OGH 14Os103/14z

OGH14Os103/14z16.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Auslieferungssache des Alexandr G*****, AZ 313 HR 75/13x (zuvor AZ 311 HR 84/11b) des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der betroffenen Person auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0140OS00103.14Z.1216.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss vom 10. Juli 2013, GZ 311 HR 84/11b‑72 (nun GZ 313 HR 75/13x‑72), erklärte der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien die von der Russischen Föderation mit Note der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation vom 6. Mai 2013, Nr 81/3-238-11 (ON 62), begehrte Auslieferung des Alexandr G***** zur Vollstreckung eines Strafrests einer über ihn in Abwesenheit mit rechtskräftigem Urteil des Mezhanski Bezirksgerichts der Stadt Moskau vom 4. April 2011, Fall Nr 1-26/2011, verhängten fünfjährigen Freiheitsstrafe (Punkt 1/a), und zur Verfolgung wegen der in einer Anklage der Staatsanwaltschaft der Russischen Föderation der Stadt St. Petersburg vom 23. August 2010 (ON 66 S 173 ff) und „im Untersuchungshaftbefehl vom 6. Dezember 2010 zu Fall Nr 3/1-219/10 des Gerichts vom Bezirk Wassileostrowskij der Stadt St. Petersburg“ beschriebenen Straftaten (Punkt 1/b) jeweils für (nicht un-)zulässig und setzte die Auslieferungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 173 Abs 1 und 2 Z 1 StPO iVm § 29 ARHG fort (Punkt 2).

Mit Beschluss vom 10. September 2013, AZ 22 Bs 265/13a, gab das Oberlandesgericht Wien der gegen die Auslieferung ergriffenen Beschwerde des Alexandr G***** nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab mit Beschluss vom 5. November 2013, GZ 14 Os 145/13z‑11 (ON 84), seinem Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO insoweit statt, als er den Beschluss des Oberlandesgerichts, soweit damit der Beschwerde des Genannten gegen Punkt 1/a des bezeichneten Beschlusses des Landesgerichts für Strafsachen Wien nicht Folge gegeben worden war, und den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien in seinem Punkt 1/a aufhob und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwies, weil er die (damals) zugrunde gelegte Zusicherung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation nicht als ausreichend iSd Art 3 Abs 1 zweiter Satz des zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen erachtete. Im Übrigen wies der Oberste Gerichtshof den Antrag zurück.

Mit Beschluss vom 9. Dezember 2013 (ON 97), wies das Landesgericht für Strafsachen Wien den Antrag des Alexandr G***** auf Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens zur Strafverfolgung ab und erkannte diesem Antrag keine hemmende Wirkung zu. Mit Beschluss vom 10. Dezember 2013 (ON 100) wies dasselbe Gericht den Antrag der betroffenen Person auf Aufschub der Übergabe ab.

Die Auslieferung erfolgte am 11. Dezember 2013.

Den gegen die zuvor genannten Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien erhobenen Beschwerden des Alexandr G***** gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 4. April 2014, AZ 17 Bs 11/14p, 17 Bs 44/14s (ON 115), nicht Folge. In seiner Begründung ging das Beschwerdegericht auch auf den ‑ unter Vorlage von Urkunden erstmals in der Äußerung zur Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft (und in einem wortidenten, gleichzeitig eingebrachten neuerlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens) erhobenen (ON 113) ‑ ergänzenden Einwand einer Verletzung des Spezialitätsgrundsatzes (Art 14 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens, § 23 ARHG) durch die Russische Föderation ‑ zufolge dort bereits eingeleiteten Vollzugs der mit dem oben angeführten (Abwesenheits-)Urteil verhängten Freiheitsstrafe ungeachtet des diesbezüglich noch anhängigen Auslieferungsverfahrens ‑ ein (§ 89 Abs 2b StPO; BS 7).

Ein mit Bezug auf diese Entscheidung gestellter Antrag der betroffenen Person auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a Abs 1 StPO wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 17. Juni 2014, AZ 14 Os 51/14b (ON 134), zurückgewiesen.

Schon mit Note vom 25. März 2014 hatte das Bundesministerium für Justiz die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation ‑ unter Anschluss der von der betroffenen Person im Wiederaufnahmeverfahren vorgelegten Urkunden ‑ um Mitteilung ersucht, für welches Verfahren Alexandr G***** seit seiner Übergabe am 11. Dezember 2013 in der Russischen Föderation in Haft gehalten werde (ON 122). Die russischen Behörden sicherten mit Schreiben vom 30. April 2014 ausdrücklich zu, dass das in Rede stehende Abwesenheitsurteil ‑ mangels Entscheidung über die Auslieferung durch die österreichischen Gerichte ‑ weder gegenwärtig noch in Zukunft ohne Zustimmung Österreichs vollzogen werde (ON 124 und ON 132).

Mit Beschluss vom 19. Mai 2014, GZ 311 HR 84/11b‑125, wies das Landesgericht für Strafsachen Wien den oben angesprochenen neuerlichen Wiederaufnahmeantrag des Alexandr G***** (ON 113) im Wesentlichen mit der Begründung ab, die vom Wiederaufnahmswerber vorgebrachten Umstände und Schriftstücke erschienen nicht geeignet, für sich oder in Verbindung mit den übrigen Beweismitteln eine geänderte Beurteilung der Sachlage im Auslieferungsverfahren herbeizuführen.

Der dagegen gerichteten Beschwerde der betroffenen Person gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 17. Juni 2014, AZ 17 Bs 198/14p (ON 133), erneut nicht Folge. Das Beschwerdegericht führte dazu (zusammengefasst) aus, dass die von Alexandr G***** dargestellten Umstände und vorgelegten Unterlagen bereits Gegenstand der zum Beschwerdeverfahren zu AZ 17 Bs 11/14p, 17 Bs 44/14s, erstatteten Äußerung zur Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft gewesen wären und damit nunmehr keine neuen Tatsachen und Beweismittel darstellten, während die ‑ einzig neue ‑ Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation (ON 124) gerade gegen die Richtigkeit seines Vorbringens spreche (BS 6 ff). Im Übrigen seien die präsentierten Urkunden aber auch nicht geeignet, eine geänderte Beurteilung der Sachlage herbeizuführen (US 8 f).

Rechtliche Beurteilung

Mit dem nunmehrigen Antrag begehrt Alexandr G***** ein weiteres Mal die Verfahrenserneuerung nach § 363a Abs 1 StPO, wobei er inhaltlich (nominell) Verletzungen von Art 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl Nr 390/1973, sowie von Art 5 und 6 MRK geltend macht.

Indem der Antragsteller die oben zitierten ‑ auch Erwägungen zur Aussagekraft der von ihm vorgelegten Urkunden enthaltenden (BS 8 f) ‑ Ausführungen des Beschwerdegerichts teils bestreitet, teils übergeht und die diesbezügliche „Beweiswürdigung“ insgesamt als nicht „substantiiert“ erachtet, spricht er eine ‑ durch Ausübung von Willkür bei der Entscheidungsfindung bewirkte ‑ Verletzung des Verbots, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen, nicht an.

Die weiters behauptete Verletzung des Art 5 MRK ist schon wegen der Subsidiarität des Erneuerungsantrags gegenüber der Grundrechtsbeschwerde nicht Gegenstand der Prüfung (RIS‑Justiz RS0123350). Davon abgesehen stellt die Beschlussfassung über einen Wiederaufnahmeantrag keine grundrechtsrelevante Entscheidung im Sinn des Grundrechtsbeschwerdegesetzes dar (vgl RIS‑Justiz RS0109299 [T8], RS0107318, RS0060991 [T10]).

Soweit erneut auch eine Verletzung von Art 6 MRK im Beschwerdeverfahren releviert wird, weil das Oberlandesgericht „das Recht des Antragstellers, gehört zu werden“, in keiner Weise gewahrt habe, sich „völlig unzureichend“ mit den von ihm vorgelegten Beweismitteln „und dem massiven Widerspruch, in dem diese zur Äußerung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation stehen“, auseinandergesetzt und weder eine Vernehmung der betroffenen Person „hinsichtlich dieser Umstände“ durchgeführt habe, noch „hinreichend“ auf die beantragte „Einholung weiterer Informationen“ eingegangen sei, übersieht der Erneuerungswerber ein weiteres Mal, dass das als verletzt reklamierte Grundrecht auf dieses Verfahren keine Anwendung findet (RIS‑Justiz RS0105689, RS0123200 [T2 und T3]; so schon 14 Os 51/14b im gegenständlichen Verfahren).

Der unter bloß scheinbarer Berufung auf ein Grundrecht gestellte Antrag ist daher in sinngemäßer Anwendung des Art 35 Abs 3 MRK, im Umfang des auf Art 5 bezogenen Vorbringens im Sinn des Art 35 Abs 1 MRK unzulässig und war schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO; vgl dazu 17 Os 11/12i).

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