OGH 6Ob214/14k

OGH6Ob214/14k29.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Mag. Paul Wolf, Rechtsanwalt in St. Veit an der Glan, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, **********, vertreten durch Dr. Herbert Felsberger und Mag. Dr. Sabine Gauper‑Müller, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 36.280,99 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. Oktober 2014, GZ 2 R 120/14f‑31, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00214.14K.0129.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung der auf Kunstfehler und mangelhafte Aufklärung des klagenden Patienten vor zwei Operationen gestützten Schadenersatzklage. Die von der Beklagten zu verantwortenden Operationen seien nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausgeführt worden. Der Kläger sei überdies vor den Operationen ausreichend über mögliche Komplikationen und Risken aufgeklärt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger zeigt in seiner außerordentlichen Revision keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

Das Berufungsgericht legte seinem Urteil die vom Obersten Gerichtshof in einer Vielzahl von Entscheidungen entwickelten Grundsätze über die Erforderlichkeit und den Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht zugrunde.

Der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht ist in erster Linie unter dem Gesichtspunkt des Wohles des Patienten abzugrenzen und erst in zweiter Linie auch unter Bedachtnahme auf sein Selbstbestimmungsrecht (RIS‑Justiz RS0026362). Die Aufklärungsanforderungen dürfen nicht überspannt werden (4 Ob 241/12p; RIS‑Justiz RS0026362 [T1]). Entscheidend für den Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht ist, dass der Patient als Aufklärungsadressat die für seine Entscheidung maßgebenden Kriterien erfährt, die ihn in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Zustimmung zum Eingriff zu überblicken und eine sachgerechte Entscheidung zu treffen (4 Ob 241/12p; vgl RIS‑Justiz RS0026473 [T3], RS0026578 [T13], RS0026499 [T6], RS0026413 [T3], RS0026426 [T7, T9]).

Der konkrete Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls und wirft ‑ von einer hier nicht vorliegenden unvertretbaren Beurteilung abgesehen ‑ keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS‑Justiz RS0026529).

Der Kläger, der schon seit etwa 1990 an Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule litt, wurde vor der ersten Operation (Versteifung im Bereich L 5/S 1) über die Risken und Komplikationen sowie über die Erfolgsaussichten der geplanten Operation aufgeklärt. Insbesondere wurde der Kläger darüber aufgeklärt, dass die Möglichkeit besteht, dass keine Besserung eintritt, nach der Operation nach wie vor Schmerzen auftreten können und es im Zuge der Operation zu einer Nervenschädigung kommen könne. Nach den Feststellungen war damals eine Versteifung im Segment L 4/5 nicht indiziert. Vielmehr war es nach den Regeln der ärztlichen Kunst richtig, zunächst die kleinere Operation (nur L 5/S 1) zu versuchen, um eine Besserung der Beschwerden des Klägers zu erreichen. Es war keinesfalls als gesetzmäßig oder wahrscheinlich anzusehen, dass eine weitere Operation (L 4/5) erforderlich sein wird. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das unter diesen Umständen eine Aufklärung des Klägers, der sich wegen seines Leidensdrucks operieren lassen wollte, darüber, dass eine zweite Versteifungsoperation notwendig werden könnte, wenn sich der Bandscheibenvorfall im Bereich L 4/5 verstärken sollte, nicht für geboten hielt, bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

Inwieweit der Kläger eine relevante Verletzung der Aufklärungsverpflichtung über mögliche Folgen einer Versteifungsoperation im Sinn einer Pseudarthrose, einer Anschlussinstabilität, eines Schrauben‑ und Metallbruchs oder einer Schraubenlockerung bereits im erstgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hätte, zeigt die Revision nicht auf.

Entgegen den Ausführungen des Revisionswerbers wurde er vor der zweiten Operation darüber aufgeklärt, dass es zu Nervenschädigungen und ‑verletzungen, zu Lähmungserscheinungen und zu einer Verschlechterung im Zug der Manipulation bei der Operation kommen kann. Zudem hatte der Kläger vom behandelnden Arzt vor den Operationen ein Aufklärungsblatt zu Wirbelsäulenoperationen erhalten, in dem unter anderem festgehalten ist: „Bei der notwendigen Lagerung auf dem Operationstisch kann es trotz größter Sorgfalt zu Druckstellen, Verletzungen der Haut, Verbrennungen und auch anderen Verletzungen wie Nervenlähmungen kommen“.

Trotz fachgerechter Lagerung des Klägers auf dem Operationstisch kam es bei der zweiten Operation zu einer Druckschädigung des Peroneusnervs auf Höhe des Wadenbeinköpfchens. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Aufklärung auch in Bezug auf dieses verwirklichte Risiko nach den Feststellungen des Erstgerichts ausreichend war, ist jedenfalls vertretbar.

Stichworte