OGH 4Ob169/14b

OGH4Ob169/14b20.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Ebert Huber Swoboda Oswald & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. C***** AG, *****, und 2. J***** M*****, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 34.900 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 8. August 2014, GZ 2 R 129/14z‑9, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 24. Juni 2014, GZ 5 Cg 67/14v‑4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00169.14B.0120.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die vom Rekursgericht modifizierte erstgerichtliche einstweilige Verfügung wird bestätigt. Sie wird jedoch unwirksam, wenn die klagende Partei nicht binnen 14 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Sicherheitsleistung von 20.000 EUR beim Erstgericht erlegt.

Die beklagten Parteien haben die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin verfügt über eine Bewilligung der oberösterreichischen Landesregierung zur Durchführung von Glücksspielen in Form der „Landesausspielung“ mit Automaten. Die erstbeklagte Gesellschaft betreibt in Linz ein Lokal, für dessen Betrieb sie über eine Gewerbeberechtigung für das freie Gastgewerbe in der Betriebsart Imbissstube verfügt. Der Zweitbeklagte ist selbstständig vertretungsbefugter Vorstand der Erstbeklagten. Beide haben keine Bewilligung für den Betrieb von Glücksspielautomaten. Dennoch sind im Lokal der Erstbeklagten vier solche Geräte aufgestellt. Gewinn oder Verlust hängen dabei ausschließlich vom Zufall ab. Der Spieler hat den jeweiligen Einsatz pro Spiel festzulegen, wobei der Mindesteinsatz 0,30 oder 0,50 EUR sowie der Höchsteinsatz 5 oder 10 EUR beträgt.

Die Erstbeklagte nimmt die Automatenaufstellung nicht selbst vor. Diese ist mittels Aufstellvertrags einer anderen Gesellschaft übertragen. Der Aufsteller stellt auf seine Kosten die Automaten auf, die Erstbeklagte erhält als Ersatz für die ihr durch den Betrieb der Automaten erwachsenden Kosten eine Platzmiete von 500 EUR pro Automat (zuzüglich USt). Die bei der Aufstellung und im Betrieb der Geräte anfallenden Kosten trägt der Aufsteller, die Erstbeklagte stellt den Betriebsstrom zur Verfügung, übernimmt die Stromkosten und erhält die Automaten während der Geschäftszeit dauernd spielbereit. Der Sachverhalt weist keinen Auslandsbezug auf.

Zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, den Beklagten mit einsweiliger Verfügung zu verbieten, Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, insbesondere in dem näher genannten Lokal in Linz, solange sie oder der Dritte, dem sie die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung ermöglicht, nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfügte. Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten dürfe nur mit behördlicher Bewilligung erfolgen. Da die Beklagten über keine solche Bewilligung verfügten, betrieben sie ein illegales Glücksspiel. Dadurch verstießen sie auch gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch).

Die Beklagten wenden ein, das Glücksspielgesetz sei unanwendbar, weil das Glücksspielmonopol aus näher ausgeführten Gründen unionsrechtswidrig sei. Darauf könnten sich auch die Beklagten wegen der verfassungsrechtlich verbotenen Inländerdiskriminierung (Art 7 B‑VG) berufen. Eine Ungleichbehandlung von Inländern und Angehörigen anderer Mitgliedsstaaten bedürfe einer hier nicht erkennbaren sachlichen Rechtfertigung. Jedenfalls sei die Rechtsansicht der Beklagten vertretbar; daher bestehe kein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch. Zwischen der Klägerin und den Beklagten, welche lediglich die Aufstellfläche für die Glücksspielautomaten zur Verfügung stellten, diese aber nicht selbst betrieben, bestünde kein Wettbewerbsverhältnis. Überdies sei das Unterlassungsbegehren überschießend, weil auch der Automatenbetrieb verboten werde, überdies ohne Einschränkung auf Inländer.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsbegehren zur Gänze statt. Die behauptete Unvereinbarkeit der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes mit Unionsrecht sei keine vertretbare Rechtsauffassung. Eine allfällig inländerdiskriminierende Wirkung sei für einen bestimmten Zeitraum aus öffentlichem Interesse gerechtfertigt. Eine Ausspielung iSd § 2 Abs 1 GSpG liege selbst dann vor, wenn Glücksspiele durch einen Unternehmer (bloß) zugänglich gemacht würden.

Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche einstweilige Verfügung (lediglich mit Ausnahme der Solidarverpflichtung beider Beklagten zur Unterlassung) und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Die Beklagten könnten sich weder auf eine vertretbare Rechtsansicht berufen, noch sei die behauptete Verfassungswidrigkeit der inländischen Glücksspielregeln indiziert. Für das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses sei kein konkreter Wettbewerb zwischen den Parteien erforderlich. Es genüge, dass die von ihnen vertriebenen Waren und Dienstleistungen ihrer Art nach miteinander in Konkurrenz treten und einander daher behindern könnten. Gegen die sowohl auf die eigene Automatenbetreibung als auch die Ermöglichung der Automatenaufstellung Dritter gerichtete Formulierung des Unterlassungsgebots bestünden keine Bedenken. Die einstweilige Verfügung bewirke auch keinen so tief greifenden Eingriff in die Rechtssphäre der Beklagten, dass eine ‑ im Rekurs beantragte ‑ Sicherheits-leistung aufzutragen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten, mit dem sie die Abweisung des Sicherungsbegehrens, hilfsweise die Auferlegung einer Sicherheitsleistung von 50.000 EUR anstrebt, ist ‑ in Ansehung des Eventualantrags der Beklagten ‑ zulässig und teilweise berechtigt.

1. Der erkennende Senat hat zu 4 Ob 145/14y eine gleichartige einstweilige Verfügung mit ausführlicher Begründung bestätigt und dabei insbesondere festgehalten, dass dem belangten Mitbewerber der Einwand verwehrt ist, er habe mit guten Gründen die Unions‑ oder Verfassungswidrigkeit der von ihm übertretenen Norm annehmen können. Diese Frage ist vielmehr im lauterkeitsrechtlichen Verfahren zu prüfen. Auf die Vertretbarkeit einer Rechtsansicht kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Ob die konkrete Ausgestaltung des Glücksspielmonopols im Sinn der Rechtsprechung des EuGH (C‑350/12 Pfleger) „wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und [...] tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen“, erfordert nach den Vorgaben des EuGH gesicherte Feststellungen. Das Sicherungsverfahren ist wegen der auch den Gegner der gefährdeten Partei treffenden Beschränkung auf parate Bescheinigungsmittel (RIS‑Justiz RS0005418) nicht geeignet, solche Feststellungen zu treffen. Vielmehr ist diese Frage im (ohnehin schon anhängigen) Hauptverfahren zu prüfen.

2. Ein Wettbewerbsverhältnis ist dann anzunehmen, wenn sich die Gewerbetreibenden an einen im Wesentlichen gleichen Abnehmerkreis wenden. Entscheidend ist die Gleichartigkeit des Kundenkreises, wobei der Begriff weit auszulegen ist. Für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses genügt es schon, wenn diese Voraussetzung für einen Teil des Geschäftsbetriebs zutrifft; es ist nicht erforderlich, dass die Geschäftsbetriebe in der Hauptsache übereinstimmen (RIS‑Justiz RS0079569). Nicht auf die Gleichheit oder Gleichartigkeit der von ihnen vertriebenen Waren oder Leistung kommt es an, sondern vor allem auf die Gleichheit des Kundenkreises. Branchenverschiedenheit schließt das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses nicht immer aus. Bemühen sich Unternehmer verschiedener Branchen um den selben Kundenkreis, stehen sie auch miteinander in Konkurrenz (RIS‑Justiz RS0077680; vgl RS0077675).

Die Rechtsprechung zum Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses ist durchaus großzügig und nimmt etwa auch ein Wettbewerbsverhältnis zwischen der Betreiberin eines Einkaufszentrums, in dem gleichartige Waren angeboten werden, mit den Betreibern von Einzelgeschäften in einem benachbarten Einkaufszentrum an (4 Ob 172/03b). Es macht daher keinen Unterschied, ob die Beklagten die nicht genehmigten Spielautomaten selbst aufstellen und betreiben oder zu diesem Zweck den entsprechenden Raum in ihrem Geschäftslokal vermieten. Auch das entsprechend weit gefasste Unterlassungsbegehren ist daher nicht zu beanstanden, zumal bei entsprechend eingeschränkter Fassung mit sofortigen Umgehungshandlungen zu rechnen wäre (Rückgängigmachung der Zwischenschaltung, Änderung oder zusätzliche Verschleierungsmaßnahmen). Nach der Rechtsprechung ist bei Unterlassungsansprüchen eine gewisse allgemeine Fassung des Begehrens in Verbindung mit Einzelverboten meist schon deshalb erforderlich, um nicht die Umgehung des erwähnten Verbots all zu leicht zu machen (RIS‑Justiz RS0037607).

3. Eine einstweilige Verfügung ist nach § 390 Abs 2 EO nach dem Ermessen des Gerichts trotz Bescheinigung des Anspruchs vom Erlag einer Sicherheit abhängig zu machen, wenn gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung wegen der Größe des Eingriffs in die Interessen des Antragsgegners Bedenken bestehen (RIS‑Justiz RS0005711). In die Interessenabwägung ist die Möglichkeit einzubeziehen, dass sich der zur sichernde Unterlassungsanspruch letztlich als unberechtigt erweisen könnte; dies insbesondere dann, wenn ein Einwand des Gegners der gefährdeten Partei mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht oder jedenfalls nicht sicher erledigt werden kann (4 Ob 145/14y mwN).

Im vorliegenden Verfahren ist ein Erfolg der Beklagten im Hauptverfahren nicht auszuschließen, weil sich dort auf der Tatsachenebene ausreichende Gründe für eine Unionsrechts‑ und damit Verfassungswidrigkeit der konkreten Ausgestaltung des Glücksspielmonopols ergeben könnten. Das Verbot des Betreibens von Spielautomaten greift gravierend in die Geschäftstätigkeit der Beklagten ein; es liegt auf der Hand, dass der Umsatz von „Automatenkaffees“ im Kern davon abhängt, ob da tatsächlich gespielt werden kann oder nicht. Die einstweilige Verfügung vernichtet daher das Geschäftsmodell der Beklagten. Unter diesen Umständen ist die einstweilige Verfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

Die Bestimmung der Höhe einer Sicherheit liegt im Ermessen des Gerichts; es bedarf dazu keiner besonderen Erhebungen über die mögliche Höhe eines den Beklagten eventuell drohenden Schadens (4 Ob 145/14y mwN). Im vorliegenden Fall liegt es nahe, dass bei einer (absehbaren) Verfahrensdauer von zwei Jahren durch den Entgang des Entgelts für das Aufstellen der Automaten und den Ausfall der spielbedingten Konsumationen ein Schaden von 20.000 EUR entstehen könnte (hier vier Automaten, im Vergleichsfall 4 Ob 145/14y zehn Automaten, dort Sicherheitsleistung 50.000 EUR). Der Klägerin ist daher der Erlag einer Sicherheit in Höhe von 20.000 EUR aufzutragen.

Da die einstweilige Verfügung bereits durch Zustellung in Vollzug gesetzt wurde, ist dieser Auftrag zu befristen und das Fortbestehen der einstweiligen Verfügung von der Einhaltung der Frist abhängig zu machen (4 Ob 145/14y mwN).

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 43 Abs 2, 50 ZPO. Der geringfügige Abwehrerfolg der Beklagten durch Auferlegung einer Sicherheitsleistung fällt kostenrechtlich nicht ins Gewicht (4 Ob 145/14y mwN).

Stichworte