European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00020.15Z.0224.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 447,98 EUR (darin enthalten 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Über das Vermögen einer GmbH wurde am 20. 9. 2013 der Konkurs eröffnet. Der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt. Die GmbH war (Mit‑)Mieterin eines Geschäftslokals. 2009 hatte sie dem Vermieter ein, bei der Rechtsvorgängerin der beklagten Bank eröffnetes Sparbuch mit einem Guthabensstand von 5.000 EUR als Kaution übergeben. Es handelte sich um ein Sparbuch ohne Losungswort, das auf den Namen der GmbH lautete. Während des Konkursverfahrens wurde das Mietverhältnis einvernehmlich aufgelöst. Der Vermieter folgte das Sparbuch am 29. 10. 2013 an den Kläger aus. Die Beklagte rechnete mit ihrer im Konkurs anerkannten Insolvenzforderung von 128.136,06 EUR gegen den Auszahlungsanspruch auf und verweigerte deshalb die vom Kläger geforderte Realisierung des Sparbuchs.
Die Vorinstanzen sahen den Anspruch auf Ausfolgung des Sparguthabens als berechtigt an. Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil die Rückzession eines Anspruchs des Insolvenzschuldners, demgegenüber der Insolvenzgläubigerin kein Gutglaubensschutz zukomme, an diesen nach Insolvenzeröffnung bisher noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung zum Aufrechnungsverbot des § 20 Abs 1 IO gewesen sei.
Die Revision der beklagten Partei ist entgegen diesem nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Nicht umstritten ist die Rechtsansicht, dass das auf den Namen der GmbH lautende Sparbuch ohne Losungswort ein Rektapapier ist und die Aufrechnung gegen den Auszahlungsanspruch des Berechtigten nicht grundsätzlich unzulässig ist (4 Ob 170/11w = ÖBA 2012/1826 [ Apathy ] = EvBl 2012, 718 [ Borth‑Böhler ]).
1.1 Solche Rektapapiere werden im Gegensatz zu Inhaberpapieren nicht durch Übergabe, sondern durch Zession übertragen (RIS‑Justiz RS0010938). Das Sparbuch, das die ‑ Jahre später in Konkurs verfallene ‑ GmbH ihrem Vermieter übergab, sollte dessen allfällige künftige Forderungen sichern (RIS‑Justiz RS0011279; vgl RS0011288). Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs qualifiziert die Hinterlegung einer Kaution durch den Mieter entweder als Verpfändung oder als Sicherungszession (1 Ob 176/13h mwN).
1.2 Dieser Unterschied ist für das Wirksamkeitsfordernis des ausreichenden Publizitätsakts ohne Belang. Auch bei einer Sicherungszession sind nach Judikatur und Lehre die Publizitätsbestimmungen der Pfandbestellung einzuhalten (RIS‑Justiz RS0011386; Lukas in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 1392 Rz 15; Neumayr in KBB 4 § 1392 ABGB Rz 7 je mwN). Als Publizitätsakt wird entweder ein Vermerk in den Geschäftsbüchern des Verpfänders oder die Verständigung des Drittschuldners gefordert ( Lukas aaO; Neumayr aaO je mwN).
1.3 Behauptungs- und beweispflichtig für die Unwirksamkeit einer Sicherungszession ist der Zessus ( Lukas aaO Rz 22 mwN). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass der beklagte Zessus die Unwirksamkeit einer Sicherungszession als Folge eines nicht ausreichenden Publizitätsakts behaupten muss (1 Ob 406/97f = ÖBA 1999; 382 [krit zu dieser Beweislast in Fragen der Aktivlegitmation Karollus , ÖBA 1999, 334).
1.4 Die Beklagte hat sich weder in erster Instanz noch in der Berufung auf die Verletzung des Publizitätserfordernisses berufen. Ihre Ausführungen in der Revision zu diesem Thema verstoßen gegen das Neuerungsverbot. Grundsätzlich ist daher hier von einer wirksamen Sicherungs‑ und ausschließenden Rückzession der Sparbuchforderung auszugehen.
2. Die Bestimmungen über die Aufrechnung im Konkursverfahren sind zwingend (3 Ob 300/98h = SZ 73/145 = RIS‑Justiz RS0064236 [T2]). Eine Aufrechnung, die nach § 20 Abs 1 IO unzulässig ist, hat der Masse gegenüber keine Wirkung (RIS‑Justiz RS0064236).
2.1 § 20 Abs 1 Satz 1 IO verbietet die Aufrechnung, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schuldner der Insolvenzmasse geworden oder wenn die Forderung gegen den Schuldner erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben worden ist. Relevant ist hier der erste Fall.
2.2 Lehre und Judikatur stellen für die Aufrechenbarkeit auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab. Zu diesem Zeitpunkt müssen einander die Forderungen aufrechenbar gegenübergestanden haben (RIS‑Justiz RS0064363; RS0064346; vgl RS0051612; Schubert in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze §§ 19, 20 KO Rz 22 ff; Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger 4 § 20 Rz 4). Dass es sich um bedingte oder betagte Forderungen handelte, schadet nach § 19 Abs 2 Satz 1 IO nicht.
2.3 Der Oberste Gerichtshof hat bereits (obiter) ausgesprochen, dass § 20 Abs 1 Satz 1 erster Fall KO (jetzt: IO) einer Aufrechnung durch einen Konkursgläubiger entgegensteht, wenn dieser erst nach der Eröffnung des Konkursverfahrens durch die Rückzession einer vor diesem Zeitpunkt durch den Gemeinschuldner zedierten Forderung wieder Schuldner der Konkursmasse geworden ist (8 Ob 558/91).
2.4 Im vorliegenden Fall fehlte zum für die Aufrechenbarkeit maßgeblichen Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens die Gegenseitigkeit: Der Auszahlungsanspruch gegen die beklagte Bank und Insolvenzgläubigerin stand damals dem Vermieter und Sicherungszessionar (nach außen) als Vollrecht zu (RIS‑Justiz RS0032597; 6 Ob 662/78 = SZ 51/121 = RIS‑Justiz RS0032535; Lukas aaO Rz 13).
2.5 Eine Zession soll nach Lehre und Judikatur die Rechtsstellung des Zessus nicht verschlechtern. Aus diesem Grund darf er auch gegen den Zessionar mit Forderungen gegen den Zedenten aufrechnen, wenn diese bis zu seiner Verständigung von der Abtretung bereits dem Grunde nach entstanden sind (RIS‑Justiz RS0032793 [T2]; 1 Ob 638/95 = SZ 69/57; Holly in Kletečka/Schauer aaO § 1442 Rz 3 f; Haidinger in Schwimann ³ § 1442 ABGB Rz 4; Griess in KBB 4 § 1442 Rz 1). Die differenzierende Beurteilung im Schrifttum zu konnexen Forderungen (siehe nur Holly aaO Rz 4; Haidinger aaO Rz 5 je mwN) sowie zur Abtretung künftiger Forderungen ( Holly aaO Rz 7, Haidinger aaO Rz 7 je mwN) wäre für den vorliegenden Fall ohne jede Bedeutung. Die Abtretung der Forderung aus dem Sparbuch als Rektapapier (Auszahlungsanspruch bei Vorlage und Identifizierung), welcher der GmbH gegen die beklagte Bank und spätere Insolvenzgläubigerin zustand, an ihren Vermieter zur Sicherung dessen Forderungen aus dem Bestandverhältnis, ist keine Abtretung künftiger Forderungen. Mit der Abtretung sollten ja nur künftige Forderungen des Vermieters gesichert werden. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Insolvenzforderung der beklagten Bank, mit der sie gegenüber der Masse aufrechnen will, unmittelbar mit der abgetretenen Hauptforderung zusammenhängt, also konnex ist.
2.6 Einziges Argument der Beklagten ist die befürchtete Möglichkeit von Missbräuchen ‑ wie etwa durch die kurzfristige Begebung von Sparbüchern ‑, sollte das bereits von den Vorinstanzen herangezogene Aufrechnungsverbot ihrer Aufrechnung entgegenstehen. Anhaltspunkte für den befürchteten Missbrauch gibt es gerade im vorliegenden Fall nicht: Die Revisionswerberin geht selbst davon aus, dass die GmbH zur Leistung einer Kaution an ihren Vermieter verpflichtet war. Die Übergabe des Kautionssparbuchs erfolgte im Jahr 2009, der Konkurs über das Vermögen der Mieterin wurde erst 2013 eröffnet. Nach einvernehmlicher Auflösung des Mietverhältnisses während des Insolvenzverfahrens war der Vermieter verpflichtet, der ehemaligen Mieterin die Kaution wieder auszufolgen, wenn er keine offenen Forderungen gegen sie hatte. Für eine kurzfristige Begebung von Sparbüchern ausschließlich zu dem Zweck, einer Bank die Aufrechnungseinrede „abzuschneiden“, gibt es kein Indiz. Dass sie von der Sicherungszession nie verständigt wurde, behauptete die beklagte Partei weder im erstinstanzlichen Vorbringen noch (konkret) in der Revision. Auch lässt sie offen, zu welchem Zeitpunkt ihre Insolvenzforderung zumindest dem Grunde nach entstanden ist. Es ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs abstrakte Rechtsfragen zu lösen. Das gilt auch im vorliegenden Fall, in dem sich eine Insolvenzgläubigerin in der Revision gegen das Aufrechnungsverbot des § 20 Abs 1 Satz 1 erster Fall IO wendet, ohne dieses mit tauglichen Gegenargumenten zur Aufrechnungslage zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entkräften.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.
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