European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00085.14P.1127.000
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mario L***** und Jürgen L***** wurden mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 18. April 2013 (GZ 39 Hv 67/11s‑74) jeweils des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt.
Nach Zustellung von Urteilsausfertigungen (auch) an den Verteidiger verfügte die Vorsitzende des Schöffengerichts am 11. Juni 2013 die Zustellung von „dem Original ON 74 entsprechenden Urteilsausfertigungen“ an den Verteidiger (und den Privatbeteiligtenvertreter) mit dem Hinweis, dass „die übersandten Urteilsausfertigungen nicht mit dem Original (gemeint: der Urschrift) übereinstimmen und der ursprüngliche, nicht korrigierte Entwurf abgefertigt wurde“ (ON 1 S 35).
Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 11. Dezember 2013, GZ 15 Os 145/13g, 146/13d‑6, wurden die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten und deren Berufungen wegen Schuld zurückgewiesen und die Akten zur Entscheidung über deren Berufungen wegen Strafe und wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Zur Beschwerde der Angeklagten gegen den „Berichtigungsvorgang“ vom 13. (gemeint: 11.) Juni 2013 führte der Oberste Gerichtshof aus, dass, wie sich aus den unbedenklichen Stellungnahmen der Vorsitzenden des Schöffengerichts und der zuständigen Kanzleileiterin ergab, die Vorsitzende lediglich die den Parteien zugestellten Ausfertigungen im Sinn der Urschrift berichtigt, keineswegs jedoch ‑ wie von der Beschwerde behauptet ‑ „eine völlig neue Fassung“ des Urteils hergestellt hatte. Grundlage der Prüfung durch den Obersten Gerichtshof war daher die vorliegende Urteilsurschrift (ON 74), womit auch die Beschwerde erledigt war.
Mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. März 2014 (AZ 22 Bs 23/14i) wurde den Berufungen der Angeklagten gegen das eingangs genannte Urteil wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den oben bezeichneten „Berichtigungsvorgang“ des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 11. Juni 2013 sowie den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 11. Dezember 2013 richtet sich der ‑ auf die Behauptung einer Verletzung im Grundrecht auf ein faires Verfahren nach Art 6 Abs 1 EMRK gestützte ‑ Antrag der Verurteilten Mario und Jürgen L***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam (RIS‑Justiz RS0122228).
Der Antrag ist unzulässig:
Bei einem nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Erneuerungsantrag handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf. Demgemäß gelten alle gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 EMRK sinngemäß auch für derartige Anträge (RIS‑Justiz RS0122737).
Wurde die im Erneuerungsantrag behauptete Grundrechtsverletzung in Bezug auf schöffen- und geschworenengerichtliche Urteile in einer dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde ‑ oder, wie vorliegend, in einer zugleich erhobenen Beschwerde wegen der Berichtigung eines solchen Urteils an den Obersten Gerichtshof ‑ geltend gemacht, so steht einer nochmaligen Anrufung des Obersten Gerichtshofs demgemäß die Zulässigkeitsbeschränkung des Art 35 Abs 2 lit b erster Fall EMRK entgegen, weil der Antrag solcherart „im Wesentlichen“ mit einer schon vorher durch ihn geprüften „Beschwerde“ übereinstimmt (RIS‑Justiz RS0122737 [T11]; vgl im Übrigen 15 Os 147/10x zur Ableitung aus dem ne-bis-in-idem-Prinzip).
Erkenntnisse des Obersten Gerichtshofs können ohne vorherige Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht Gegenstand eines Erneuerungsantrags gemäß § 363a StPO per analogiam sein, weil gemäß Art 92 Abs 1 B‑VG der Oberste Gerichtshof oberste Instanz in Zivil‑ und Strafrechtssachen ist (RIS‑Justiz RS0122737 [T23, T39]).
Der somit unzulässige Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß § 363b Abs 2 Z 3 StPO zurückzuweisen.
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