OGH 9ObA94/14k

OGH9ObA94/14k29.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** H*****, vertreten durch Dr. Klaus Fürlinger und Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Dr. Barbara Auzinger, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung, in eventu Entlassungsanfechtung, in eventu 30.864,46 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Juli 2014, GZ 12 Ra 44/14y‑17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00094.14K.1029.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Trifft beide Teile ein Mitverschulden an der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses, so hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt (§ 1162c ABGB sowie § 32 AngG). An der Berechtigung der Entlassung ändert ein Mitverschulden des Arbeitgebers jedoch nichts. Das pflichtwidrige und schuldhafte Verhalten des entlassenen Arbeitnehmers wird dadurch nicht beseitigt (Pfeil in Schwimann, ABGB³ V § 1162c ABGB Rz 2 mwN). Vielmehr ist die Mitverschuldensregel grundsätzlich nur bei berechtigter vorzeitiger Auflösung anwendbar (RIS‑Justiz RS0116864).

Mit dem Mitverschuldenseinwand zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf. Wenn das Berufungsgericht in den von der Klägerin behaupteten fehlenden organisatorischen Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen der Beklagten, die einen Befugnismissbrauch der Klägerin überhaupt verhindern hätten sollen, im Einzelfall kein schuldhaftes Verhalten der Beklagten gesehen hat, dann ist diese Rechtsansicht nicht unvertretbar. Dem weiteren Einwand der Klägerin, die Beklagte habe entsprechende Schulungen und Fortbildungen ihrer Mitarbeiter zu den einschlägigen Rechtsnormen unterlassen, hat das Berufungsgericht entgegengehalten, dass bereits die Lebenserfahrung eines Durchschnittsmenschen genügt hätte, die Verbotswidrigkeit des Handelns der Klägerin zu erkennen. Auch diese Ansicht ist nicht korrekturbedürftig. Die Klägerin, die zum Zeitpunkt des Vorfalls bereits rund neun Jahre am Schalter einer Filiale der Beklagten für sämtliche Post- und Bankangelegenheiten, insbesondere auch mit Änderungen an Sparbüchern, zuständig war, stellt in ihrer Zulassungsbeschwerde auch gar nicht darauf ab, dass sie berechtigt davon ausgehen habe können, dass die Identifizierung eines Sparbuchs die Vorlage desselben nicht zwingend erfordern würde.

2. Ob eine Entlassung rechtzeitig oder verspätet vorgenommen wurde, lässt sich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen, womit ‑ von Fällen grober Fehlbeurteilung abgesehen ‑ keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO begründet wird (RIS‑Justiz RS0031571 [T9]). Eine solche grobe Fehlbeurteilung wird in der Revision nicht aufgezeigt. Die Frage, ob sich die Klägerin zwischen dem Vorfall und dessen Bekanntwerden wohlverhalten hat, ist für die Beurteilung der Unverzüglichkeit des Entlassungsausspruchs ohne Belang. Wenn die Klägerin mit ihren Überlegungen auf die Frage der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung rekurriert, handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls (9 ObA 13/10t ua).

3. Soweit die Klägerin mit ihrem behaupteten Wohlverhalten seit dem entlassungsbegründenden Vorfall das beim Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit zu berücksichtigende Gesamtverhalten anspricht (vgl RIS‑Justiz RS0081395), geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Die Klägerin wurde nämlich ca sieben Monate vor der Entlassung von der Beklagten wegen einer weiteren Dienstpflichtverletzung streng ermahnt.

4. Aus Überlegungen der Klägerin unter dem Titel der „Gleichbehandlung“ bezüglich des Umgangs anderer Banken mit „Skandalen“ und „Debakeln“ von Führungskräften ist für den Prozessstandpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Stichworte