OGH 10ObS96/88

OGH10ObS96/8831.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Raimund Kabelka (AG) und Oskar Harter (AN) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann S***, Gadnergasse 37, 1110 Wien, vertreten durch Dr. Heide Schubert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** DER G*** W***,

Wiedner Hauptstraße 84-86, 1050 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Hilflosenzuschusses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 1987, GZ 33 Rs 153/87-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16. Feber 1987, GZ 11 a Cgs 337/86-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 14. Feber 1921 geborene Kläger begehrt die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm ab 25. Feber 1986 den Hilflosenzuschuß im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Der Kläger ist in der Lage, die lebenswichtigen Funktionen des täglichen Lebens, wie sich zu waschen, sich anzuziehen und die notwendigsten Dinge im Haushalt zu erledigen, selbst durchzuführen. Es ist ihm nur nicht möglich, sich die zweimal täglich erforderlichen unterschiedlich zu dosierenden Insulininjektionen selbst zu verabreichen.

Das Erstgericht gab der Klage statt, weil der Kläger durch das Ausbleiben der zweimal täglich nötigen Insulininjektion in akute Lebensgefahr geraten würde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung der Klage ab. Der Kläger wäre zwar ohne pünktliches Verabreichen der Injektionen zweifellos dem Untergang ausgesetzt, Hilflosigkeit liege aber nur dann vor, wenn Wartung und Hilfe "ständig", in sich wiederholenden kurzen Zeitabständen während eines nicht abgrenzbaren Zeitraumes notwendig seien. Eine Insulininjektion erfordere einen Zeitaufwand von nur wenigen Minuten und mache kein räumliches Naheverhältnis einer dazu stets anwesenden Person nötig. Hilflosigkeit sei daher zu verneinen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag es dahin abzuändern, daß das Urteil der ersten Instanz wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Richtig weist der Revisionswerber darauf hin, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (JBl. 1988, 64 uva) Hilflosigkeit immer dann vorliegt, wenn der Rentner oder Pensionist nicht in der Lage ist, auch nur einzelne, dauernd wiederkehrende lebensnotwendige Verrichtungen selbst auszuführen. Ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe ist aber nur dann gegeben, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Rentners oder Pensionisten üblicherweise aufzuwendenden Kosten im Monatsdurchschnitt so hoch sind wie der begehrte Hilflosenzuschuß.

Es ist aber entgegen der in der Revision aufgestellten bloßen Behauptung auszuschließen, daß für die zweimal täglich erforderliche Verabreichung einer Insulininjektion - eine Handreichung von nur wenigen Minuten, die keine besonderen Fachkenntnisse voraussetzt - Kosten von monatlich S 3.000,-- aufzuwenden sind. Dieser Betrag würde selbst dann nicht erreicht, wenn man berücksichtigte, daß der Kläger (dies wurde zwar nicht ausdrücklich festgestellt, ergibt sich aber zweifelsfrei aus den Sachverständigengutachten) für die nur in größeren Zeitabständen erforderliche gründliche Reinigung der Wohnung und Besorgung der großen Wäsche zusätzlich fremde Hilfe benötigt.

Die Behauptung in der Revision, der Kläger sei wegen seines mangelnden Sehvermögens nicht in der Lage, die notwendigen Mahlzeiten (Diätspeisen) herzustellen und die Einkäufe selbst zu besorgen, findet in den Feststellungen keine Deckung. Danach ist der Kläger vielmehr in der Verrichtung der lebensnotwendigen Funktionen des täglichen Lebens und im Haushalt nicht eingeschränkt. (In den Sachverständigengutachten des Augenarztes und des Internisten wird die Möglichkeit, einfache Mahlzeiten zuzubereiten und kleine Einkäufe zu tätigen ausdrücklich angeführt und bejaht.)

Das Berufungsgericht hat daher zu Recht das Vorliegen von Hilflosigkeit im Sinne des § 105 a ASVG verneint.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit. b ASGG.

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