OGH 3Ob186/14w

OGH3Ob186/14w21.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** GmbH, *****, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, wider die beklagte Partei G*****, vertreten durch Dr. Sylvia Freygner, Rechtsanwältin in Wien, wegen 147.698,33 EUR sA und Räumung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Juni 2014, GZ 16 R 97/14y‑23, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 31. März 2014, GZ 14 Cg 16/13w‑19, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00186.14W.0121.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.343,24 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin enthalten 390,54 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zur von der Beklagten (Franchisenehmerin) behaupteten, jedoch von der Klägerin (Franchisegeberin) bestrittenen Qualifikation des 1994 abgeschlossenen Franchisevertrags als Existenzgründungsgeschäft der Beklagten hat das Erstgericht keine Feststellungen getroffen. Deshalb kann nicht beurteilt werden, ob ein darin vorgesehenes weitgehendes Aufrechnungsverbot zu Lasten der Beklagten (ausgenommen sind nur unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen) gegen § 6 Abs 1 Z 8 KSchG verstößt. Im Hinblick auf drei Nachträge zum Franchisevertrag, in denen der gesamte ursprüngliche Vertragsinhalt zu einem Zeitpunkt ausdrücklich bestätigt wurde, als die Beklagte unstrittig schon Unternehmerin war, ist in dritter Instanz allein strittig, ob durch den Abschluss der Nachträge das Aufrechnungsverbot wirksam vereinbart wurde, sodass die von der Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen unbeachtet bleiben müssen. Während das Erstgericht diese Rechtsfrage bejahte, kam das Berufungsgericht zum gegenteiligen Auslegungsergebnis und ließ den Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zu, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Anforderungen der Bestätigung einer nach dem KSchG nichtigen Vereinbarung über ein Aufrechnungsverbot durch spätere Vertragsänderungen bestehe, wenn der Verbraucher inzwischen zum Unternehmer geworden ist.

Aufgrund des Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist dessen Aufhebungsbeschluss grundsätzlich anfechtbar, bedarf zu seiner Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof allerdings der Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO. Gemäß § 526 Abs 2 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses nicht an die Beurteilung der zweiten Instanz gebunden. Ist eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen, ist der Rekurs zurückzuweisen (9 Ob 54/13a), was hier der Fall ist. Die Begründung dieser Zurückweisung kann sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO):

1. Zunächst ist klarzustellen, dass vom Berufungsgericht nicht deutsches Recht (§ 141 BGB) analog angewendet wurde, sondern ein diesem entsprechendes Auslegungsergebnis unter ausdrücklicher und begründeter Anwendung der Auslegungsregel des § 914 ABGB erzielt wurde, die relevant dafür ist, was Vertragsinhalt wurde. Demnach ist die Auslegung am Empfängerhorizont zu messen; die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen sind nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern es kommt auf das Verständnis an, das ein redlicher Erklärungsempfänger von dieser gewinnen durfte. Auf die konkreten Umstände, namentlich auf den Geschäftszweck und die Interessenlage ist dabei Bedacht zu nehmen. Für die Interpretation eines Verhaltens ist daher maßgeblich, welche Umstände aus der Sicht des Empfängers auf welche Erklärungsbedeutung schließen lassen. Die maßgeblichen Auslegungskriterien müssen immer dem Vertrag selbst oder den ihn begleitenden maßgeblichen Umständen zu entnehmen sein (RIS‑Justiz RS0113932 [T2 und T5]; RS0014160 ua). Wird eine übereinstimmende abweichende Parteienabsicht nicht festgestellt, so ist bei der Auslegung des Vertrags von dessen Wortlaut auszugehen (RIS‑Justiz RS0017831). Die Ermittlung des Erklärungsinhalts im Wege der Auslegung stellt eine typische Einzelfallbeurteilung dar und kann daher von Fällen ‑ hier nicht gegebener ‑ unvertretbarer Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen (RIS‑Justiz RS0042555 [T17]).

2. Von diesen Grundsätzen ausgehend ist die dem angefochtenen Aufhebungsbeschluss zugrundeliegende Rechtsauffassung, es hätte für die Annahme einer konstitutiven Bestätigung des Aufrechnungsverbots in einem der Nachträge der Kenntnis der Streitteile von der Nichtigkeit oder zumindestens Zweifel an der Wirksamkeit des Aufrechnungsverbots bedurft, nicht zu beanstanden.

3. Ausgangspunkt der folgenden ‑ unter der Prämisse eines seinerzeit abgeschlossenen Existenzgründungsgeschäfts iSd § 1 Abs 3 KSchG angestellten ‑ Überlegungen muss sein, dass die Vereinbarung eines Aufrechnungsverbots auch für konnexe Gegenforderungen dem § 6 Abs 1 Z 8 KSchG widersprach und deshalb für die beklagte (seinerzeitige) Verbraucherin nicht verbindlich, also nichtig war. Die Beklagte war somit an der Aufrechnung mit konnexen Gegenforderungen auch nach dem Vertragsschluss trotz mittlerweile erreichter Unternehmereigenschaft nicht gehindert (8 Ob 40/06z; vgl auch 6 Ob 19/14h mwN), sodass eine spätere Vereinbarung dieser ursprünglich unzulässigen Vertragsklausel eine wesentliche Verschlechterung ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Position bedeutet hätte (vgl 4 Ob 187/02g). Es ist aber grundsätzlich nicht zu vermuten, dass eine Vertragspartei während des laufenden Vertragsverhältnisses ihre Stellung grundlos verschlechtern will. Diese Konsequenz einer Teilnichtigkeit des Franchisevertrags wird von der Klägerin in ihren umfangreichen Ausführungen im Rekurs zur Gänze übergangen, weshalb diese am Kern der Problematik vorbeigehen.

4. Um im Zuge von Änderungen/Ergänzungen eines Vertrags in einzelnen Punkten zum Ausdruck zu bringen, dass davon unberührte Vertragspunkte, die bisher von Nichtigkeit erfasst waren, nunmehr dennoch in Kraft gesetzt werden sollen, bedarf es einer Erklärung, deren Inhalt eine solche Absicht erkennen lässt. Rein deklaratorische Akte im Sinn von nur floskelhaften Formulierungen zum restlichen Vertragsinhalt, wie zB die unberührten Teile des Vertrags aufrecht zu erhalten, zu bestätigen oder unberührt zu lassen, genügen daher von vornherein nicht (idS auch Welser , Die Beschränkung der Vertragsfreiheit beim Konsumentengeschäft, JBl 1980, 1 ff [7]). Denn solche Klauseln lassen nicht erkennen, dass auch bisher unwirksame Vereinbarungen doch Geltung zwischen den Parteien erlangen sollen.

5. Ein Unternehmer darf als redlicher Erklärungsempfänger (der sich als Gestalter der AGB der Teilungültigkeit des abgeschlossenenen Franchisevertrags bewusst sein, zumindestens aber Bedenken in diese Richtung haben musste) in einem solchen Fall deshalb derartige, nur deklaratorische Erklärungen des ehemaligen Verbrauchers nicht als gewollte Inkraftsetzung (auch) einer ursprünglich ungültigen Vertragsbestimmung, die die Stellung einer Partei einseitig verschlechtert, also als konstitutive Bestätigung des gesamten urspünglichen Vertragswerks verstehen. Andernfalls könnte eine derartige floskelhafte Pauschalbestätigung des Vertragspartners des Unternehmers dazu missbraucht werden, um seine Position gegenüber dem Unternehmer im Zuge der Änderung auch nur eines unbedeutenden Vertragsdetails unbemerkt zu verschlechtern, was einem „Hineinlegen“ des ehemaligen Verbrauchers gleichkäme; das widerspricht aber einer Auslegung des Vertrags nach Treu und Glauben im Sinn der Übung des redlichen Verkehr, also zwischen redlich denkenden Menschen (6 Ob 146/08a; RIS‑Justiz RS0017859).

6. Wie schon das Berufungsgericht ‑ unter Berufung auf Welser (in Krejci , Handbuch zum KSchG, 206 f) ‑ hervorhob, bedarf es deshalb einer eindeutigen willentlichen Inkraftsetzung ursprünglich ungültiger Bestimmungen. Diese ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Parteien die Wirksamkeit aller vereinbarten Vertragsbestimmungen erreichen wollen, sei es um die Unsicherheit über die Gültigkeit einzelner Vertragsbestimmungen zu beseitigen oder ganz bewusst ungültige Bestimmungen in Kraft zu setzen ( Welser aaO, 207); dies setzt aber zwingend die Kenntnis von der Ungültigkeit auch des früheren Verbrauchers oder zumindestens dessen Zweifel daran voraus:

Nur wenn der (selbst wissende oder zweifelnde) Unternehmer von der Kenntnis seines Vertragspartners von der Teilungültigkeit oder dessen Zweifeln an der Wirksamkeit einzelner Bestimmungen des Vertrags weiß, dürfe der Unternehmer redlicherweise auch eine Bestätigung und/oder Erklärung anlässlich einer Vertragsänderung oder -ergänzung, alle anderen Vertragsbestimmungen blieben unberührt, dahin verstehen, damit allen ursprünglichen Vertragsbestimmungen nunmehr Rechtswirkungen verschaffen zu wollen; wäre doch ein anderer Zweck einer solchen vorbehaltslosen Generalklausel ‑ in dieser Konstellation ‑ nicht erkennbar.

7. Allein der Text der Klauseln, dass alle anderen Bestimmungen des Franchisevertrags unberührt bleiben (im 1. Nachtrag vom Jänner 2001), und dass alle übrigen Bestimmungen des Franchisevertrags ausdrücklich als Inhalt dieses Franchisevertrags bestätigt werden und unberührt bleiben (in die beiden weiteren Nachträge des Jahres 2012) lässt eine Absicht, damit auch bisher nichtige Vertragsbestimmung nunmehr zwischen den Vertragsparteien doch Geltung zu verschaffen, also die Wirksamkeit des bestehenden Vertrags zu erweitern, nicht erkennen. Im Gegenteil, die jeweils verwendete Formulierung, den übrigen Franchisevertrag „unberührt“ zu lassen, deutet allein darauf hin, am seinerzeit abgeschlossenen und von den Änderungen/Ergänzungen nicht tangierten Franchisevertrag gar keine Modifikationen, also auch keine Erweiterung seiner Wirksamkeit vornehmen zu wollen.

Die Argumentation der Klägerin, gerade aus der Unkenntnis von der Teilnichtigkeit und dem Text der Nachträge sei die Absicht der Vertragparteien abzuleiten, damit auch der bisher nichtigen Vertragsbestimmung nunmehr zwischen den Vertragsparteien im Sinn einer konstitutiven Bestätigung doch Geltung zu verschaffen, erweist sich somit als nicht vertretbar.

8. Eine solche, vom Wortsinn abweichende Parteienabsicht, auf die sich die Klägerin beruft, hätte sie vielmehr zu behaupten und zu beweisen gehabt (RIS‑Justiz RS0017835 [T2]). Hier (vgl Punkt 4. und 6.) ist davon die Kenntnis auch der Beklagten von der Ungültigkeit des in den Franchisevertrag aufgenommenen Aufrechnungsverbots oder deren Zweifel an dessen Wirksamkeit mitumfasst. Das Vorliegen dieser Tatumstände hat die Beklagte in erster Instanz ausdrücklich bestritten (ON 12 S 14). Dennoch erstattete die Klägerin kein Vorbringen dazu (vgl vor allem ON 15 S 8 ff). Daher bedarf die Beurteilung des Berufungsgerichts, eine konstitutive Bestätigung des Aufrechnungsverbots sei bei Abschluss der Nachträge zum Franchisevertrag nicht erfolgt, keiner Korrektur.

9. Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht nicht zu beanstanden, so kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens oder der Feststellungen tatsächlich als notwendig erweist (RIS‑Justiz RS0042179; E. Kodek in Rechberger 4 § 519 ZPO Rz 26).

10. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses der Beklagten hingewiesen (RIS‑Justiz RS0123222).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte