OGH 11Os134/14m

OGH11Os134/14m13.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Jänner 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaltenbrunner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Soner A***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Soner A*****, Selcuk S***** und Zahrettin Ö***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 17. Juni 2014, GZ 50 Hv 16/14f‑81, weiters über die Beschwerde des Angeklagten Ö***** gegen einen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00134.14M.0113.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden

Soner A***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./2./) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (III./) sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II./2./),

Selcuk S***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./1./) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (IV./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II./1./) und

Zahrettin Ö***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./1./), des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (V./2./), des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (V./3./) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II./1./) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (V./1./) schuldig erkannt.

Danach haben in L***** und andernorts

I./1./ im Sommer 2013 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Selcuk S***** und Zahrettin Ö***** Pascal D***** 115 Gramm Marihuana mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben abgenötigt, indem sie ihm ein Messer an den Hals und den Bauch hielten und ihn auf den Hinterkopf schlugen;

I./2./ Soner A***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zu der zu I./1./ geschilderten Tat beigetragen, indem er D***** zum Öffnen der Wohnungstür veranlasste, dadurch den Zutritt aller Angeklagten ermöglichte, während der Tatausführung S***** und Ö***** „den Rücken stärkte“ und die Tat absicherte;

II./ im Sommer 2013 vorschriftswidrig Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar

1./ Selcuk S***** und Zahrettin Ö***** durch die zu I./1./ geschilderte Tat 115 Gramm Marihuana;

2./ Soner A***** eine unbekannte Menge Marihuana, die er im Anschluss an die zu I./2./ geschilderte Tat erhielt;

III./ Soner A***** zwischen Mai und Sommer 2013 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15‑fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 6 Kilogramm Marihuana mit einem Reinheitsgehalt von ca 10 % mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde;

IV./ Selcuk S***** vor der zu I./1./ genannten Tat im Jahr 2013 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15‑fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich insgesamt ca 8 bis 9 Kilogramm Marihuana mit einem Reinheitsgehalt von ca 10 % mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde;

V./ Zahrettin Ö***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge, und zwar

1./ vor der I./1./ genannten Tat im Jahr 2013 ca 3 Kilogramm Marihuana mit einem Reinheitsgehalt von ca 10 % mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde;

2./ zwischen August 2012 und Februar 2014 270 Gramm Marihuana mit einem Reinheitsgehalt von ca 10 % durch Verkäufe und Übergaben an verschiedene Drogenabnehmer anderen überlassen;

3./ im Frühjahr 2013 mit abgesondert verfolgten Mittätern 120 Gramm Kokain, darin enthalten ca 15 % reine Kokainbase im Zuge eines grenzüberschreitenden Transports von Holland über Deutschland nach Österreich verbracht.

Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, wobei sich A***** auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 [lit] a, 10 und 11 StPO stützt, S***** auf Z 5a, 9 [lit] a und 10 sowie Ö***** auf Z 4 und 5 leg cit.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten:

Indem die Mängelrüge (zum Schuldspruch I./2./) kritisiert, das Erstgericht habe die Feststellung der vor der Tat zwischen den Angeklagten getroffenen Absprache unbegründet gelassen und nicht ausgeführt, „wie und wann“ eine derartige Einigung erfolgt wäre, spricht sie keine entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0106268) und übergeht im Übrigen die erstgerichtlichen Erwägungen zu dieser Absprache (US 12, 18 f). Gleichfalls nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370) nimmt der Beschwerdeführer, soweit er vorwiegend die eigene Einlassung und selektiv Aussagedetails auch anderer Beteiligter wiederholend vorbringt, er habe weder den Tatplan noch den Umstand des beabsichtigten Waffeneinsatzes gekannt, weil er die ‑ unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstandenden ‑ ausführlichen Erwägungen der Tatrichter übergeht (US 18 bis 25). Dies gilt ebenso für die Behauptung, das Erstgericht habe sich nicht mit Widersprüchen in der Verantwortung des Drittangeklagten (siehe aber US 26) sowie den leugnenden Einlassungen des Erst‑ (siehe US 26 f) und Zweitangeklagten (siehe US 23 f) auseinandergesetzt.

Die eine Einschätzung darstellenden Ausführungen im Abschlussbericht der Landespolizeidirektion Vorarlberg vom 3. März 2014, wonach „das Mitführen bzw die Verwendung einer Waffe zwischen den drei Beteiligten nicht abgesprochen war“ (ON 12 S 6) waren dem Beschwerdestandpunkt zuwider nicht erörterungsbedürftig, weil damit weder ein Verfahrensergebnis dargestellt noch auf Beweisergebnisse Bezug genommen wurde. Die Urteilsannahme eines über die Ermöglichung des Zutritts der beiden unmittelbaren Täter zur Wohnung des Opfers hinaus geleisteten Tatbeitrags durch die Bereitschaft nötigenfalls einzugreifen (US 13, 25) ist weder undeutlich (Z 5 erster Fall) noch im Hinblick auf die mängelfreie Ableitung aus der Wahl des Sitzplatzes hinter dem Opfer in unmittelbarer Nähe des Tatgeschehens (US 25) unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall).

Dass die vom Erstgericht gezogenen Schlüsse dem Erstangeklagten, der insgesamt in der Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen Schuldberufung eigenständig beweiswürdigend für ihn günstigere Spekulationen anstellt, zu wenig überzeugend erscheinen oder auch noch andere Folgerungen denkbar wären, stellt den behaupteten Nichtigkeitsgrund nicht her (RIS‑Justiz RS0114524).

Den Ausführungen der den Schuldspruch II./2./ betreffenden weiteren Rüge (Z 5 zweiter und vierter Fall) zuwider hat das Erstgericht auch die Aufteilung der Raubbeute mängelfrei aus der Aussage des Drittangeklagten erschlossen und dabei sehr wohl die Verantwortung des Erst‑ und Zweitangeklagten erörtert (US 29).

Das Vorbringen zu Schuldspruch III./ spricht mit dem im Zusammenhang mit dem Raubgeschehen (Schuldspruch I) behaupteten Erfordernis einer telefonischen Rückfrage des Pascal D*****, ob er den Erstangeklagten in die Wohnung einlassen könne, keine entscheidende Tatsache an und argumentiert gleich einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld („außerhalb jeder Lebenserfahrung“). Im Übrigen hat D***** mehrfach und dezidiert die Weitergabe von ca 6 Kilogramm Marihuana an den Rechtsmittelwerber bestätigt (ON 80 S 47, 55).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810). Der Beschwerdeführer muss von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarstellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (RIS‑Justiz RS0117247; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 584).

Indem erneut der Vorwurf erhoben wird, das Erstgericht habe unterlassen, konkrete Feststellungen zu treffen, „ob und wann und wie die Tat besprochen“ wurde, was die drei Angeklagten unter dem Begriff „Abzocken“ verstanden hätten und welcher konkrete Tatbeitrag dem Erstangeklagten zuzuordnen wäre, hält er gerade nicht an den Konstatierungen (US 12 ff) fest und legt nicht dar, welche darüber hinausgehenden Feststellungen aus seiner Sicht geboten gewesen wären (RIS‑Justiz RS0099620).

Genau dies trifft auf die zu III./ ausgeführte Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu, die das Fehlen von Feststellungen kritisiert, „ob, wann und in welchem konkreten Zeitraum“ er Suchtgift von D***** erworben hätte, indem erneut die ausdrücklichen Konstatierungen (US 14) des Erstgerichts übergangen werden.

Auch die Subsumtionsrüge (Z 10), die sich gegen die Annahme der Qualifikation nach § 28 Abs 2 SMG richtet, hält nicht an den Feststellungen fest, wonach der Erstangeklagte mit auf den Additionseffekt durch kontinuierliche Begehung gerichteter subjektiver Tatseite Suchtgift in einer das 15‑fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich ca 6 Kilogramm Marihuana mit einer Reinsubstanzmenge von ca 600 Gramm THC mit dem Vorsatz erwarb und besaß, dass die genannten Suchtgiftmengen in Verkehr gesetzt werden (US 14).

Die Sanktionsrüge (Z 11) zeigt mit der Behauptung, die erschwerende Wertung der „Begehung mit Mittätern“ verstoße gegen das Doppelverwertungsverbot, keine Nichtigkeit des Strafausspruchs auf, weil im Gegenstand kein Schuldspruch nach § 143 erster Fall StGB erfolgte, die Mehrheit von zwei Mittätern von § 12 dritter Fall StGB nicht erfasst wird und die erschwerende Wertung der Begehung mit Mittätern bei zugleich erfolgter mildernder Berücksichtigung des untergeordneten Tatbeitrags nicht in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen der Strafbemessung verstößt (vgl auch RIS‑Justiz RS0118773, RS0105898).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten:

Im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a, der Sache nach Z 5 vierter Fall) releviert auch dieser Angeklagte zu Schuldspruch I./1./, das Erstgericht habe das Zustandekommen einer Einigung zwischen den Angeklagten zur intendierten Raubtat unter Verwendung eines Messers nicht begründet, übergeht dabei aber ebenso wie der Erstangeklagte, dass die konstatierte Absprache mängelfrei aus der Aussage des Drittangeklagten (ON 80 S 21) abgeleitet wurde (US 23). Den Ausführungen zu Schuldspruch IV./ zuwider wurde auch die Feststellung eines auf Inverkehrsetzen von Suchtgift in qualifizierter Menge gerichteten Vorsatzes mängelfrei aus dem äußeren Tatgeschehen abgeleitet (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882).

Mit der Behauptung, das Erstgericht habe sich zum Schuldspruch IV./ mit der subjektiven Tatseite nicht auseinandergesetzt, sondern sei bloß „den unsubstanziierten Behauptungen des Zeugen D***** gefolgt“, orientiert sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht am Verfahrensrecht, weil sie die Konstatierungen des Erstgerichts (US 15) bloß bestreitet.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet einen Feststellungsmangel zur Privilegierung nach § 28 Abs 4 SMG, ohne aber auf ein dies indizierendes, in der Hauptverhandlung vorgekommenes Tatsachensubstrat hinzuweisen, und entzieht sich solcherart ebenfalls einer meritorischen Erledigung (RIS‑Justiz RS0099715, RS0099938 [T6]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 601).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Drittangeklagten:

Dem Vorbringen der Verfahrensrüge zuwider wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 17. Juni 2014 gestellten Antrags auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte Ö***** „zum Zeitpunkt der Taten zurechnungsunfähig bzw allenfalls eingeschränkt zurechnungsfähig war, weil hervorgekommen ist, dass er an einer psychischen Erkrankung, nämlich einer beginnenden Schizophrenie leidet“ (ON 80 S 91 f), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Denn ein nach dem Vorbringen des Drittangeklagten mehr als ein Jahr vor der Antragstellung bei einer ärztlichen Untersuchung festgestellter Zustand „beginnender“ Schizophrenie bedingt nicht zwangsläufig Zurechnungsunfähigkeit im Sinn des § 11 StGB. Verfahrensergebnisse, die eine gänzlich fehlende Diskretions‑ oder Dispositionsfähigkeit indizierten, wurden vom Angeklagten nicht behauptet. Weil es dem Antrag an einem Vorbringen mangelte, aus welchem Grund dennoch das behauptete Beweisergebnis zu erwarten wäre, war das Begehren auf einen im Hauptverfahren unzulässigen Erkundungsbeweis gerichtet (vgl § 55 Abs 1 letzter Satz StPO; RIS‑Justiz RS0118444, RS0118123; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330). Die zur Abweisung führenden Sachverhaltsannahmen des Erstgerichts (US 17 f) werden von der Verfahrensrüge überdies nicht einmal ansatzweise nach den Kriterien der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO bekämpft (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 40 ff, 342; RIS‑Justiz RS0118977).

Der zum Schuldspruch V./1./ ausgeführten Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider blieb die leugnende Verantwortung des Drittangeklagten, er habe von D***** noch nie Suchtgift gekauft, nicht unerörtert; auch mit einer möglichen Falschbelastung durch den Zeugen D***** hat sich das Erstgericht auseinandergesetzt (US 31).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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