OGH 4Ob76/12y

OGH4Ob76/12y10.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hubert Simon, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Ruggenthaler, Rest & Borsky Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 28.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 4.100 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2012, GZ 3 R 27/11d-40, mit welchem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 5. Jänner 2011, GZ 22 Cg 105/07w-32, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben, und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Medieninhaberin der monatlich erscheinenden Wohnzeitschrift „H.*****“. Sie ist Mitglied des beklagten Vereins, der insbesondere die jährliche „Media-Analyse“ durchführt. Mitglieder des Beklagten können nach den Statuten „physische oder juristische Personen sein, die einen Werbeträger oder eine Werbeagentur, Werbungsmittlung oder Werbeberatung betreiben“.

Bei der Media-Analyse handelt es sich um die größte Untersuchung über das Mediennutzungsverhalten der österreichischen Bevölkerung. Für Medieninhaber und Verlage ist es beim Verkauf von Anzeigenflächen ein wesentliches Kriterium, möglichst hohe Reichweiten ihrer Medien (Werbeträger) behaupten zu können. Zur Erhebung der Reichweiten lässt der Beklagte Interviews mit Medienkonsumenten durchführen. Durch Kontrollanrufe, Interviewbegleitung und statistische Auswertung überprüft der zuständige Ausschuss des Beklagten, ob die Interviewer die vorgegebenen Befragungen tatsächlich und richtig vornehmen. Der Beklagte unternimmt „alle Anstrengungen“, um korrekte Befragungsergebnisse zu erzielen und diese statistisch richtig auszuwerten. Er veröffentlicht die von ihm für die einzelnen Medien erhobenen Reichweiten, nicht aber Auflagenzahlen oder die Anzahl der Leser pro Exemplar (LpE). Da die Mitglieder des Beklagten nicht auch der ÖAK (Österreichische Auflagenkontrolle) angehören müssen, stehen nicht für alle in die Media-Analyse einbezogenen Medien gesicherte (geprüfte) Auflagenzahlen zur Verfügung.

Der Beklagte ermittelte 2006 unter anderem folgende Reichweiten:

- S*****: 315.000 Leser (4,6 %)

- W*****: 158.000 Leser (2,3 %)

- B*****: 169.000 Leser (2,4 %)

- H*****: 72.000 Leser (1,0 %)

Im Jahr 2006 hatte „S*****“ eine Druckauflage von 24.000 Exemplaren, wovon in Österreich etwa 17.000 Exemplare verbreitet wurden. Bei der vom Beklagten ermittelten Reichweite wären das rund 18 Leser pro Exemplar.

Der Beklagte übermittelt jenen Mitgliedern, deren Werbeträger Gegenstand der Media-Analyse sind, jährlich eine „Verpflichtungserklärung“, die unter anderem folgende Bestimmung enthält:

„Ich nehme zur Kenntnis, dass die für [das Medium des jeweiligen Mitglieds] erhobenen Daten in den Berichtsbänden ausgewiesen und zumindest die Totalwerte veröffentlicht werden. Über den Umfang und die Form dieser Ausweise bzw Veröffentlichungen entscheidet der Vereinsvorstand. Die Media-Analyse [...] wird aufgrund der von mir zur Kenntnis genommenen Analyse-Beschreibung („Inhalt und Organisation der Media-Analyse“) und der Vereinsstatuten durchgeführt.“

Die Klägerin hat seit 1996 solche Verpflichtungserklärungen unterfertigt.

Die Klägerin beantragt, dem beklagten Verein zu verbieten,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs von ihm erhobene Leserzahlen der Druckschriften „W*****“ und „S*****“ zu verbreiten und/oder zu veröffentlichen,

hilfsweise mit der Einschränkung, sofern die unter Zugrundelegung dieser Leserzahlen errechneten Leser-pro-Exemplar-Werte (LpE) nicht nachweislich unter zehn Lesern pro verbreitetem Exemplar lägen;

hilfsweise mit der Einschränkung, sofern die Empfänger der Untersuchungsergebnisse keinen Zugriff auf geprüfte Zahlen der in Österreich verbreiteten Auflage dieser Medien hätten;

hilfsweise mit der Einschränkung, sofern die Empfänger der Untersuchungsergebnisse keinen Zugriff auf geprüfte Zahlen der in Österreich verbreiteten Auflage dieser Medien haben und die unter Zugrundelegung dieser Leserzahlen errechneten Leser-pro-Exemplar-Werte (LpE) nicht nachweislich unter zehn Lesern pro verbreitetem Exemplar lägen.

Weiters beantragt die Klägerin die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung.

Der Beklagte weise aufgrund unzureichender Erhebungsmethoden unrealistisch hohe Reichweiten für die Kaufzeitschriften „W*****“ und „S*****“ aus, die auf Verwechslungen mit der in hoher Auflage erscheinenden Gratiszeitschrift „B*****“ beruhten. Es sei wissenschaftlich belegt, dass ein verbreitetes Exemplar einer Zeitung oder Zeitschrift im Durchschnitt von ein bis sieben Personen gelesen werde; öffentlich (etwa in Wartezimmern) ausgelegte Exemplare von bis zu elf Personen. Die von der Beklagten veröffentlichten Reichweiten ergäben für die Zeitschriften „S*****“ und „W*****“ deutlich höhere Leserzahlen, nämlich 14 bis 19 pro Exemplar. Zudem gebe es für diese Medien keine objektiv ermittelten Auflagezahlen, sodass eine methodisch einwandfreie Reichweitenermittlung von vornherein unmöglich sei. Mit der Veröffentlichung der Leserzahlen fördere der Beklagte den Wettbewerb der beiden Zeitschriften zu Lasten der Klägerin. Dabei handle es sich nicht um eine Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis nach § 8 Abs 1 VerG 2002, sondern um einen Anspruch nach dem UWG, der auch jedem anderen Mitbewerber unabhängig von einer Mitgliedschaft beim Beklagten zustünde.

Der beklagte Verein wendet ein, dass er nicht in Wettbewerbsabsicht gehandelt habe. Weiters sei er methodisch korrekt vorgegangen. Die Media-Analyse wende sich an die gesamte Werbewirtschaft. Die Adressaten wüssten, wie die Erhebung durchgeführt werde und welche Aussagekraft sie habe. Es sei nicht Aufgabe des Beklagten, Auflagezahlen festzustellen und zu verbreiten. Dies besorgten andere Institutionen, etwa der Verein ÖAK (Österreichische Auflagenkontrolle). Ein Erfolg der Klägerin zwänge den Beklagten zu einer Statutenänderung, wonach alle Mitglieder auch der ÖAK angehören oder ihre Auflagezahlen anderweitig prüfen lassen müssten. Eine solche Statutenänderung wäre gegenüber den Mitgliedern „sittenwidrig“ und daher unzulässig. Die Klägerin sei als Mitglied nach Art 5 Abs 2 der Statuten verpflichtet, die Interessen des beklagten Vereins zu fördern. Die für die Media-Analyse herangezogene Methode sei ihr bekannt. Seit zehn Jahren unterschreibe sie die diesbezügliche Verpflichtungserklärung und nutze die Ergebnisse für ihre eigene Werbung. Sie wisse, dass es für den Beklagten unmöglich sei, eine Verknüpfung zwischen den Angaben der befragten Leser über ihre Lesegewohnheiten und den Auflagezahlen der abgefragten Medien vorzunehmen.

Die Medieninhaberin der Zeitschrift „W*****“ trat dem Verfahren als Nebenintervenientin bei und erstattete ein umfangreiches Sachvorbringen. Mit Schriftsatz vom 18. September 2009 teilte sie dem Gericht jedoch mit, dass ihre Löschung im Firmenbuch unmittelbar bevorstehe. Damit scheide sie mangels Partei- und Prozessfähigkeit aus dem Verfahren aus. Sie werde keine Prozesshandlungen mehr setzen und habe auch keinen Anspruch auf Kostenersatz. Diese Erklärung ist als - wirksamer (4 Ob 193/09z = JBl 2010, 459 [Frauenberger-Pfeiler]) - Widerruf des Beitritts zu werten. Tatsächlich wurde die (frühere) Nebenintervenientin am 23. Oktober 2010 im Firmenbuch zufolge beendeter Liquidation gelöscht.

Die vom beklagten Verein zunächst bestrittene Zulässigkeit des Rechtswegs steht rechtskräftig fest (4 Ob 73/09b = ÖBl-LS 2009/288 [Gamerith] - Wohnzeitschrift H).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beklagte falsche Reichweiten der Zeitschriften „S*****“ und „W*****“ veröffentlicht habe. Der Beklagte bediene sich zur Erhebung der Reichweiten anerkannter Methoden. Darüber hinaus habe er eigene Ausschüsse eingerichtet, die die Richtigkeit und Objektivität seiner Erhebungen sicherstellen sollten. Die Klägerin habe durch die Abgabe der Verpflichtungserklärungen die Methoden des Beklagten regelmäßig zur Kenntnis genommen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die Klägerin stütze sich darauf, dass der Beklagte fremden Wettbewerb fördere. Dafür genüge die Eignung des Verhaltens zu Förderung fremden Wettbewerbs, sofern nicht bei objektiver Betrachtung eine andere Zielsetzung eindeutig überwiege. Letzteres treffe hier zu. Der beklagte Verein habe kein eigenes Interesse daran, dass die von ihm durchgeführte Media-Analyse für bestimmte Zeitschriften besonders günstige Reichweiten ausweise. Ebensowenig habe er ein Interesse am wirtschaftlichen Erfolg einzelner Zeitschriftentitel, und zwar unabhängig davon, ob deren Medieninhaber als Vereinsmitglied an der Media-Analyse teilnähmen oder nicht. Der Beklagte handle statutengemäß ausschließlich im Interesse seiner Mitglieder. Dass er dadurch faktisch den Wettbewerb einzelner Mitglieder fördere, sei ein bloßer Reflex davon. Zudem sei die Klägerin an die Vereinsstatuten gebunden. Danach würden die Erhebungsmethoden in der Mitgliederversammlung beschlossen, in der die Klägerin als Vereinsmitglied ein Stimmrecht habe. Die Wahl der Erhebungsmethode und die Überprüfung der Ergebnisse seien eine vereinsinterne Angelegenheit. Um einen verlässlichen Zugang zu den Auflagezahlen zu gewinnen, müsste der Beklagte seine Statuten ändern. Es dürften nur mehr solche Medien an der Media-Analyse teilnehmen, die sich der ÖAK unterwerfen. Das UWG könne nicht dazu herangezogen werden, es dem Mitglied eines Vereins zu ermöglichen, durch eine Unterlassungsklage eine Statutenänderung zu erzwingen. Aus diesen Gründen sei die Klage abzuweisen, ohne dass es auf die Richtigkeit der strittigen Reichweitenangaben ankomme. Die auf vorgreifender Beweiswürdigung beruhende Nichtaufnahme des insofern beantragten Sachverständigenbeweises begründe daher keinen relevanten Verfahrensmangel.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig, weil die Rechtsprechung zur Förderung fremden Wettbewerbs einer Klarstellung bedarf. Sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Das beanstandete Verhalten ist eine Geschäftspraktik iSv § 1 Abs 2 Z 4 UWG.

1.1. Unter diesen Begriff fällt nach dem Wortlaut des Gesetzes jede „Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Unternehmens, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts zusammenhängt“. Dass es sich um ein eigenes Produkt des Unternehmens handeln müsste, ist dieser Bestimmung nicht zu entnehmen; die Bezugnahme auf fremde Produkte ist daher ebenfalls von der Definition erfasst (4 Ob 165/11k = RdW 2012, 317 - Vergleich von Versicherungen).

1.2. Der Beklagte veröffentlicht in der Media-Analyse Reichweiten von Werbeträgern. Dabei handelt es sich um jene Produkteigenschaft, die - abgesehen vom Preis und der Zielgruppe - für die Auswahl zwischen verschiedenen Werbeträgern von entscheidender Bedeutung ist. Auch wenn daneben ein akademisches Interesse an den Reichweiten österreichischer Medien bestehen mag, steht damit doch die Nutzung der Media-Analyse auf dem Werbemarkt eindeutig im Vordergrund. Die Angaben des Beklagten hängen daher unmittelbar mit dem Absatz der Werbeträger zusammen. Da der Beklagte die Media-Analyse nicht bloß den betroffenen Werbeträgern zur Verfügung stellt, sondern zumindest teilweise auch selbst veröffentlicht, liegt auch eine nach außen gerichtete geschäftliche Handlung vor (4 Ob 130/10m = ÖBl 2011, 112 - Frauenmagazin D.O.).

2. Der Beklagte hat in lauterkeitsrechtlich relevanter Weise fremden Wettbewerb gefördert.

2.1. Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung des Senats zur Förderung fremden Wettbewerbs richtig wiedergegeben.

(a) Vor der UWG-Novelle 2007 setzte (auch) der auf unlautere Förderung fremden Wettbewerbs gestützte Unterlassungsanspruch das Vorliegen von Wettbewerbsabsicht voraus. Der diesbezügliche Nachweis war allerdings auch hier entbehrlich, wenn eine typischerweise auf die Förderung fremden Wettbewerbs gerichtete Handlung vorlag (RIS-Justiz RS0077619 [T7, T10, T12, T13, T15]).

(b) Nach neuem Recht kommt es auf die Wettbewerbsabsicht grundsätzlich nicht mehr an. Auch bei einer behaupteten Förderung fremden Wettbewerbs genügt daher die diesbezügliche Eignung des beanstandeten Verhaltens; anderes gilt nur dann, wenn bei objektiver Betrachtung eine andere Zielsetzung eindeutig überwiegt (4 Ob 40/11b = wbl 2011, 626 - Murpark mwN; 4 Ob 165/11k = RdW 2012, 317 - Vergleich von Versicherungen; RIS-Justiz RS0126548, RS0123244 [T1]). Ein solches Überwiegen anderer Zwecke wurde insbesondere angenommen, wenn ein Verein Angebote von dritten Unternehmen im Interesse der eigenen Mitglieder bewertete (4 Ob 171/11t = ecolex 2012, 239 [Woller] - Fotovoltaikanlagen).

2.2. Im vorliegenden Fall kann sich die Beurteilung auf die neue Rechtslage beschränken. Zwar wurde das ursprünglich beanstandete Verhalten vor Inkrafttreten der UWG-Novelle 2007 gesetzt, was an sich eine Prüfung nach altem und neuem Recht erforderlich machte (RIS-Justiz RS0123158 [insb T1]). Nach den Feststellungen hat sich aber bis zum Schluss der Verhandlung, der nach dem Inkrafttreten der UWG-Novelle 2007 lag, nichts an den Erhebungsmethoden des Beklagten geändert. Daraus ist abzuleiten, dass er das beanstandete Verhalten auch nach Inkrafttreten des neuen Rechts fortgesetzt hat. Eine Parallelprüfung nach altem Recht, die bei einem ausschließlich vor dem Inkrafttreten der Novelle liegenden Verhalten erforderlich wäre, kann daher unterbleiben (4 Ob 40/11b = ÖBl 2012, 57 - Murpark).

2.3. Die Veröffentlichung der Media-Analyse ist zweifellos geeignet, den Wettbewerb der darin aufgenommenen Werbeträger zu fördern. Es liegt auf der Hand, dass sich eine - absolut oder relativ - hohe Reichweite positiv auf den Umsatz im Werbegeschäft auswirkt und umgekehrt. Damit ist von entscheidender Bedeutung, ob eine andere Zielsetzung bei objektiver Betrachtung eindeutig überwiegt. Das trifft hier nicht zu.

(a) Zwar wird die Ermittlung der Reichweiten auch im Interesse jener Vereinsmitglieder liegen, die Leistungen der Werbeträger nachfragen. Insofern - aber auch nur insofern - ist der vorliegende Sachverhalt mit jenem vergleichbar, der der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 4 Ob 171/11t (- Fotovoltaikanlagen) zugrunde lag. Denn der dort beklagte Verein bewertete im Interesse seiner Mitglieder die Angebote dritter Erzeuger von Fotovoltaikanlagen. Unter diesen Umständen war die Förderung von deren Wettbewerb ein bloßer Nebeneffekt (vgl 4 Ob 40/11b = ÖBl 2012, 57 - Murpark) des eindeutig einem anderen Zweck - nämlich der Information von Nachfragern - dienenden Verhaltens. Ähnliche Erwägungen lagen einer jüngeren Entscheidung zur Veröffentlichung eines Reifentests in der Zeitschrift eines Automobilklubs zugrunde (4 Ob 222/11t).

(b) Im vorliegenden Fall sind demgegenüber (auch) die Anbieter Mitglieder des beklagten Vereins. Die Veröffentlichung der Media-Analyse wirkt sich unmittelbar zu ihren Gunsten oder Lasten aus. Unter diesen Umständen wäre es realitätsfern, akademische oder Nachfragerinteressen als eindeutig überwiegend anzusehen. Objektiver Zweck des beanstandeten Verhaltens ist vielmehr jedenfalls auch die Förderung der Interessen der dem beklagten Verein angehörenden Anbieter auf dem Werbemarkt. Anders gewendet: Es ist lauterkeitsrechtlich unerheblich, ob ein Anbieter selbst eine Reichweitenstudie in Auftrag gibt und mit den dabei ermittelten Zahlen wirbt, oder ob er denselben Effekt dadurch erzielt, dass er sich mit anderen Anbietern zu einem Verein zusammenschließt, der eine Reichweitenstudie erstellt und veröffentlicht. Ziel ist in beiden Fällen ein den Wettbewerb des Anbieters förderndes Einwirken auf die Marktgegenseite.

3. Aus der Mitgliedschaft der Klägerin im beklagten Verein lässt sich kein anspruchsvernichtender Einwand ableiten. Weder die Statuten noch die von der Klägerin unterfertigten „Verpflichtungserklärungen“ enthalten eine ausdrückliche Bestimmung, wonach die Klägerin auch in Bezug auf lauterkeitsrechtliche Ansprüche - deren Verfolgung auch im Interesse der Allgemeinheit und der Marktgegenseite liegt (4 Ob 165/11k mwN) - an vereinsinterne Beschlüsse über Erhebungsmethoden gebunden wäre. Durch Auslegung lässt sich dieses Ergebnis nicht erzielen: Es ist nicht erkennbar, weswegen die Klägerin aufgrund ihrer Mitgliedschaft im beklagten Verein schlechter stehen sollte als ein nicht dem Verein angehörender Mitbewerber, der vergleichbare Ansprüche jedenfalls erheben könnte. Ein Austritt aus dem beklagten Verein, der den aus dem Vereinsverhältnis erhobenen Einwand jedenfalls wegfallen ließe, ist der Klägerin redlicherweise nicht zuzumuten. Denn damit schiene ihre Zeitschrift nicht mehr in der Media-Analyse auf, was wegen der herausragenden Stellung dieser Reichweitenerhebung ein schwerwiegender Nachteil auf dem Werbemarkt wäre. Dass der Beklagte bei einem Erfolg der Unterlassungsklage im Ergebnis eine Statutenänderung vornehmen müsste, um die Media-Analyse weiter durchführen zu können, mag zutreffen. Das wäre dann aber eine Folge von lauterkeitsrechtlichen Verpflichtungen, die unabhängig von der internen Organisation des belangten Unternehmens bestehen und auch in anderen Fällen unternehmensinterne Entscheidungen erforderlich machen können.

4. Damit stellt sich die Frage, ob die beanstandeten Reichweitenangaben tatsächlich irreführend sind.

4.1. Beim Irreführungstatbestand ist zu prüfen, (a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, (b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob (c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Interessenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte (4 Ob 42/08t = MR 2008, 257 [Korn] = ÖBl 2008, 276 [Gamerith] - W.-Klaviere; RIS-Justiz RS0123292; zuletzt etwa 4 Ob 233/10h = ÖBl 2011, 219 - Größte Gratis-Tageszeitung, und 4 Ob 112/11s = wbl 2012, 234 - Eurotax-Liste).

4.2. Angesprochen werden von der Media-Analyse in erster Linie Nachfrager von Werbeleistungen. Ihnen kann unterstellt werden, dass sie die Erhebungsmethoden des Beklagten kennen und daher nicht annehmen, dass den ermittelten Reichweiten Angaben der Befragten zugrunde liegen, die bis ins Einzelne - wie auch? - „überprüft“ worden wären. Wohl aber werden sie darauf vertrauen, dass der Beklagte die Zahlen aufgrund anerkannter statistischer Verfahren ermittelt hat und dass (daher) jedenfalls keine groben Abweichungen von den tatsächlichen Reichweiten vorliegen. Beides trifft nach dem Vorbringen der Klägerin nicht zu: Sie behauptet, dass Mängel der Erhebung bei zwei bestimmten Zeitschriften zu „unrealistischen Zahlen“ führten, die durch eine Plausibilitätskontrolle (Herstellen einer Auflage-Reichweiten-Relation) leicht erkannt werden könnten; auch das Unterbleiben dieser Plausibilitätskontrolle sei ein methodischer Mangel.

4.3. Trifft dieses Vorbringen zu, wäre der Unterlassungsanspruch begründet. Dabei genügte bereits das Vorliegen eines methodischen Mangels, der (grob) unrichtige Ergebnisse als ernstlich möglich erscheinen ließe. Denn das Vertrauen der angesprochenen Kreise ist, wie bereits ausgeführt, (auch) darauf gerichtet, dass die Erhebung methodisch korrekt durchgeführt wurde, sodass die ermittelten Zahlen zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig sind. Bei (relevanten) methodischen Mängeln - wozu auch das Fehlen einer nach dem Stand der statistischen Methodenlehre erforderlichen Plausibilitätsprüfung gehörte - wäre dieses Vertrauen nicht mehr gerechtfertigt; die Veröffentlichung der Ergebnisse wäre dann schon aus diesem Grund irreführend.

4.4. Zum Beweis der methodischen und inhaltlichen Mängel hat die Klägerin die Einholung eines Gutachtens beantragt. Das Berufungsgericht hat in der Nichtaufnahme dieses Beweises einen primären Verfahrensmangel (vorgreifende Beweiswürdigung) erblickt, der allerdings aus rechtlichen Erwägungen unerheblich sei. Letzteres trifft nicht zu, weil die vom Berufungsgericht für die Klageabweisung herangezogenen Gründe nicht tragen.

5. Diese Erwägungen führen zur Aufhebung in die erste Instanz. Das Erstgericht wird nach Erörterung mit den Parteien den beantragten Sachverständigenbeweis aufzunehmen haben. Ist die Erhebungsmethode des Beklagten nach dem Stand der statistischen Wissenschaft in Bezug auf die im Begehren genannten Zeitschriften mangelhaft, wäre der Klage stattzugeben. Zuvor wäre allerdings mit der Klägerin die Formulierung des (Haupt-)Begehrens zu erörtern. Dessen uneingeschränkte Fassung setzte voraus, dass der Beklagte die mangelhafte Methode auch noch bei Schluss der Verhandlung anwendete (4 Ob 88/11m = MR 2011, 331 [Korn] - Vergleich der Gesamtauflagen).

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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