OGH 7Ob158/14g

OGH7Ob158/14g5.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr.

Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. C***** M*****, und 2. M***** M*****, beide vertreten durch Dr. Julia Klatil, Rechtsanwältin in Villach, gegen die beklagte Partei K***** M*****, vertreten durch Dr. Alexander Klaus Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt, und den Nebenintervenienten Dr. P***** Z*****, vertreten durch Mag. Hannes Arneitz, Rechtsanwalt in Villach, wegen Einverleibung einer Dienstbarkeit, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 4. Juni 2014, GZ 2 R 101/14a‑67, womit das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 16. März 2014, GZ 16 C 1743/12x‑63, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00158.14G.1105.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 642,70 EUR (darin enthalten 107,12 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Frage, ob das eingeräumte Mitbenützungsrecht (Servitut) durch Errichtung von Badekabinen und Betreten der Liegewiese zum Aufenthalt und Baden als Einheit ausgestaltet sei und daher eine Teilausübung die Verjährung ausschließe oder ob voneinander unabhängige Rechte bestünden, die einzeln verjähren könnten, erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Der Beschluss kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936, RS0044358, RS0042776). Das ist hier nicht der Fall.

Die Revision übergeht, dass nach Punkt Fünftens des Schenkungsvertrags vom 21. 10. 1974 auch eine Erbsentfertigung der Mutter der Kläger erfolgte. Die eingeräumte Grunddienstbarkeit der „Mitbenützung des Seegrundstücks“ wird in Punkt Zehntens spezifiziert mit dem Recht, fünf Badekabinen nach Maßgabe der baubehördlichen Bewilligung zu errichten, und zwar in der Größe und Art entsprechend den bereits bestehenden Kabinen, und mit dem Recht, dass 20 Badegäste die Kabinen benützen, die Liegewiese betreten, sich dort aufhalten und baden dürfen. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass damit eine einheitliche Servitut vereinbart worden sei und nicht zwei unabhängig von einander bestehende Einzelrechte, ist im Einzelfall nicht zu beanstanden. Der Sinn und Zweck dieser Vertragsbestimmung bezieht sich darauf, bis zu 20 Personen die Möglichkeit zu geben, die Wiese zu betreten, sich dort aufzuhalten, in der Sonne zu liegen und zu baden. Das Recht zur Errichtung der Badekabinen unterstützt lediglich die Verwendung des Seegrundstücks als sommerliches Freizeitareal und besteht nicht unabhängig davon.

Schon die Teilausübung eines Rechts auf fremdem Grund schließt die Verjährung nach § 1482 Satz 1 ABGB aus. Nur dann, wenn der Grund einer bloßen Teilrechtsausübung der Dienstbarkeit die Untersagung oder Hinderung durch den Eigentümer des dienenden Grundes ist, kann das Recht im nicht ausgeübten Umfang verjähren (RIS‑Justiz RS0104359). Eine Teilrechtsausübung liegt vor, wenn der Berechtigte Handlungen vornimmt, zu denen er nur befugt ist, weil ihm die Dienstbarkeit zusteht. Es genügt, wenn nur ein kleiner Teil der ihm zustehenden Befugnisse ausgenützt wird (RIS‑Justiz RS0034136).

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die den Klägern eingeräumte Servitut der Mitbenützung der Liegenschaft nicht schon deshalb verjährt sei, weil sie keine Badekabinen errichtet hätten, hält sich im Rahmen der Judikatur. Nach den Feststellungen haben die Kläger und andere Personen, denen sie dies gestattet haben, die Liegewiese betreten, benützt und die Möglichkeit zum Baden wahrgenommen.

Eine Dienstbarkeit kann nur bestehen, wenn sie für das herrschende Grundstück nützlich und bequem ist, und erlischt, wenn sie zwecklos wird (RIS‑Justiz RS0011582, RS0011589). Bei der Beurteilung des Utilitätserfordernisses ist kein strenger Maßstab anzuwenden (RIS‑Justiz RS0011593). Ein zwingend angeordnetes Verbot einer Nutzungsausübung kann nicht zum Erwerb eines entsprechenden dinglichen Rechts durch Ersitzung führen (RIS‑Justiz RS0113071; RS0109028). Ein die Ersitzung hinderndes Verbot liegt aber nicht schon immer dann vor, wenn gegen eine Bewilligungspflicht verstoßen wurde (9 Ob 52/13g).

Auch wenn im Hinblick auf § 8 Abs 2 Wasserrechtsgesetz (WRG) das Baden in privaten Gewässern nicht ohne weiteres gestattet ist, ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass auch ohne Badebewilligung durch den privaten Seeeigentümer die Servitut nicht zwecklos geworden sei, nicht zu beanstanden. Die Servitut bezieht sich ja nicht auf das Baden im See selbst, sondern auf die Benützung der Liegenschaft. Diese kann auch von Personen, die nicht (ausschließlich) baden wollen, lediglich als Liegewiese benützt werden, weil unter dem Begriff „Badegäste“ im allgemeinen Sprachgebrauch nicht nur solche Personen gemeint sind, die jedenfalls immer auch im See baden. Die Zustimmung des Seeeigentümers könnte überdies jederzeit eingeholt werden.

Bei Dienstbarkeiten oder ähnlichen Verhältnissen, die nicht auf dem Fortbestand des gegenseitigen Vertrauens beruhen, kann das Abstehen vom Vertrag aus wichtigen Gründen nur als äußerstes „Notventil“ gelten (RIS‑Justiz RS0011519). Ein wichtiger Grund zur Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses, der in der Person des Vertragspartners gelegen sein muss, liegt vor, wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses dem einen Teil unter Berücksichtigung der Eigenart des Schuldverhältnisses, des gesamten Verhaltens des Vertragspartners und der Interessen beider Vertragsteile nicht zugemutet werden kann. Als solcher Grund ist nicht jeder objektive Verstoß gegen die Verhaltenspflichten, sondern bloß ein rechtswidriges Verhalten wider besseres Wissen oder ein solches anzusehen, bei dem dem Vertragspartner grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, zu dem er sich also nicht etwa aus vertretbaren Gründen für berechtigt halten durfte (7 Ob 45/10h mwN).

Feststeht, dass weder die Rechtsvorgängerin der Beklagten noch die Beklagte von der Mutter der Kläger Kostenersatz verlangt haben, es wurde auch keiner bezahlt. Die Kläger meinen, die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die Beklagte hätten damit auf das im Schenkungsvertrag eingeräumte Recht auf Kostenbeteiligung schlüssig verzichtet. In der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass eine Kündigung der Servitut wegen der bisherigen Weigerung der Kläger, Kosten zu tragen, nicht berechtigt sei, weil die Kläger aufgrund vertretbarer Rechtsansicht und nicht „wider besseres Wissen“ oder grob fahrlässig gehandelt hätten, ist ein Widerspruch zur Rechtsprechung nicht zu erkennen. Ob die Rechtsansicht der Kläger zutreffend ist, ist hier nicht zu beurteilen.

Dass das Klagebegehren ausreichend bestimmt ist, weil es ausdrücklich auf Punkt Zehntens des Schenkungsvertrags vom 21. 10. 1974 hinweist, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Kannte der Erwerber der belasteten Liegenschaft die zu verbüchernde, aber nicht verbücherte Dienstbarkeit, so ist sie ihm gegenüber ‑ unabhängig von einer vertraglichen Überbindung ‑ wirksam (RIS‑Justiz RS0011631 [T7, T8]). Nach den Feststellungen wusste die Beklagte um die im Schenkungsvertrag vom 21. 10. 1974 geregelten Servitutsrechte und deren Ausübung durch die Kläger. Der Schenkungsvertrag räumt eine zu verbüchernde Servitut ein.

Es werden daher insgesamt keine erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift zusteht, besteht nach ständiger Rechtsprechung für weitere Rechtsmittelschriften, Nachträge oder Ergänzungen, die am selben Tag wie der erste Rechtsmittelschriftsatz bei Gericht einlangen (RIS‑Justiz RS0041666 [T53, T54]). Die Kläger haben am selben Tag ihre Revisionsbeantwortung um das Kostenverzeichnis ergänzt. Die Revisionsbeantwortung wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin.

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