OGH 10ObS129/14i

OGH10ObS129/14i25.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Rodlauer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Horst Nurschinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Lichtenwagner, Rechtsanwalt in Rohrbach, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist‑Straße 1, wegen Pflegegeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 24. Juli 2014, GZ 11 Rs 72/14h‑11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 7. Mai 2014, GZ 17 Cgs 14/14d‑7 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:010OBS00129.14I.1125.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. 2. 2014 wies die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Erhöhung des ‑ bisher nach Pflegestufe 2 zuerkannten ‑ Pflegegeldes ab.

Mit der dagegen erhobenen Klage begehrte der Kläger die Zuerkennung des Pflegegeldes im gesetzlichen Ausmaß zumindest in Höhe der Stufe 3 ab 12. 12. 2013.

Die beklagte Partei bestritt und beantragte die Klageabweisung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf zusammengefasst folgende Feststellungen:

„Der 1942 geborene Kläger ist nach Amputation beider Beine (im Jahr 2004) mit Unterschenkelprothesen versorgt. Er benötigt Hilfe beim Anlegen der Prothesen, bei der Körperpflege (gründliche Körperreinigung, Maniküre, Waschen der Haare), weiters Teilhilfe beim An‑ und Auskleiden des Unterkörpers. Fallweise benötigt er Fremdhilfe (Kontrolle) bei der Reinigung nach Verrichtung der großen Notdurft. Infolge einer Harninkontinenz kommt es durchschnittlich zwei Mal am Tag zu einem (zusätzlichen) Betreuungsaufwand. Der selbstständige und bedarfsgerechte Umgang mit den ärztlich verordneten Medikamenten und Heilmitteln ist dem Kläger zumutbar. Die Medikamente werden allerdings regelmäßig von der Ehefrau vorbereitet. Vier Mal am Tag muss diese ihm eine Insulininjektion verabreichen. Die Insulininjektionen kann der Kläger aufgrund der Ungeschicklichkeit seiner Hände und des Desinteresses bei Antriebsstörung nicht mehr eigenständig durchführen. Ferner ist er nicht in der Lage, Mahlzeiten für sich zuzubereiten, Nahrungsmittel und sonstige Bedarfsgüter des täglichen Lebens herbeizuschaffen, die Wohnung zu reinigen und die Leib‑ und Bettwäsche zu reinigen bzw zu pflegen. Er benötigt auch bei allen Verrichtungen außerhalb des Hauses fremde Hilfe.“

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 3 bestehe für Personen, deren Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 120 Stunden monatlich betrage. Ausgehend von den Feststellungen sei aber von einem monatlichen Betreuungsaufwand wie folgt auszugehen:

An‑ und Auskleiden des Unterkörpers als Teilverrichtung

10 Stunden

Sonstige Körperpflege (Ganzkörperreinigung, Maniküre, Haare waschen, Föhnen)

4 Stunden

Hilfe bei Zubereitung der Mahlzeiten

30 Stunden

Kontrolle nach Verrichtung der großen Notdurft

2,5 Stunden

Mobilitätshilfe im engeren Sinn (Hilfe beim Anlegen der Körperersatzstücke)

7,5 Stunden

Reinigung bei Inkontinenz, 2x täglich

10 Stunden

Hilfeleistung bei der Einnahme von Medikamenten

3 Stunden

4x tägliche Insulininjektion mit Blutzuckermessung jeweils 5 Minuten (= pro Tag 20 Minuten)

10 Stunden

Für die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten, etc

10 Stunden

Für die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände

10 Stunden

Für die Reinigung und Instandhaltung der Leib‑ und Bettwäsche

10 Stunden

Für die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn

10 Stunden

insgesamt somit 117 Stunden

  

Die Voraussetzungen für eine Erhöhung auf die Pflegestufe 3 seien daher nicht gegeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Bei der Unterstützung bei der Einnahme von Medikamenten ‑ wozu auch die Verabreichung von Insulininjektionen zähle ‑ handle es sich um eine Betreuungsleistung nach § 1 Abs 2 Einstufungsverordnung, für die nach § 1 Abs 3 Einstufungsverordnung ein Richtwert von 6 Minuten pro Tag (3 Stunden pro Monat) zu veranschlagen sei. Ein mehrmals täglich notwendiges Verabreichen einer größeren Zahl von Medikamenten könne aber dazu führen, dass mit dem Richtwert von 6 Minuten pro Tag nicht mehr das Auslangen gefunden werden könne. In diesem Fall sei der konkret notwendige Zeitaufwand zu ermitteln und der Entscheidung zugrunde zu legen. Das Erstgericht habe ‑ dem medizinischen Sachverständigen-gutachten folgend ‑ festgestellt, dass vier Mal am Tag eine Insulinspritze verabreicht werden müsse. Der hiefür zu veranschlagende Zeitbedarf sei im Sachverständigengutachten nicht angegeben worden. Wenn der Sachverständige in der „tabellarischen Aufstellung des Stundensatzes der notwendigen Betreuungs‑ und Hilfeleistungen“ die Insulininjektionen samt Blutzuckermessung mit vier Mal 10 Minuten täglich, also mit 20 Stunden monatlich berücksichtige, stelle das nämlich nur eine rechtliche Beurteilung dar, die einem Sachverständigen nicht zukomme. Der angenommene Wert könne daher nicht als tatsächlicher Aufwand zugrunde gelegt werden. Mangels vom Durchschnittswert abweichender zeitlicher Vorgaben sei rechtlich zu beurteilen, welche Zeit an Pflegebedarf für eine Insulininjektion zu veranschlagen sei. Zugunsten des Klägers sei dabei auch der Zeitaufwand für eine jeweils vorangehende Blutzuckermessung zu berücksichtigen. In der Entscheidung 10 ObS 128/94 sei für im Zusammenhang mit der Verabreichung einer Insulininjektion vorzunehmende Handreichungen noch ein täglicher Zeitaufwand von 10 Minuten angenommen worden. Aufgrund des Fortschritts in der Medizintechnik könne für die Verabreichung einer Insulinspritze samt Blutzuckermessung aber nunmehr auf ein standardisiertes Verfahren zurückgegriffen werden. Es stünden leicht handhabbare, schnell arbeitende und präzise Messgeräte zur Verfügung. Aufgrund der Häufigkeit der zu verabreichenden Injektionen bilde sich zudem eine Routine heraus, die zu weiteren Zeiteinsparungen führe. In Abkehr von der Entscheidung 10 ObS 128/94 sei daher ein Zeitwert von (nur) 5 Minuten täglich für die Verabreichung der Insulininjektion samt damit verbundener Blutzuckermessung anzunehmen. Dies führe zu dem vom Erstgericht veranschlagten Zeitbedarf. Im Übrigen sei bei der Einnahme von Medikamenten die Annahme eines Pflegebedarfs von 3 Stunden durch das Erstgericht zu Unrecht erfolgt, weil feststehe, dass dem Kläger ein selbstständiger Umgang mit den Medikamenten zumutbar sei.

Die ordentliche Revision sei zulässig, da das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu 10 ObS 128/94 abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne eines Aufhebungsantrags auch berechtigt.

In der Revision nicht mehr in Zweifel gezogen wird die Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts für die Einnahme von Medikamenten kein Pflegebedarf (von 3 Stunden monatlich) zu berücksichtigen sei, weil der Kläger diese Verrichtung ohne fremde Hilfe durchführen kann. Es kommt der Richtwert für die Einnahme von Medikamenten von 3 Stunden monatlich auch unbestritten im Hinblick auf die beim Kläger notwendigen Insulininjektionen samt Blutzuckermessung nicht in Betracht, weil insoweit unstrittig ist, dass dabei der Richtwert erheblich überschritten wird, weil der dafür erforderliche Zeitaufwand 10 oder 20 Stunden monatlich beträgt. Im Revisionsverfahren noch strittig ist aber, in welchem Ausmaß die erforderliche Verabreichung von vier Insulininjektionen pro Tag das Überschreiten des von § 1 Abs 3 EinstV für das "Einnehmen von Medikamenten" vorgesehenen Richtwerts von 6 Minuten täglich (3 Stunden monatlich) rechtfertigt.

Der Kläger macht dazu in seiner Revision zusammengefasst geltend, das Berufungsgericht begründe den angenommenen Zeitaufwand für die Verabreichung der Insulininjektionen samt Blutzuckermessung im Wesentlichen mit einer Einschätzung der Autoren Greifeneder/Liebhart , in deren Handbuch zum Pflegegeld³ Rz 385. Diese Einschätzung sei aber nicht nachvollziehbar. In den Vorauflagen dieses Handbuchs seien die genannten Autoren für die Verabreichung einer Insulinspritze samt Blutzuckermessung noch von einem Zeitwert von 10 Minuten ausgegangen; für eine Insulinspritze ohne Blutzuckermessung von einem solchen von 5 Minuten. Warum im Vergleich zu den Vorauflagen nunmehr eine Halbierung des zeitlichen Aufwands für eine Insulininjektion samt Blutzuckermessung angenommen werde, werde nicht begründet. Vielmehr sei die Annahme des höheren Zeitaufwands ‑ weiterhin ‑ zutreffend, weil mit der Verabreichung einer Insulininjektion auch Vorbereitungsarbeiten einhergehen (zB Lagerung der Insulinspritze in einem Kühlschrank, Nachfüllen des Insulins usw). Es liege somit ein Pflegeaufwand von mehr als 120 Stunden pro Monat vor, sodass die Anspruchsvoraussetzungen für das Pflegegeld der Stufe 3 erfüllt seien.

Dazu ist auszuführen:

1.1 In § 4 Abs 7 Z 2 BPGG ermächtigt der Gesetzgeber den Bundesminister für Arbeit und Soziales Richtwerte für den zeitlichen Betreuungsaufwand festzulegen. Dementsprechend sieht § 1 Abs 3 EinstV zum BPGG BGBl II 1999/37, BGBl II 2011/453, für die Feststellung des zeitlichen Betreuungsaufwands auf einen Tag bezogene Richtwerte vor, die die gängigsten und häufigsten Fälle des Betreuungsaufwands einer Pauschalierung unterwerfen. Es handelt sich bei diesen Richtwerten um zeitliche Vorgaben für jene „durchschnittliche“ Zeit, die für die betreffende Verrichtung im Regelfall aufzuwenden ist. Diese Richtwerte beruhen auf der Arbeit einer Expertengruppe, der unter anderem Pflegepersonal, ärztliche Sachverständige und Behindertenvertreter angehörten (vgl Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge [1994] 183).

1.2 Die Richtwerte dienen im Wesentlichen somit nur als Orientierungshilfe für die Rechtsanwendung und können in Fällen, in denen ein spezifischer Betreuungsaufwand anfällt, der sich vom üblichen unterscheidet, auch unterschritten oder überschritten werden (10 ObS 374/01z; RIS‑Justiz RS0053147 [T1]). Abweichungen von diesen Zeitwerten sind aber nur dann zu berücksichtigen, wenn der tatsächliche Betreuungsaufwand diese Mindestwerte erheblich überschreitet (§ 1 Abs 3 EinStV). Abweichungen von den Durchschnittswerten ‑ die somit den Ausnahmefall darstellen ‑ bedürfen stets einer besonderen Begründung. Dabei ist auf den im konkreten Fall notwendigen Aufwand abzustellen. Erst wenn dieser Aufwand fest steht, kann beurteilt werden, ob ein Abweichen vom Richtwert gerechtfertigt ist oder nicht (10 ObS 374/01z mwN).

1.3 Für das „Einnehmen von Medikamenten (auch bei Sondenverabreichung)“ sieht die Einstufungsverordnung zum BPGG in § 1 Abs 3 einen auf den Tag bezogenen Richtwert von 6 Minuten vor. Nach der Erläuterungen zur Einstufungsverordnung zum BPGG ist unter der Hilfestellung bei der Einnahme von Medikamenten die sachgerechte Vorbereitung der Medikamente entsprechend der vorgeschriebenen Darreichungsform ... und die Verabreichung durch die Pflegeperson selbst zu verstehen. Auch das Erinnern an die zeitgerechte Einnahme sei zu dieser Betreuungsverrichtung zu zählen (Fürstl-Grasser/Pallinger, Die neue Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz samt den Erläuterungen, SozSi 1999, 282 [285]).

1.4 Zu dieser Betreuungsverrichtung gehört auch die Verabreichung von Insulininjektionen bei Diabetikern. Diese ist nicht etwa der Krankenbehandlung bzw medizinischen Hauskrankenpflege aus der Krankenversicherung zuzurechnen, weil sich eine davon betroffene Person die Injektionen üblicherweise selbst setzt und die Beiziehung einer Hilfsperson nur notwendig ist, wenn der Betroffene aus gesundheitlichen Gründen dazu nicht in der Lage ist (10 ObS 128/94, SSV‑NF 8/58).

1.5.1 Zum Ausmaß des Zeitaufwands bei Verabreichung einer Insulininjektion wurde in der Entscheidung 10 ObS 96/88, SSV‑NF 2/58 ausgeführt, es handle sich um eine Handreichung von nur wenigen Minuten, sodass auch die Notwendigkeit der Hilfeleistung bei zweimal täglichen Injektionen noch nicht Hilflosigkeit iSd § 105a ASVG begründe. In der Entscheidung 10 ObS 128/94, SSV‑NF 8/58 wurde ausgeführt, in § 1 Abs 3 EinstV zum BPGG seien für den zeitlichen Betreuungsaufwand für die Reinigung bei inkontinenten Patienten, für die Kanülenpflege und die Katheterpflege auf einen Tag bezogene Richtwerte von jeweils 10 Minuten festgelegt. Ein solcher Zeitaufwand erscheine auch für die im Zusammenhang mit der Verabreichung einer Insulininjektion vorzunehmenden Handreichungen angemessen. Auf einen Monat bezogen seien daher etwa fünf Stunden für die tägliche Verabreichung einer (einzigen) Insulininjektion zu veranschlagen.

1.5.2 Nach der Auffassung der Autoren Greifeneder/Liebhart in deren Handbuch zum Pflegegeld3 Rz 385, ist pro Insulinspritze samt damit verbundener Blutzuckermessung und Dokumentation ein Zeitwert von 5 Minuten angemessen; für eine Insulinspritze ohne Blutzuckermessung ein solcher von drei Minuten.

2. Im vorliegenden Fall steht fest, dass dem Kläger der selbstständige und bedarfsgerechte Umgang mit den ärztlich verordneten Medikamenten und Heilmitteln zumutbar ist, die Medikamente allerdings regelmäßig von der Gattin vorbereitet werden. Vier mal am Tag muss eine Insulinspritze von der Gattin verabreicht werden. Feststellungen des Erstgerichts dazu, ob auch eine Blutzuckermessung erforderlich ist, ob diese der Kläger selbst durchführen kann (allenfalls wie oft eine solche notwendig ist) finden sich im Ersturteil nicht. Es finden sich auch keine Feststellungen zum konkret erforderlichen zeitlichen Aufwand für die Verabreichung der Insulininjektionen bzw die Vornahme der Blutzuckermessungen. Wie sich aus dem Sachverständigengutachten ergibt, hat der Sachverständige aber unter der Überschrift „Tabellarische Aufstellung der notwendigen Betreuungs- und Hilfeleistungen, Stundensatz gemäß Bundespflegegeldgesetz“ für die Einnahme von Medikamenten (Richtwert 6 min/Tag) drei Stunden monatlich veranschlagt und zusätzlich dazu für Insulininjektionen mit Blutzuckermessung (4 x 10 Min), also 20 Stunden monatlich. Das Erstgericht hat zwar in der mündlichen Streitverhandlung mit den Parteien seine auf der Ansicht von Greifeneder/Liebhart, BPGG3 Rz 385 beruhende Rechtsansicht erörtert, nach der für die Insulininjektionen samt damit verbundener Blutzuckermessung ein Zeitwert von 5 Minuten angemessen erscheine, ohne aber den Sachverständigen zur Verhandlung geladen zu haben und diesen zu dem veranschlagten Richtwert für die Einnahme von Medikamenten und zum Zeitwert für die Insulininjektionen zu befragen. Es bleibt daher unklar, aus welchem Grund der Sachverständige den Richtwert für die Verabreichung von Medikamenten angesetzt hat, obwohl dem Kläger der selbstständige und bedarfsgerechte Umgang mit den ärztlich verordneten Medikamenten und Heilmitteln zumutbar ist. Weiters bleibt unklar, ob der vom Sachverständigen zusätzlich zum Richtwert angesetzte Zeitwert für die Insulininjektionen samt Blutzuckermessung von 4 x10 Minuten ‑ wie das Berufungsgericht meint ‑ eine auf die Entscheidung 10 ObS 128/94, SSV‑NF 8/58 Bezug nehmende, rechtliche Beurteilung darstellt, die dem Sachverständigen nicht zukomme oder allenfalls der Sachverständige doch aus Sicht seines medizinischen Fachwissens damit den ‑ über den Richtwert von 6 Minuten hinausgehenden ‑ für erforderlichen Insulinjektionen samt Blutzuckermessung hinausgehenden tatsächlichen täglichen Zeitaufwand beschrieben hat.

3. Somit fehlen Feststellungen dazu, welcher zeitliche Aufwand im Zusammenhang mit der Verabreichung der Insulininjektionen ‑ samt allenfalls erforderlicher Blutzuckermessung ‑ tatsächlich notwendig ist. Diese Feststellungen sind aber unumgänglich und werden im ergänzenden Verfahren nachzuholen sein, um beurteilen zu können, ob ‑ und allenfalls in welchem Umfang beim Kläger tatsächlich ‑ ein Abweichen vom Richtwert gerechtfertigt ist (siehe oben Pkt 1.2).

Es musste daher mit der Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen vorgegangen werden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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