European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00213.14P.1215.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die konkrete Ausgestaltung der Beratungspflichten, die von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig sind, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageprojekt beziehen, hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0108074 [T8]; RS0029601 [T9]). Gerade dann, wenn das vom Kläger verfolgte Anlageziel und die Einstufung des in Aussicht genommenen Produkts nicht in Einklang stehen, erfordert dies besondere Beratungsleistungen (10 Ob 7/12w).
Wenngleich im vorliegenden Fall beim ersten Kauf die Risikobereitschaft des Klägers mit „hoch“ angegeben ist, ist nach den Feststellungen des Erstgerichts der Grund dafür nicht klar; vielmehr sei diese Angabe aufgrund einer spekulativen Investition des Klägers in der Vergangenheit ausgewählt worden. Diesbezüglich ist jedoch dem Berufungsgericht zuzustimmen, dass aus einer im Jahr 2002 vorgenommenen, möglicherweise risikoträchtigen Investition nicht abzuleiten ist, dass der Kläger auch im Jahr 2005 bzw später spekulativ investieren wollte. Beim zweiten Kauf wurde die Risikobereitschaft des Klägers mit „mittel“ angegeben. Ihm wurde aber lediglich mitgeteilt, dass Kursschwankungen möglich sind; über das in der Folge tatsächlich eingetretene Verlustrisiko wurde er jedoch nicht aufgeklärt. Vielmehr wurde ihm das Produkt ausdrücklich als risikoarmes Investment präsentiert und hinsichtlich der liquiden Mittel der M***** der Vergleich mit einem Sparbuch gezogen. Damit ist aber nicht davon auszugehen, dass der Kläger tatsächlich ein hohes Risiko eingehen wollte. Aus diesem Grund stellt sich auch die von der Revision als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, mit welchem Verlust ein mittleres oder hohes Risiko verbunden ist, nicht. Stellt nämlich der Anlageberater ein typisches Risikogeschäft als sichere Anlageform hin und veranlasst er dadurch den Anleger zur Zeichnung einer solchen Beteiligung, dann haftet er für die fehlende Beratung selbst dann, wenn er von der Seriosität des Anlagegeschäfts überzeugt gewesen sein sollte, weil er ein solches Geschäft nicht ohne weiteres als sichere Anlageform anpreisen darf (RIS‑Justiz RS0108074).
Die den Anlageberater treffenden Verhaltenspflichten sind regelmäßig nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und stellen daher, soweit keine auffallende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vorliegt, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (6 Ob 31/08i). Aufgrund der regelmäßigen Einzelfallbezogenheit dieser Beurteilung ist auch der behauptete Widerspruch zur Entscheidung 8 Ob 107/11k, die zudem vereinzelt blieb, nicht zu erkennen.
In Anbetracht des Umstands, dass der Erstbeklagte ausdrücklich von einem risikoaversen Produkt sprach, kann der in der Revision vertretenen Auffassung, die Erstbeklagte hätte nicht auf die Möglichkeit eines Kapitalverlusts im Ausmaß von 80 % hinweisen müssen, nicht gefolgt werden (vgl 3 Ob 209/13a). Die Erstbeklagte hat dem Kläger eine Anlage als risikoarm dargestellt, obwohl diese Eigenschaft nicht gegeben war. Dadurch hat sich aber das Verlustrisiko für den Kläger deutlich erhöht (vgl 3 Ob 209/13a).
Der von der Erstbeklagten zitierten Entscheidung 10 Ob 9/12i lag ein anderer Sachverhalt zu Grunde, kam es doch dort zwischen dem Erstkauf im Juni 2005 und dem Zweitkauf im Februar 2007 zu keinem Kontakt zwischen den Streitteilen. Im vorliegenden Fall fand jedoch vor dem zweiten Kauf neuerlich ein Beratungsgespräch statt, in dem im Wesentlichen auf die Ausführungen des ersten Beratungsgesprächs verwiesen wurde. Wenn bei dieser Sachlage das Berufungsgericht die Kausalität der fehlerhaften Beratung auch für den dritten, weniger als ein halbes Jahr später abgeschlossenen Kauf bejahte, ist darin weder eine Fehlbeurteilung noch ein Abweichen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu erblicken, zumal auch die Frage der Kausalität einer fehlerhaften Beratung jeweils nur einzelfallbezogen zu beantworten ist.
Soweit die Erstbeklagte sich auf die Entscheidung 3 Ob 65/13z beruft und argumentiert, die Zweitbeklagte müsse solidarisch haften, ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Argumentation die von der Revision ausschließlich angestrebte Abänderung des angefochtenen Urteils im klagsabweisenden Sinn zu tragen vermag.
Die behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausführte, kam die Berufungsbeantwortung der erstbeklagten Partei auf den Verjährungseinwand nicht mehr zurück. Die Erstbeklagte hätte die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichts bereits in der Berufungsbeantwortung bekämpfen müssen. Im Übrigen reichen nach ständiger Rechtsprechung allgemeine Medieninformationen für die Kenntnis von Schaden und Schädiger grundsätzlich nicht aus (7 Ob 204/05h; 3 Ob 236/05k; 6 Ob 172/05w).
Zusammenfassend bringt die Revision sohin keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, so dass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.
Soweit die außerordentliche Revision ausdrücklich auch die Kostenentscheidung bekämpft, ist sie darauf zu verweisen, dass eine Überprüfung der Kosten des Verfahrens zweiter Instanz durch den Obersten Gerichtshof gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ausgeschlossen ist (RIS‑Justiz RS0044228); die zweite Instanz entscheidet im Kostenpunkt endgültig (RIS‑Justiz RS0044233).
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