OGH 4Ob7/15f

OGH4Ob7/15f17.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Schanda und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. November 2014, GZ 5 R 59/14d‑9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Der beklagte Verein für Konsumenteninformation organisierte eine sogenannte Energieanbieter-wechselkampagne, die Bewegung in den Energiemarkt bringen und die die Strom‑ und Gasanbieter zu einer Senkung der Energiepreise bewegen sollte. Jene Energieanbieter, die sich an dieser Aktion beteiligten, legten Angebote für Strom‑ oder Gasverträge. Mehr als 260.000 angemeldete Konsumenten zeigten sich an der Kampagne interessiert. Die beklagte Partei verständigte den Großteil dieser Teilnehmer vom Gastarif des „Bestbieters“ unter Bekanntgabe der möglichen Ersparnis bei einem Tarifwechsel.

Die klagende Partei, die ‑ als Konkurrent des Bestbieters ‑ für Privat‑ und Geschäftskunden Erdgas anbietet und an der Aktion nicht teilnahm, warf dem beklagten Verein in ihrer auf Lauterkeitsrecht gestützten Klage irreführende und unvollständige Angaben über die Tarifberechnung und die mögliche Ersparnis vor.

Das Rekursgericht wies in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung den zur Sicherung eines Unterlassungsbegehrens gestellten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung ab, dass die beklagte Partei nicht im geschäftlichen Verkehr gehandelt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO unzulässig. Die Beurteilung des Rekursgerichts ist durch die Rechtsprechung zum Begriff des Handelns im geschäftlichen Verkehr gedeckt.

1. Der beklagte Verein wird selbst nicht wirtschaftlich tätig und könnte daher allenfalls wegen der Förderung fremden Wettbewerbs in Anspruch genommen werden. Wegen des generellen Wegfalls der Wettbewerbsabsicht als Tatbestandsmerkmal des § 1 UWG durch die UWG‑Novelle 2007 kommt es nach der ständigen Rechtsprechung nicht mehr auf die Absicht an, fremden Wettbewerb zu fördern, sondern auf die Eignung, sofern nicht bei objektiver Betrachtung eine andere Zielsetzung eindeutig überwiegt (4 Ob 40/11b; 4 Ob 165/11k; 4 Ob 76/12y; 4 Ob 94/14y; RIS‑Justiz RS0126548; RS0123244 [T1]; RS0077619 [T20]; Heidinger in Wiebe/Kodek , UWG 2 § 1 Rz 91; vgl für den Bereich einer Markenverletzung auch 17 Ob 19/10h). Ein solches Überwiegen anderer Zwecke wurde insbesondere bei der Erfüllung typischer Aufgaben der öffentlichen Hand (4 Ob 40/11b) oder auch dann angenommen, wenn ein Verein (Verband) Angebote von dritten Unternehmen im Interesse der eigenen Mitglieder bewertete (4 Ob 171/11t; 4 Ob 222/11t). In solchen Fällen scheitert ein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch am fehlenden Handeln im geschäftlichen Verkehr, dies ungeachtet der als bloßer Reflex zu wertenden faktischen Förderung des Wettbewerbs einzelner Anbieter (4 Ob 222/11t ua).

2.1 Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass die beklagte Partei mit der Aktion ‑ ihrem statutarischen gemeinnützigen Zweck entsprechend ‑ die wirtschafts- und sozialpolitischen Interessen ihrer Mitglieder (= Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Österreichischer Gewerkschaftsbund und Republik Österreich; vgl das Impressum auf http://www.konsument.at/ ) und der österreichischen Konsumenten an niedrigen Energiepreisen verfolgt habe, sodass diese Zielsetzung gegenüber der mit der Aktion verbundenen Förderung des Bestbieters eindeutig überwogen habe, hält sich im Rahmen der referierten Judikatur. Diese Rechtsansicht stellt keine vom Obersten Gerichtshof zu lösende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar, zumal es von den Umständen des Einzelfalls abhängt, ob ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vorliegt (vgl 4 Ob 38/12k).

2.2 Das Rekursgericht ist jedenfalls vertretbar davon ausgegangen, dass die beklagte Partei kein (eigenes) Interesse am wirtschaftlichen Erfolg einzelner Energieanbieter hat. Das korrespondiert auch mit dem auf den Verbraucherschutz und damit auf das öffentliche Interesse (vgl 1 Ob 54/06g) ausgerichteten Vereinszweck der beklagten Partei. Ihre verbraucherorientierte und gemeinnützige Ausrichtung ist aus ihren Statuten, aber auch aus den gesetzlich eingeräumten Klags‑ (§ 14 Abs 1 UWG, § 29 Abs 1 KSchG, § 85a Abs 2 Arzneimittelgesetz, § 113 Abs 2 Luftfahrtgesetz) bzw Beschwerdebefugnissen (§ 36 Abs 1 Z 2 lit d ORF‑Gesetz; § 61 Abs 1 Z 5 Audiovisuell Mediendienste‑Gesetz), den durch Gesetz oder Verordnung bei der Wahrnehmung von Verbraucherinteressen normierten Aufgaben bzw Informationsansprüchen (§ 73 Abs 2 GewO; § 178g Abs 1 VVG; § 3 Preistransparenzverordnung Treibstoffpreise 2011; § 10 Verordnung über Standes‑ und Ausübungsregeln für Immobilienmakler; § 10 Verordnung über Standes‑ und Ausübungsregeln für Personalkreditvermittler) sowie der ex lege angeordneten Teilnahme an bestimmten Gremien (§ 167 Abs 1 Z 16 PatentG; § 6 Abs 6 Z 13 Akkreditierungsgesetz 2012; § 16 Abs 3 Elektrotechnikgesetz 1992; § 19 Abs 3 Z 4 E‑ControlG; § 77 Abs 2 lit l LMSVG; § 20 Abs 2 Z 9 PSG) und aus der Mitgliederstruktur der beklagten Partei abzuleiten.

2.3 Bei der Beurteilung des (fehlenden) Interesses der beklagten Partei an der Förderung des Bestbieters orientierte sich das Rekursgericht an der zu neutralen Produktvergleichen ergangenen Rechtsprechung des erkennenden Senats (4 Ob 171/11t; 4 Ob 222/11t; vgl auch 4 Ob 165/11k). Entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs ist diese Judikatur auch für den hier zu beurteilenden Fall einschlägig, zumal die aus einem Produktvergleich resultierende faktische Förderung des Testsiegers durchaus mit den positiven Effekten der Energieanbieterwechselkampagne für den Bestbieter zu vergleichen ist. Das von der beklagten Partei im Anlassfall durchgeführte Bieterverfahren zur Ermittlung des günstigsten Angebots führte ja im Ergebnis zu einem ‑ vom Lauterkeitsrecht nach der referierten Rechtsprechung nicht erfassten ‑ Produktvergleich der sich an der Kampagne beteiligenden Anbieter. Dass sich an diesen Produktvergleich sodann noch Aufforderungen der Beklagten an die teilnehmenden Verbraucher angeschlossen haben, nunmehr den Anbieter zu wechseln, ändert am Gesamtcharakter der Kampagne und deren überwiegend wettbewerbsfremder Zielsetzung nichts.

2.4 Die klagende Partei vermag mit ihrem Hinweis auf die Beteiligung eines unternehmerischen Kooperationspartners an der Kampagne keine Fehlbeurteilung des Rekursgerichts aufzuzeigen, die einer höchstgerichtlichen Korrektur bedarf. Die vom Rekursgericht als überwiegende Zielsetzung qualifizierte Verfolgung von Verbraucherinteressen wird nämlich nicht durch den Umstand relativiert, dass sich der beklagte Verein bei der logistischen Umsetzung der Kampagne der Unterstützung Dritter bediente. Auch die Förderung des Wettbewerbs des Kooperationspartners kann daher vertretbar als bloßer Reflex der Kampagne beurteilt werden.

3.1 Für die Einholung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Europäischen Gerichtshof zu Art 3 Abs 1 iVm Art 2d der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (RL‑UGP) besteht kein Anlass, zumal der erkennende Senat die richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs „Handeln im geschäftlichen Verkehr“ für hinreichend klar erachtet. Der vom Rekursgericht hervorgehobene Erwägungsgrund 7 RL‑UGP, wonach sich diese Richtlinie nicht auf Geschäftspraktiken bezieht, die vorrangig anderen Zielen dienen, deckt die unter Punkt 1 dargestellte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, an der sich das Rekursgericht jedenfalls vertretbar orientiert hat.

3.2 Dem widerspricht auch nicht die Entscheidung des EuGH vom 3. 10. 2013, Rs C‑59/12, BKK Mobil Oil Körperschaft des öffentlichen Rechts/Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. , in der ausgesprochen wurde, dass eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die mit einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe wie der Verwaltung eines gesetzlichen Krankenversicherungssystems betraut ist, in ihren persönlichen Anwendungsbereich fällt. Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass eine als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte gesetzliche Krankenkasse des deutschen Rechtssystems ihren Versicherungsnehmern gegenüber wirtschaftlich tätig ist und daher als „Gewerbetreibende“ im Sinne des RL‑UGP zu qualifizieren ist. Eine solche wirtschaftliche Tätigkeit der beklagten Partei zeigt die klagende Partei aber nicht auf.

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