European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00021.14Y.0218.000
Spruch:
1. Die Bezeichnung der zu II. erstklagenden Partei wird von „W***** GmbH & Co KG“ auf „W***** GmbH“ berichtigt.
2. Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 3.789,36 EUR (darin 631,56 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen anteilig wie folgt zu ersetzen:
a) die zu I. klagende Partei 511,56 EUR (darin 85,26 EUR USt);
b) die zu II. erstklagende Partei 814,71 EUR (darin 135,79 EUR USt);
c) die zu II. zweitklagende Partei 322,10 EUR (darin 53,68 EUR USt);
d) die zu II. drittklagende Partei 1.364,17 EUR (darin 227,36 EUR USt);
e) die zu II. viertklagende Partei 776,82 EUR (darin 129,47 EUR USt).
Text
Begründung
Zu 1.:
Aus dem offenen Firmenbuch ergibt sich, dass aufgrund des Einbringungsvertrags vom 29. 9. 2014 die bisherige Komplementärin der zu II. ursprünglich erstklagenden GmbH & Co KG alle Mitunternehmeranteile übernommen hat. Die „Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB“ sowie die Auflösung und Löschung der GmbH & Co KG wurde am 11. 11. 2014 sowohl bei dieser (FN *****) als auch bei der übernehmenden Gesellschaft (FN *****), die gleichzeitig ihre Firma auf W***** GmbH änderte, im Firmenbuch eingetragen. Aufgrund der damit eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge ist die Parteibezeichnung gemäß § 235 Abs 5 ZPO von Amts wegen zu berichtigen (vgl 3 Ob 211/09i; RIS‑Justiz RS0039306).
Zu 2.:
Die klagenden Parteien betreiben in Oberösterreich (I.) und Niederösterreich (II.) Windkraftanlagen. Sie speisen ihren Strom in ein Verteilernetz ein, das dem von der beklagten Partei als Regelzonenführerin gebildeten Regelzonenbereich zugeordnet ist. Zwischen den Streitteilen bestehen keine vertraglichen Vereinbarungen über den Netzzugang. Für die Bereitstellung der Systemdienstleistung verrechnete die beklagte Partei den klagenden Parteien Systemdienstleistungsentgelte auf Basis der in der jeweils geltenden Systemnutzungs‑Verordnung (SNT‑VO) enthaltenen Tarife. Die klagenden Parteien zahlten die ihnen vorgeschriebenen Beträge unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass die jeweils zugrundeliegende SNT‑VO als verfassungswidrig aufgehoben werden sollte.
Der Verfassungsgerichtshof stellte ua aus Anlass eines vom Erstgericht beantragten Verfahrens zur Prüfung der SNT-VO mit Erkenntnis vom 21. 6. 2011, G 3‑5/11, fest, dass § 25 Abs 1 Z 1 („Netznutzungsentgelt“) und Z 3 („Netzverlustentgelt“), § 25 Abs 4 und § 25 Abs 12 ElWOG 1998 idF BGBl I 121/2000 wegen Widerspruchs gegen das Determinierungsgebot des Art 18 B‑VG verfassungswidrig waren. Aufgrund zahlreicher von Erstgerichten gestellter Verordnungsprüfungsanträge hob der Verfassungsgerichtshof in weiterer Folge mit Erkenntnis vom 27. 9. 2011, V 59/09 ua, die SNT‑VO 2009, die SNT‑VO 2010 sowie die SNT‑VO 2011 infolge des Wegfalls der Bestimmung des § 25 Abs 4 ElWOG 1998 zur Gänze als gesetzwidrig auf.
Die klagenden Parteien begehrten die Rückzahlung der von ihnen für die Jahre 2009 bis 2011 an die beklagte Partei geleisteten Beträge auf das vorgeschriebene Systemdienstleistungsentgelt, wobei sie ihre Ansprüche zuletzt mit 95.767,17 EUR (zu I. klagende Partei), 143.565,38 EUR (zu II. erstklagende Partei), 57.564,69 EUR (zu II. zweitklagende Partei), 242.558,17 EUR (zu II. drittklagende Partei) und 138.963,98 EUR (zu II. viertklagende Partei) jeweils sA bezifferten.
Die beklagte Partei vertrat den Standpunkt, der bloße Wegfall einer Tarifverordnung bedeute noch nicht, dass die Aufwendungen der beklagten Partei von ihr selbst zu tragen seien. § 25 Abs 14 ElWOG 1998, aus dem eine unmittelbare Zahlungspflicht der klagenden Parteien abzuleiten sei, sei vom aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs unberührt geblieben. Die beklagte Partei wandte gegen die Klagsforderungen aufrechnungsweise auch noch Gegenforderungen ein.
Das Erstgericht erkannte die Klagsforderungen als zu Recht, die eingewendeten Gegenforderungen hingegen als nicht zu Recht bestehend und gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines (rechtskräftig abgewiesenen) Zinsenmehrbegehrens statt.
Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht verwarf die Berufung wegen Nichtigkeit (und bestätigte damit die Verwerfung der beklagtenseits erhobenen Prozesseinrede der Rechtswegunzulässigkeit durch das Erstgericht), änderte im Übrigen die angefochtene Entscheidung jedoch dahin ab, dass es mit Teilurteil das Klagebegehren im Umfang von 27.680,49 EUR (zu I. klagende Partei), 36.433,01 EUR (zu II. erstklagende Partei), 14.556,84 EUR (zu II. zweitklagende Partei), 62.525,78 EUR (zu II. drittklagende Partei) und 35.112,12 EUR (zu II. viertklagende Partei) jeweils sA abwies. Im Übrigen, also hinsichtlich restlicher 68.086,68 EUR (zu I. klagende Partei), 107.132,37 EUR (zu II. erstklagende Partei), 43.007,85 EUR (zu II. zweitklagende Partei), 180.032,39 EUR (zu II. drittklagende Partei) und 103.851,86 EUR (zu II. viertklagende Partei) jeweils sA, hob das Berufungsgericht mit Beschluss das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Zu seinem Teilurteil sprach es aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Hingegen ließ es gegen den Aufhebungsbeschluss den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.
Das Berufungsgericht begründete das Teilurteil damit, dass sich die Anlassfallwirkung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs V 59/09 ua auf die jeweils konkret angefochtene SNT‑VO beschränke. Da das Erstgericht ein Verfahren zur Überprüfung auch der SNT‑VO 2010 idF der Novelle 2011 nicht eingeleitet habe, sei diese im konkreten Fall anzuwenden. Hinsichtlich der für das Jahr 2011 geleisteten Zahlungen seien die Klagebegehren daher unbegründet.
Allerdings seien die SNT‑VO 2006 idF der Novelle 2009 und die SNT‑VO 2010 infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs nicht anwendbar. Dies schließe aber nicht aus, dass der beklagten Partei auf anderer Rechtsgrundlage ein Entgeltanspruch gegenüber den klagenden Parteien für die als Regelzonenführerin erbrachten Systemdienstleistungen zustehe. Eine taugliche Rechtsgrundlage für einen zivilrechtlichen Anspruch auf Abgeltung der mit der Erbringung dieser Dienstleistungen verbundenen Aufwendungen sei § 25 Abs 14 ElWOG 1998, der vom Verfassungsgerichtshof nicht aufgehoben worden sei. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, welche Aufwendungen der beklagten Partei für die Bereitstellung von Systemdienstleistungen auf die klagenden Parteien entfielen.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem auf § 25 Abs 14 ElWOG 1998 gegründeten zivilrechtlichen Anspruch auf Abgeltung für die vom Regelzonenführer erbrachten Systemdienstleistungen existiere.
Das zweitinstanzliche Teilurteil blieb unbekämpft, sodass die davon umfassten Teilabweisungen in Rechtskraft erwachsen sind.
Rechtliche Beurteilung
Der von den klagenden Parteien gegen den Aufhebungsbeschluss erhobene Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (RIS‑Justiz RS0043685) nicht zulässig. Die als bedeutsam erachtete Rechtsfrage wurde mittlerweile in mehreren höchstgerichtlichen Entscheidungen im Sinne der Rechtsansicht des Berufungsgerichts geklärt:
1. Der Oberste Gerichtshof gelangte in der ausführlich begründeten Entscheidung 8 Ob 96/13w bei ‑ soweit wesentlich ‑ identer Sachlage zu dem Ergebnis, dass nach Aufhebung der „Generalklausel“ des § 25 Abs 4 ElWOG 1998 und der Aufhebung der SNT‑VO für die Jahre 2009 bis 2011 mangels vertraglicher Rechtsbeziehung zwischen den Elektrizitätsunternehmern und dem Regelzonenführer § 25 Abs 14 ElWOG 1998 eine geeignete Grundlage für den Anspruch des Regelzonenführers auf Ersatz seiner Aufwendungen für Systemdienstleistungen gegenüber den Erzeugern ist. Den vom 8. Senat aufgestellten Grundsätzen ist der 6. Senat in zwei weiteren Entscheidungen gefolgt, sodass vom Vorliegen einer bereits gefestigten Rechtsprechung auszugehen ist (vgl 6 Ob 181/13f; 6 Ob 110/14s; RIS‑Justiz RS0129470).
2. Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlasst, von dieser Rechtsprechung wieder abzugehen, zumal sich der 8. Senat in der erwähnten Leitentscheidung mit den auch im vorliegenden Rechtsmittel (von derselben Anwaltssozietät) relevierten Argumenten bereits eingehend auseinandergesetzt hat:
2.1 So wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Heranziehung des § 25 Abs 14 ElWOG 1998 als taugliche Grundlage für den Anspruch der (auch hier) beklagten Partei auf Ersatz der mit der Systemdienstleistung verbundenen Aufwendungen weder der Systematik des Gesetzes noch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Fällen einer subsidiären vertraglichen Grundlage (RIS‑Justiz RS0128445) widerspricht (vgl 8 Ob 96/13w Punkt V. und VI.).
2.2 Auch die ‑ im Rekurs der klagenden Parteien wiederholten ‑ verfassungsrechtlichen Bedenken wurden nicht geteilt:
Eine Verletzung des aus dem Legalitätsprinzip abgeleiteten Bestimmtheitsgebots (Art 18 Abs 1 B‑VG) vermochte der 8. Senat ebenso wenig zu erkennen (8 Ob 96/13w Punkt VIII.1), wie einen Mangel der sachlichen Rechtfertigung der Heranziehung (nur) der „Einspeiser“ zur Deckung des Aufwands (8 Ob 96/13w Punkt VIII.2), oder einen in der Schaffung einer „doppelten Behördenzuständigkeit“ für den maßgeblichen Zeitraum erblickten Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter (8 Ob 96/13w Punkt VIII.3). Auch wurde eine unzulässige Einschränkung der Anlassfallwirkung verneint und der (auch hier erhobene) Einwand der (dortigen) klagenden Parteien, es werde ihnen durch die beanstandete Vorgangsweise die Möglichkeit der Bekämpfung behördlich festgesetzter Tarife genommen, als „nicht nachvollziehbar“ erachtet (8 Ob 96/13w Punkt VIII.4).
2.3 Schließlich vermochten auch die ‑ hier abermals ins Treffen geführten ‑ unionsrechtlichen Erwägungen der (dortigen) klagenden Parteien nicht zu überzeugen (8 Ob 96/13w Punkt X.):
2.3.1 In diesem Zusammenhang räumte der 8. Senat zwar ein, es könne zweifelhaft sein, ob der Vorgabe des Art 20 Abs 1 der mittlerweile aufgehobenen Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. 6. 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt, „Dritten“ den Zugang zu den Übertragungs- und Verteilernetzen auf Grundlage veröffentlichter Tarife zu ermöglichen, was nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs C‑239/07, Sabatauskas, auch für „Einspeiser“ gelte, mit einer Bestimmung nach dem „verbundenen Aufwand“ iSd § 25 Abs 14 ElWOG 1998 entsprochen wäre. Gleichzeitig betonte er aber, dass sich diese Art der Festlegung hier nur in einer Übergangsphase aus dem Ergebnis der Einräumung eines Rechtsschutzes gegen die Festlegung der Tarife ergibt und die Einräumung eines effektiven Rechtsschutzes aller Betroffenen (Netzbetreiber und „Einspeiser“) regelmäßig dazu führen wird, dass vor der abschließenden Überprüfung der Tarife durch die zuständigen Gerichte eine absolut sichere Orientierung an den Tarifen nicht möglich ist.
2.3.2 Im Übrigen wurde klargestellt, dass
‑ sich die (dort) klagenden Parteien im „horizontalen Verhältnis“ zur beklagten Partei nicht zu deren Lasten auf Richtlinienvorgaben stützen können (so bereits 8 Ob 29/13t; RIS‑Justiz RS0111214),
‑ eine richtlinienkonforme Interpretation des nationalen Rechts nicht zu einer grundlegenden Änderung des normativen Gehalts der nationalen Regelungen führen darf (RIS‑Justiz RS0114158), was aber der Fall wäre, wenn entgegen der klaren Anordnung des Gesetzes überhaupt kein Anspruch auf Ersatz der „verbundenen Aufwendungen“ zuerkannt werden würde, und
‑ eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie schon mangels Festlegung eines für die individuelle Anwendung ausreichend bestimmten Anspruchs (RIS‑Justiz RS0111917) nicht in Frage kommt.
3. An diesen Rechtsausführungen ist festzuhalten. Die im Rekurs der klagenden Parteien enthaltene Anregung auf Einleitung eines ‑ wie im Verfahren 8 Ob 96/13w nicht näher präzisierten ‑ Vorabentscheidungsersuchens, in eventu auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof, ist deshalb auch im vorliegenden Verfahren nicht aufzugreifen.
4. Da es der Klärung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedurfte, ist der Rekurs als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO (vgl 2 Ob 236/13i; RIS‑Justiz RS0123222). Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Die klagenden Parteien haften analog § 46 Abs 1 ZPO jeweils nur entsprechend ihrem Anteil am Rekursinteresse (vgl 2 Ob 195/09d; 2 Ob 186/10g).
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