieser Behauptung wurde von den Vorinstanzen festgestellt.

Der Revisionswerberin gelingt es nicht, eine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen:

Die Ausführungen unter Punkt 1.a und b der Revisionsschrift vernachlässigen den Bezugzusammenhang, in dem die Wortfolge „voll informiert“ steht. Die Äußerung betrifft nur einen „Deal“, über den „die Finanzverantwortlichen Bescheid wussten“. Die Beklagte hat sich hierbei gegenüber dem sie interviewenden Journalisten auf die Angaben eines Zeugen berufen, der vom zuständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses des Nationalrats, dem die Beklagte angehörte, an diesem Tag zu dem „Deal“ vernommen worden war. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte der Zeuge aber ausgesagt, nicht „beurteilen zu können“, ob der Kläger „davon“ gewusst hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und des Obersten Gerichtshofs können unwahre Tatsachenbehauptungen durch die Meinungsäußerungsfreiheit (Art 10 EMRK) nicht gerechtfertigt werden (RIS‑Justiz RS0107915; RS0075601); daher auch dann nicht, wenn die Grundrechtsberechtigte eine Oppositionspolitikerin ist und sich in einer Sache von allgemeinem Interesse äußert.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin vertritt das Berufungsgericht nicht die Meinung, die Beklagte habe den Kontext zu verantworten, den der sie interviewende Journalist in der APA‑Aussendung hergestellt habe. Es hat die Gegenüberstellung der Aussagen des Klägers und jener der Beklagten durch den Journalisten lediglich als Beleg dafür angesehen, dass dieser die im Interview (unstrittig) wiedergegebenen Äußerungen der Beklagten nicht anders als das Berufungsgericht unter Zugrundelegung der in der (dargestellten) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs genannten Grundsätze verstand.

Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0042963; RS0043919) nicht mit Revision geltend gemacht werden. Dieser Grundsatz ist jedoch nicht anzuwenden, wenn die zweite Instanz infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat (RIS‑Justiz RS0043051). Solche Fehler des Berufungsgerichts rügt die Revision aber beim geltend gemachten Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht.

Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor.

Der Widerruf nach § 1330 ABGB muss ‑ entsprechend dem maßgebenden Äquivalenzgrundsatz (6 Ob 51/14i mwN) ‑ in gleich wirksamer Form wie die seinerzeitige unrichtige Tatsachenbehauptung erfolgen (6 Ob 51/14i mwN). Die danach gebotene Veröffentlichung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie muss jedenfalls in einem angemessenen Verhältnis zur Wirkung des Verstoßes stehen (6 Ob 51/14i mwN), ist es doch das Ziel des Widerrufs, die durch die veröffentlichte unwahre Tatsachenbehauptung entstandene abträgliche Meinung über den Verletzten zu beseitigen (6 Ob 51/14i mwN). Umstände für die Annahme der Beklagten, dass ein Widerruf nur der APA‑Aussendung durch andere Medien verbreitet würde, sind nicht festgestellt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Veröffentlichung des Widerrufs im aufgetragenen Umfang notwendig ist, um die durch die veröffentlichte unwahre Tatsachenbehauptung entstandene abträgliche Meinung über den Kläger zu beseitigen, bedarf keiner Korrektur. Beim Widerrufsanspruch nach § 1330 ABGB hat die Beklagte die Behauptungs‑ und Beweislast für den Wegfall des Interesses an der Beseitigung der durch die rufschädigende Äußerung hervorgerufenen abträglichen Meinung über den Verletzten (6 Ob 295/97v SZ 70/267).

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