OGH 3Ob23/15a

OGH3Ob23/15a18.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Landeshauptstadt Bregenz, *****, dieser vertreten durch Mag. Jürgen Nagel, Ing. Dr. Michael Bitriol, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die verpflichtete Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen 8.503.326,76 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt als Rekursgericht vom 10. Dezember 2014, GZ 17 R 146/14p‑15, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 29. August 2014, GZ 10 E 4765/14k‑2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00023.15A.0318.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die betreibende Stadtgemeinde beantragte wider die Verpflichtete die Bewilligung der Fahrnisexekution aufgrund eines vorgelegten Rückstandsausweises vom 21. August 2014, der als Adressaten die Verpflichtete ausweist und nach Jahren und Beträgen gegliedert Kriegsopferabgabenrückstände samt Säumniszuschlägen auflistet. Als ausstellende Behörde wird genannt:

„Stadt‑, Markt‑, Gemeinde: Bregenz

Verwaltungsbezirk: Bregenz

Land: Vorarlberg“

Unter dem Hinweis darauf, dass der ausgewiesene Rückstand vollstreckbar sei, befindet sich das (Amts‑)Siegel der Landeshauptstadt Bregenz, daneben eine unleserliche Unterschrift und darunter der Text „für den Bürgermeister Mag. Peter Lechner“.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution.

Das Rekursgericht wies über Rekurs der Verpflichteten den Exekutionsantrag ab, verpflichtete die Betreibende zum Kostenersatz und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob im Fall der Exekutionsbewilligung aufgrund eines Rückstandsausweises bei dessen Unterfertigung durch einen Vertreter des nach dem Gesetz zeichnungsberechtigten Organs ein Nachweis seiner Verfügungsbefugnis erforderlich sei.

Zwar sei bei Bewilligung der Exekution aufgrund eines Exekutionstitels nach § 1 Z 13 EO die Zustellung des Exekutionstitels sowie die Gesetzmäßigkeit und Richtigkeit des Rückstandsausweises nicht zu überprüfen, sofern dieser den formellen Erfordernissen entspreche. Ob der betreibende zur Ausstellung eines Rückstandsausweises für die betriebene Forderung berechtigt sei und ob der Rückstandausweis neben den allgemeinen Anforderungen an einen Exekutionstitel auch den nach der für diesen Rückstandsausweis in Betracht kommenden Norm vorgeschriebenen Inhalt habe, sei aber sehr wohl zu prüfen. Die Kriegsopferabgabe nach dem Vorarlberger Kriegsopferabgabengesetz sei eine Landesabgabe. Sämtliche Verfahrensschritte, die nach der von den Abgabenbehörden anzuwendenden BAO im Zusammenhang mit der Abgabenvorschreibung und ‑einhebung zu setzen seien, oblägen aber in erster Instanz den Organen der Gemeinde. Zur Abgabeneinhebung gehöre auch die Durchsetzung eines Rückstandsausweises in einem gerichtlichen Vollstreckungsverfahren. Die betreibende Stadtgemeinde sei daher berechtigt, die betriebene Forderung geltend zu machen. Aus dem Rückstandsausweis gehe aber nicht eindeutig hervor, ob er auch von der Stadtgemeinde ausgestellt worden sei. Im Kopf des vorgelegten Exekutionstitels seien nämlich zwei Gebietskörperschaften genannt, die Stadtgemeinde und das Land. Im Hinblick darauf, dass die Kriegsopferabgabe eine Landesabgabe sei, sei nicht ausgeschlossen, dass der Bürgermeister den Rückstandausweis namens des Landes erlassen habe, auch wenn das Siegel der Stadtgemeinde angebracht sei. Der Bürgermeister könne gemäß § 27 Abs 2 Vorarlberger Gemeindegesetz Bediensteten der Gemeinde für einzelne Angelegenheiten oder für bestimmte Gruppen von Angelegenheiten die Befugnis übertragen, in seinem Namen Entscheidungen und Verfügungen zu treffen oder sonstige Amtshandlungen vorzunehmen. Die Übertragung habe schriftlich zu erfolgen. Ohne schriftlichen Nachweis der Übertragung der Befugnis zur Ausstellung von Rückstandsausweisen an die konkret genannte Person könne nicht beurteilt werden, ob der Rückstandsausweis tatsächlich von der Gemeinde stamme, selbst wenn man davon ausgehe, dass diese Ausstellerin des Rückstandsausweises wäre. Mangels Nachweises der Berechtigung desjenigen, der den Rückstandausweis tatsächlich unterfertigt habe, sei der Exekutionsantrag abzuweisen. Selbst aus der nachträglich von der Betreibenden vorgelegten Urkunde gehe ‑ mangels Benennung auch nur irgendeines Namens ‑ hervor, dass der hier Unterfertigende zur Ausstellung des Rückstandsausweises namens des Bürgermeisters befugt gewesen sei.

Der Revisionsrekurs der Betreibenden, mit dem sie die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Exekutionsbewilligung anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs werden Rückstandsausweise als Auszüge aus den Rechnungsbehelfen, mit denen die Behörde den Stand der offenen Zahlungsverbindlichkeiten eines Beitrags‑ oder Abgabenschuldners bekannt gibt, definiert (RIS‑Justiz RS0084049; RS0053380 [T3]). Es kommt ihnen keine Bescheidqualität zu, sodass auch keine Rechtskraft eintreten kann (RIS‑Justiz RS0053380, RS0037038).

Bei der Bewilligung der Exekution aufgrund eines Exekutionstitels im Sinn des § 1 Z 13 EO hat das Exekutionsgericht die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung des Exekutionstitels nicht zu überprüfen (RIS‑Justiz RS0000210). Es ist auch nicht Sache des Exekutionsgerichts, die Gesetzmäßigkeit und Richtigkeit eines von der Finanzbehörde erlassenen Rückstandausweises zu überprüfen, sofern dieser den formellen Erfordernissen entspricht (RIS‑Justiz RS0000082, RS0000192). Wohl aber hat das Gericht zu prüfen, ob der betreibende Gläubiger zur Ausstellung eines Rückstandsausweises für die betriebene Forderung berechtigt ist und ob der Rückstandausweis neben den allgemeinen Anforderungen an einen Exekutionstitel (§ 7 Abs 1 EO) auch den nach der für diesen Rückstandsausweis in Betracht kommenden Norm vorgeschriebenen Inhalt hat (3 Ob 152/12t mwN). Das Erfordernis der Zergliederung der Abgabenschuld verlangt eine Aufschlüsselung der einzelnen Abgabenforderungen nach Jahren (3 Ob 152/12t mwN). Die erforderlichen Angaben müssen im Rückstandsausweis selbst enthalten sein; es genügt nicht, wenn sie sich bloß aus dem Exekutionsantrag oder aus anderen Urkunden ergeben, die dem Exekutionsantrag angeschlossen sind ( Jakusch in Angst EO 2 § 1 Rz 79 mwN). Auch wenn Rückstandsausweisen keine Bescheidqualität zukommt, ist von ihnen in vergleichbarer Weise zu fordern, dass eindeutig erkennbar ist, welcher Rechtsträger den Rückstandsausweis erlassen hat. Nur so lässt sich verlässlich prüfen, ob dem betreibenden Gläubiger die von ihm in Anspruch genommene Berechtigung aufgrund des Exekutionstitels zukommt.

Die Beurteilung des konkreten Rückstandsausweises als von einer bestimmten Behörde für einen bestimmten Rechtsträger ausgestellt (oder die fehlende Eindeutigkeit der Urkunde) geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus. Die hier vom Rekursgericht angenommene Unklarheit des Exekutionstitels bildet keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Im Übrigen entspricht der vom Rekursgericht angelegte strenge Maßstab der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, der zur Beurteilung der Frage, welcher Stelle ein behördlicher Spruch zuzurechnen ist, auf das äußere Erscheinungsbild der Urkunde und objektive Gesichtspunkte abstellt und Eindeutigkeit und Klarheit fordert (VwGH 2012/05/0207; 2008/07/0229; 95/12/0367 mwN).

Wenn nicht einmal feststeht, welche Behörde für welchen Rechtsträger den Bescheid erlassen hat, erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob der Nachweis der Vertretungsmacht der unterfertigenden Person im Rückstandsausweis selbst notwendig ist oder nicht. Auf einen allfälligen Widerspruch der hiezu geäußerten Rechtsansicht des Rekursgerichts zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl RIS‑Justiz RS0060666) kommt es daher nicht an.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

Infolge der grundsätzlichen Einseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens nach der EO (RIS‑Justiz RS0116198) stehen der Verpflichteten für ihre zwar nicht unzulässige (RIS‑Justiz RS0118686 [T11]), aber nicht zweckentsprechende (RIS‑Justiz RS0118686 [T12]) Revisionsrekursbeantwortung Kosten nicht zu (jüngst: 3 Ob 97/14g mwN).

Stichworte