European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00242.14S.1223.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Landesgericht Klagenfurt bestätigte mit Beschluss vom 15. 10. 2009 die vom Bezirksgericht Klagenfurt am 21. 8. 2009 erlassene einstweilige Verfügung, mit der der nunmehrigen Klägerin über Antrag ihres Ehemanns und dessen Vaters unter anderem das Verlassen des ehelichen Wohnhauses aufgetragen und die Rückkehr dorthin untersagt wurde. Ihren außerordentlichen Revisionsrekurs wies der Oberste Gerichtshof mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurück (5 Ob 275/09s). Die Klägerin erhob die Rechtsmittel durch einen gewählten Rechtsvertreter, der nachfolgend zu ihrem Verfahrenshelfer bestellt wurde. Ihren durch den Verfahrenshelfer gegen die einstweilige Verfügung eingebrachten Widerspruch wies das Bezirksgericht Klagenfurt mit mangels Anfechtung rechtskräftig gewordenem Beschluss vom 26. 4. 2010 als verspätet zurück.
Die nunmehrige Klägerin strebte nachfolgend die Aufhebung der einstweiligen Verfügung an. Das Landesgericht Klagenfurt gab mit Beschluss vom 10. 12. 2010 dem Rekurs des Ehemanns (sein Vater war zwischenzeitig verstorben) Folge und wies ‑ in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ‑ den Antrag der Klägerin, die einstweilige Verfügung aufzuheben, ab. Sie erhob dagegen keinen außerordentlichen Revisionsrekurs.
Die Klägerin macht Amtshaftungsansprüche aus dem Verfahren des Bezirksgerichts Klagenfurt und den zwei im Rechtsmittelverfahren ergangenen Entscheidungen des Landesgerichts Klagenfurt geltend.
Das Erstgericht wies sowohl das Zahlungs‑ als auch das Feststellungsbegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
In der außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
Rechtliche Beurteilung
1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
2. Gemäß § 2 Abs 3 AHG können aus Erkenntnissen der Höchstgerichte keine Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden, weil dies die nachträgliche Überprüfung eines höchstgerichtlichen Erkenntnisses durch ein ordentliches Gericht („unterer Instanz“) bedeuten würde und eine andere Regelung theoretisch zu einer unendlichen Prozesskette führen könnte. § 2 Abs 3 AHG statuiert somit eine Grenze des Rechtsschutzes, um letztlich eine endgültige Entscheidung zu gewährleisten. Amtshaftungsansprüche sind auch dann ausgeschlossen, wenn der Amtshaftungskläger seine Klage auf eine behauptete unvertretbare Rechtsansicht stützt und der Oberste Gerichtshof im zugrundeliegenden Verfahren den Revisionsrekurs mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückwies. Die Entscheidung des Rekursgerichts ist in solchen Fällen vom Zurückweisungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs gedeckt, auch wenn nicht die Berechtigung des Rechtsmittels, sondern lediglich die Frage, ob eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn dieser Bestimmung vorliegt, geprüft und verneint wurde (vgl RIS‑Justiz RS0102269 [T3]). Der Ausspruch des Obersten Gerichtshofs, es lägen die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht vor, kann nämlich nur so verstanden werden, dass er das Vorliegen eines für den Streitausgang erheblichen groben Auslegungs- oder Denkfehlers verneinte, hätte er doch sonst einen solchen schon zur Wahrung der Rechtssicherheit und aus Erwägungen der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmen und in die sachliche Prüfung der Berechtigung des Revisionsrekurses einzutreten gehabt. Damit hat der Oberste Gerichtshof bei seiner Entscheidung über den (außerordentlichen) Revisionsrekurs denknotwendiger Weise die Vertretbarkeit der der zweitinstanzlichen Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsauffassung unterstellt, weil er bei Annahme einer unvertretbaren Rechtsansicht selbst in einem Fall, in dem der zur Lösung anstehenden Rechtsfrage keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung zuzumessen ist, aus Erwägungen der Einzelfallgerechtigkeit das Rechtsmittel meritorisch zu erledigen gehabt hätte (zuletzt RIS‑Justiz RS0107173; 1 Ob 159/07z mwN).
Trotz § 2 Abs 3 AHG sind zwar Amtshaftungsansprüche dann nicht vollständig ausgeschlossen, wenn in der Rechtssache ein Höchstgericht entschieden hat, diesem jedoch die Überprüfung der bekämpften Entscheidung nach den einschlägigen Verfahrensvorschriften nur in eingeschränktem Ausmaß möglich war (RIS‑Justiz RS0077496; 1 Ob 41/97d = SZ 70/260 = RS0102269 [T2]). Dass ein solcher Fall vorliegt, wird im Revisionsverfahren gar nicht behauptet.
Zutreffend kam das Berufungsgericht zum Ergebnis, dass die Klägerin, nachdem ihr außerordentlicher Revisionsrekurs mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO vom Obersten Gerichtshof zu 5 Ob 275/09s zurückgewiesen worden ist, aus dem bekämpften Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 15. 10. 2009 keinen Amtshaftungsanspruch ableiten kann. Mit Ausführungen zum Verschuldensgrad zeigt sie keine Fehlbeurteilung auf.
3. Das Berufungsgericht bejahte eine schuldhafte Verletzung der Rettungspflicht im Sinn des § 2 Abs 2 AHG (in der Fassung vor der Novelle BGBl I 2013/33). Die Klägerin müsse sich das Verschulden ihres (gewählten) Rechtsvertreters anrechnen lassen (Schragel, AHG3 Rz 192 unter Berufung auf 1 Ob 373/98d = SZ 72/51; vgl RIS‑Justiz RS0050093). Dass ihr ursprünglich frei gewählter Rechtsvertreter nicht gleichzeitig mit dem Rekurs gegen die einstweilige Verfügung vom 21. 8. 2009 den Rechtsbehelf des Widerspruchs und nach der Bestellung zum Verfahrenshelfer den Widerspruch verspätet erhoben habe, sei ihr ebenso als schuldhafte Unterlassung zuzurechnen wie die eines außerordentlichen Revisionsrekurses gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 10. 12. 2010.
Diese Beurteilung ist nicht korrekturbedürftig. Die Klägerin bestreitet nicht, dass sie sich das Verhalten ihres Rechtsvertreters zurechnen lassen muss. Unter „Rechtsmittel“ im Sinn des § 2 Abs 2 AHG sind prozessuale Rechtsbehelfe zu verstehen, die dazu dienen, fehlerhafte gerichtliche Entscheidungen, sei es im Instanzenweg, sei es auf andere Weise, zu beseitigen (RIS‑Justiz RS0050080; RS0110188). Das trifft sowohl auf den Widerspruch nach § 397 EO als auch auf den außerordentlichen Revisionsrekurs zu. Die Klägerin führt überhaupt keine Gründe an, warum die (rechtzeitige) Einbringung dieser zweckmäßigen Abhilfemaßnahmen unterlassen wurde. Damit bestehen auch keine sekundären Feststellungsmängel.
4. Zwar hätte die Erhebung eines Widerspruchs nicht die Vollziehung der vom Bezirksgericht Klagenfurt getroffenen einstweiligen Verfügung vom 21. 8. 2009 gehemmt (§ 397 Abs 3 EO), jedoch hat die Klägerin zu behaupten und zu beweisen, welcher Teil des geltend gemachten Schadens auch durch das Ergreifen dieses möglichen Rechtsbehelfs nicht mehr vermeidbar war (RIS‑Justiz RS0108081). War ein Teil des Schadens abwendbar, dann hat die Unterlassung der Abgrenzung, welcher Schaden abwendbar war und welcher nicht, die Abweisung ihres Begehrens zur Gänze zur Folge (1 Ob 169/04s; Schragel aaO Rz 182). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe eine solche Abgrenzung unterlassen, ist zumindest vertretbar.
Die Klägerin zeigt in der außerordentlichen Revision nicht auf, welcher Schaden ihr selbst bei rechtzeitigem Widerspruch bis zur Entscheidung darüber jedenfalls entstand und nicht mehr abwendbar war. Die begehrten ‑ teils pauschalen ‑ Schadenspositionen lassen sich diesem Zeitraum gerade nicht zuordnen.
5. Abgesehen vom schuldhaft unterlassenen außerordentlichen Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 10. 12. 2010 scheitern allfällige aus dieser Entscheidung resultierende Amtshaftungsansprüche schon an fehlenden Behauptungen zu deren Rechtswidrigkeit. Das Vorbringen der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren, die Begründung dieses Beschlusses sei „objektiv verfehlt“ und Ergebnis einer „unrichtigen erstinstanzlichen Beweiswürdigung“, zudem sei der Vorsitzende des Rechtsmittelsenats (aus nicht dargelegten Gründen) befangen gewesen, wird nicht begründet und zeigt somit kein rechtswidriges Organverhalten auf. Damit ist das Klagebegehren insofern auch nicht schlüssig.
6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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