OGH 9ObA68/14m

OGH9ObA68/14m29.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. A***** L*****, vertreten durch Dr. Stephan Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei L***** gGesmbH, *****, vertreten durch Dr. Alfons Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 300.320,31 EUR brutto und 35.820,97 EUR netto sA (Revisionsinteresse: 300.320,31 EUR brutto und 21.402,24 EUR netto sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. April 2014, GZ 15 Ra 7/14p‑35, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in der Sache dahin abgeändert, dass das Ersturteil wie folgt zu lauten hat:

1. Die Klagsforderung besteht mit 111.624,06 EUR brutto sA und 8.001,95 EUR netto sA zu Recht.

2. Die Gegenforderung besteht nicht zu Recht.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 111.624,06 EUR brutto samt 8,38 % Zinsen aus

dem 45.796,77 EUR brutto entsprechenden Nettobetrag seit 24. 11. 2011,

dem 3.628,29 EUR brutto entsprechenden Nettobetrag seit 1. 3. 2012,

dem 15.549,75 EUR brutto entsprechenden Nettobetrag seit 1. 4. 2012,

dem 15.549,75 EUR brutto entsprechenden Nettobetrag seit 1. 5. 2012,

dem 15.549,75 EUR brutto entsprechenden Nettobetrag seit 1. 6. 2012,

dem 15.549,75 EUR brutto entsprechenden Nettobetrag seit 1. 7. 2012,

sowie 8.001,95 EUR netto samt 8,38 % Zinsen aus

3.299,76 EUR netto seit 24. 11. 2011,

257,31 EUR netto seit 1. 3. 2012,

1.111,22 EUR netto seit 1. 4. 2012,

1.111,22 EUR netto seit 1. 5. 2012,

1.111,22 EUR netto seit 1. 6. 2012,

1.111,22 EUR netto seit 1. 7. 2012,

zu zahlen.

4. Das auf Zahlung weiterer 188.696,25 EUR brutto sA sowie 27.819,02 EUR netto sA gerichtete Mehrbegehren der klagenden Partei wird abgewiesen.

5. Der Kostenausspruch des Erstgerichts wird aufgehoben. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz wird dem Erstgericht übertragen.

Der Kostenausspruch des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 7.618,37 EUR (darin 179,60 EUR USt, 6.540,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiter schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 9.295,39 EUR (darin 118,40 EUR USt, 8.585,01 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

1. Die beklagte gemeinnützige GmbH erbringt Dienstleistungen für Menschen mit Behinderung. Der Kläger war bei ihr mit Wirksamkeit ab 1. 5. 2009 als einer von zwei Geschäftsführern angestellt. Darüber hinaus fungierte er ab August 2009 bei ihrer auf die Betreuung behinderter Kinder ausgerichteten Schwestergesellschaft unentgeltlich als organschaftlicher Geschäftsführer.

Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten sieht vor, dass die Geschäftsführer für ihre Dienstleistungen zu Lasten der Gesellschaft ein Gehalt beziehen, dessen Höhe jeweils in dem von der Generalversammlung zu beschließenden Dienstvertrag festgesetzt wird. In diesem Dienstvertrag sind auch die Bestimmungen über Urlaub, Dauer des Dienstverhältnisses sowie die weiteren arbeitsrechtlichen Vereinbarungen aufzunehmen (§ 8 Pkt 8 des Gesellschaftsvertrags).

Alleingesellschafter der Beklagten und ihrer Schwestergesellschaft ist der V*****, der sich ua aus Leistungen der öffentlichen Hand finanziert. Organe des Vereins sind die Generalversammlung, der erweiterte Vorstand, der Vorstand, Rechnungsprüfer/innen und ein Schiedsgericht (§ 6 der Vereinsstatuten). Der Vorstand besteht aus: Präsident/in, höchstens zwei Stellvertretern/innen, Schriftführer/in, Finanzreferent/in, einer/n geschäftsführenden Bezirks‑/Regionalvertreter/in und höchstens drei Vertreter/innen aus dem Lebensumfeld der vom Verein geförderten Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung (Angehörige, Sachwalter/innen) sowie Geschäftsführer/in mit beratender Stimme (§ 11 Pkt 1 der Vereinsstatuten). Dem Vorstand obliegt ua die Beratung und Beschlussfassung hinsichtlich aller Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich der Generalversammlung oder dem erweiterten Vorstand vorbehalten sind (§ 11 Pkt 3 lit e der Vereinsstatuten). Die Vertretung der Vereins nach außen erfolgt durch den/die Präsident/in oder den/die Vizepräsidenten/in oder den/die Finanzreferenten/in oder den/die Geschäftsführer/in (§ 11 Pkt 6 der Vereinsstatuten). Der jeweilige Präsident des Vereins ist auch Vorsitzender des Aufsichtsrats der Beklagten (§ 9 Pkt 4 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten).

Vor seiner Anstellung bei der Beklagten war der Kläger seit 1992 ehrenamtlich im Vorstand des Vereins tätig und übte die Funktion des Finanzreferenten aus. Ab 2001 war er auch Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten, ab 2005 auch Mitglied des Aufsichtsrats ihrer Schwestergesellschaft. Hauptberuflich war der Kläger seit 1985 als Geschäftsleiter, Prokurist und zuletzt Geschäftsführer im R*****sektor tätig, befand sich dort in einem durchgehenden Dienstverhältnis und hatte 2008 faktischen Bestandschutz im Sinn einer Unkündbarkeit bis zur Pensionierung.

Im Herbst 2008 sollte der Kläger aufgrund seiner Kompetenzen als zweiter Geschäftsführer der Beklagten gewonnen werden. Die bisherigen Geschäftsführer der Beklagten hatte der damalige Vereinspräsident immer allein ausgewählt, bestellt und angestellt und in der Folge den Vereinsvorstand und Aufsichtsrat der Beklagten jeweils nur informiert. Als er an den damals 57‑jährigen Kläger herantrat, war es diesem wichtig, als zweiter Geschäftsführer der Beklagten sowohl gehaltsmäßig als auch bezüglich der Dauer der Beschäftigung entsprechend abgesichert zu werden. Er entschloss sich, zu den ihm vom Vereinspräsidenten vorgeschlagenen Konditionen die Position des zweiten Geschäftsführers der Beklagten zu übernehmen, erklärte aber, seine Arbeit für die Beklagte erst ab Mai 2009 aufnehmen zu können und bestand darauf, dass der Vereinsvorstand vor der Unterfertigung des Dienstvertrags seiner Bestellung zustimme.

Noch vor der Sitzung des Vereinsvorstands vom 10. 12. 2008 hatte der Vereinspräsident dem Kläger einen Entwurf des Dienstvertrags überreicht. In der Sitzung, in der auch der Kläger ‑ damals noch Finanzreferent des Vereins ‑ anwesend war, informierte der Vereinspräsident die Anwesenden unter dem Tagesordnungspunkt „Allfälliges“ darüber, dass er den Kläger als Kollegialgeschäftsführer an die Seite des bisherigen Geschäftsführers der Beklagten stellen wolle. Jemand fragte nach dem Gehalt des Klägers. Dies beantwortete der Vereinspräsident dahin, dass die Details zum Dienstvertrag noch mit dem Aufsichtsrat besprochen werden müssten, dass der Kläger jedoch unter denselben Bedingungen angestellt werden sollte wie der andere Geschäftsführer der Beklagten. Ein schriftlicher Entwurf des Dienstvertrags des Klägers lag dem Vereinsvorstand nicht vor. Mit Ausnahme des Vereinspräsidenten, des Klägers und des Geschäftsführers des Vereins hatten die Sitzungsteilnehmer auch keine näheren Informationen zu den Details des Dienstvertrags. Weitere Fragen wurden nicht gestellt.

Der Antrag des Vereinspräsidenten, den Kläger mit Wirkung zum 1. 5. 2009 zum Kollektivgeschäftsführer der Beklagten zu bestellen, wurde in der Folge unter Stimmenthaltung des Klägers einstimmig angenommen.

Am Folgetag wurde der Dienstvertrag vom Kläger und dem Vereinspräsidenten und auch zeitnah vom Geschäftsführer des Vereins unterzeichnet. Darin war ein monatliches Bruttogehalt des Klägers von 10.800 EUR vierzehnmal jährlich vorgesehen. Weiter war vereinbart, dass das Vertragsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zum letzten eines Kalendervierteljahres von jeder der Parteien aufgelöst werden könne (Pkt II. 2. des Dienstvertrags). Zur Erzielung einer dem vorigen Dienstverhältnis gleichwertigen Bestandsicherheit enthielt der Vertrag überdies einen Kündigungsverzicht der Beklagten bis 31. 8. 2017 (= 65. Lebensjahr des Klägers). Dem Kläger sollte auch ein privat nutzbares Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt werden. Hinsichtlich des Verfalls von Ansprüchen wurde vereinbart, dass „die Ansprüche des Geschäftsführers aus Auslagen und Schadenersatz erlöschen, wenn die Abrechnung gegenüber dem Dienstgeber nicht binnen drei Monaten nach Ablauf des Monats, in dem sie angefallen sind, erfolgt ist.“ (Pkt X. 12. des Dienstvertrags). Eine Beschlussfassung des Aufsichtsrats der Beklagten über den Dienstvertrag des Klägers fand nicht statt. Über den genauen Inhalt des Dienstvertrags waren auch die Vorstandsmitglieder mit zwei Ausnahmen nicht im Bilde.

Am 1. 5. 2009 trat der Kläger seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Beklagten an und legte zeitgleich seine ehrenamtlichen Funktionen als Finanzreferent des Vereins sowie Mitglied der Aufsichtsräte der Beklagten und ihrer Schwestergesellschaft zurück. Er wurde in seinen Funktionen bis zur Neubildung der Gremien im März 2011 von allen Entscheidungsträgern und Mitgliedern der Vereins‑ und Gesellschaftsgremien in finanziellen Dingen als absolut kompetent angesehen sowie als akkurat und kooperativ beurteilt und deshalb auch von den Mitarbeitern in höchstem Maß geschätzt.

Die Entscheidungsprozesse im Gesamtunternehmen L***** waren dadurch gekennzeichnet, dass der Vereinspräsident und Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten sowie Aufsichtsratsmitglied der Schwestergesellschaft eine sehr dominante Stellung einnahm. Neben den offiziellen Gremien gab es die sog. „Präsidiale“ (Sitzungen der Führungskräfte im kleinen Kreis), in der die wesentlichen Belange des Gesamtunternehmens beschlossen wurden; vieles ging daher am Vorstand und am erweiterten Vorstand des Vereins vorbei.

Da die Schwestergesellschaft massiven Liquiditätsbedarf hatte, war eine Fusion der Gesellschaften beabsichtigt. Als zu Jahresende 2010 die Auszahlung der Gehälter der Mitarbeiter der Schwestergesellschaft gefährdet war, veranlasste der Kläger am 30. 12. 2010 über schriftliche Weisung des Vereinspräsidenten vom 29. 12. 2010 im Hinblick auf die geplante Fusionierung die Überweisung eines Verrechnungsbetrags von 400.000 EUR von der Beklagten an die Schwestergesellschaft. Der Auftrag zur Überweisung war auch im Protokoll der Aufsichtsratssitzung der Schwestergesellschaft vom 29. 12. 2010 festgehalten worden.

Da der Verein kurz davor aufgrund einer negativen Medienkampagne stark unter Druck geraten war, traten der Vereinspräsident und der Geschäftsführer des Vereins am 31. 12. 2010 von allen Funktionen zurück. In der Folge wurden die Vereinsfunktionäre neu gewählt.

Die weitere Entwicklung stellt sich zusammengefasst wie folgt dar: Die finanzielle Situation der Schwestergesellschaft wurde ‑ wie vom Berufungsgericht detailliert festgestellt (Berufungsurteil S 100‑134) ‑ in zahlreichen der folgenden Sitzungen der neuen Gremien vom Kläger stets offengelegt und blieb Sitzungsthema. So präsentierte der Kläger in der konstituierenden Aufsichtsratssitzung der Beklagten vom 14. 3. 2011 die Entwicklung der Schwestergesellschaft und legte ua die von ihm zum Stichtag 30. 6. 2010 erarbeitete Fusionsbilanz und das Konzept eines Verschmelzungsvertrags vor, zu der die Tiroler Landesregierung ihre Zustimmung signalisiert habe. Die neue Vereinspräsidentin gab zugunsten der Schwestergesellschaft eine Patronatserklärung des Vereins über 500.000 EUR ab. In den Folgemonaten kristallisierte sich jedoch heraus, dass das Land die Abdeckung der Verluste der Schwestergesellschaft mit Mitteln der Beklagten nicht billigte und die Behördenvertreter keine Bescheide mehr für Kinder ausstellen wollten, die in der Schwestergesellschaft therapiert wurden. Die Fusion kam letztlich nicht zustande.

Anfang Juni 2011 wurde dem Kläger vom Vertreter des Personalausschusses erklärt, dass die L***** ein Weiterführen wie bisher nicht aushalte, eine Weiterbeschäftigung des Klägers als Geschäftsführer nur mit einem Gehalt von 7.200 EUR brutto vorstellbar sei und man auch über sein Auto nachdenken müsse.

Noch vor der Vorstandssitzung des Vereins vom 7. 6. 2011 informierte der Kläger die Vorstandsmitglieder, keine Verantwortung für die Schwestergesellschaft mehr übernehmen zu können, wenn nicht bestimmte Maßnahmen gesetzt würden. In der Vorstandssitzung selbst wurde im Protokoll festgehalten, dass zur Stärkung der Liquidität der Schwestergesellschaft am 9. 7. 2010 ein Darlehen von 100.000 EUR und am 30. 12. 2010 zur Überweisung der Weihnachtsgehälter ein Verrechnungsbetrag von 400.000 EUR angewiesen worden seien. Beide Beträge seien nach Beschlüssen in den Gremien zu Lasten der Beklagten im Hinblick auf die geplante Fusion zur Verfügung gestellt worden. Der Verein beschloss zwar nicht die von der Beklagten zur Abdeckung der zur Verfügung gestellten Mittel beantragte Überweisung dieser Beträge, gab jedoch die unwiderrufliche Verpflichtungserklärung ab, „den Betrag von 500.000 EUR zur Abdeckung des Finanzverlustes zu übernehmen, jedenfalls bei Bedarf einer Liquidation.“

In der Sitzung des erweiterten Vorstands vom 21. 6. 2011 berichtete die neue Vereinspräsidentin von einem Gespräch mit dem Soziallandesrat, dass das Land nicht 700 Kinder in der Luft hängen lassen wolle, weshalb mit einer Verlängerung des Betriebs der Schwestergesellschaft bis Jahresende gerechnet wurde. In Abwesenheit der Klägers erörterte sie sodann, dass nicht zuletzt aufgrund der Kritik in der Öffentlichkeit die Gehälter der Geschäftsführer reduziert werden müssten, wofür vom neu gebildeten Personalausschuss des Vereins eine Neuausschreibung der Geschäftsführerstellen vorgeschlagen worden sei.

Am 23. 6. 2011 erklärte der Kläger seinen Rücktritt als Geschäftsführer der Schwestergesellschaft.

Da er erfahren hatte, dass seine Wiederbestellung als Geschäftsführer auch nach einer Bewerbung im Ausschreibungsverfahren nicht mehr in Frage käme, erklärte er mit Schreiben vom 29. 7. 2011, weiterhin seine volle Arbeitskraft der Beklagten zu widmen. Nach mehreren Gesprächen, in denen die Beklagte ihre Absicht, den Geschäftsführervertrag nicht erfüllen zu wollen, signalisiert hatte, bat der Kläger mit Schreiben vom 22. 9. 2011 um einen Vorschlag zur einvernehmlichen Lösung per 31. 12. 2011.

In der erweiterten Vorstandssitzung des Vereins vom 22. 11. 2011 wurde thematisiert, dass der Weisung des früheren Vereinspräsidenten, der Schwestergesellschaft 400.000 EUR zu überweisen, kein Vorstandsbeschluss zugrunde gelegen und der Aufsichtsrat nie mit dem Thema beschäftigt worden sei, was der Kläger wissen hätte müssen. In der Vorstandssitzung vom 7. 6. 2011 sei dagegen schriftlich dargelegt worden, dass die Anweisung auf Basis eines Beschlusses im Gremium erfolgt sei. Der Kläger habe den Vereinsvorstand in die Irre geführt. Der Vereinspräsidentin wurde die Ermächtigung erteilt, die beiden Geschäftsführer nach Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit aus ihren bisherigen Funktionen abzuberufen und als Geschäftsführer zu entheben.

Am 23. 11. 2011 beschloss die Generalversammlung der Beklagten in Gestalt der Vereinspräsidentin, den Kläger von seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beklagten mit sofortiger Wirkung abzuberufen und sein Dienstverhältnis durch fristlose Entlassung zu lösen. Das Entlassungsschreiben wurde dem Kläger noch am selben Tag überreicht.

In einer E‑Mail vom 8. 8. 2011 hatte der Kläger die leitenden Mitarbeiter des operativen Bereichs der Beklagten darüber informiert, dass die Leiterin eines Wohnhauses dienstfrei gestellt worden sei, weil schwerwiegende Vorwürfe gegen sie bekannt worden seien. Damit hatte er das Aufkommen von Gerüchten unterbinden wollen.

Der Kläger begehrte mit seiner am 1. 12. 2011 eingebrachten Klage von der Beklagten zuletzt die Zahlung von 300.320,31 EUR brutto zuzüglich 35.820,97 EUR netto sA und brachte im Wesentlichen vor, zu Unrecht entlassen worden zu sein, sodass ihm die Beklagte das bei vertragsgemäßer Beendigung des Dienstverhältnisses durch Dienstgeberkündigung gebührende Entgelt aus dem Titel der Kündigungsentschädigung schulde. Infolge des von ihr bis 31. 8. 2017 abgegebenen Kündigungsverzichts hätte sie ihn frühestens am 1. 9. 2017 zum 31. 12. 2017 kündigen können. Er habe keinen Entlassungstatbestand verwirklicht. Allenfalls sei die Entlassung verspätet erfolgt, weil sie hinsichtlich aller den maßgeblichen Gremien der Beklagten und des Vereins bekannten Vorwürfe infolge monatelanger Untätigkeit zum Zeitpunkt des Entlassungsausspruchs längst verwirkt gewesen sei.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte zusammengefasst ein, der Dienstvertrag sei mangels eines Generalversammlungsbeschlusses nie wirksam zustande gekommen, zumindest sei er hinsichtlich der völlig unüblichen Klauseln, nämlich des Kündigungsverzichts, der Entgelthöhe und der Sachbezüge unwirksam. Der Kläger habe als langjähriger Finanzreferent des Vereins und Jurist gewusst, dass der Vertrag erst auf Basis entsprechender Gremialbeschlüsse verbindlich werde und eine ad hoc ohne entsprechenden Tagesordnungspunkt unter „Allfälliges“ stattfindende Beschlussfassung unwirksam sei.

Die Entlassung sei berechtigt gewesen, weil sich der Kläger eine Vielzahl entlassungsbegründender Verfehlungen habe zuschulden kommen lassen, mit denen er die Tatbestände der Untreue und Vertrauensunwürdigkeit verwirklicht habe. (Soweit noch relevant, werden sie im Einzelnen bei der Behandlung der Revision darzustellen sein.)

Die Ansprüche seien im Hinblick auf die vereinbarte Verfallsklausel insgesamt bzw zum Großteil verfallen. Die Höhe der Sachbezüge werde bestritten. Eine Urlaubsersatzleistung stehe dem Kläger nicht zu. Auch müsse er sich entsprechende Einkünfte, die er zu erzielen in der Lage gewesen wäre, anrechnen lassen. Einer allenfalls zu Recht bestehenden Klagsforderung würden die im Jahr 2005 vom Kläger als Finanzreferent des Vereins ausbezahlten 14.400 EUR sowie die vom Kläger ohne genehmigende Beschlüsse der zuständigen Gremien von der Beklagten an die Schwestergesellschaft transferierten Beträge von 500.000 EUR eingewandt, die für die Beklagte gänzlich verloren seien.

Das Erstgericht folgte auf Basis des eingangs dargelegten Sachverhalts dem Klagsvorbringen. Es sprach aus, dass die Klagsforderung mit 300.320,31 EUR brutto zuzüglich 35.820,97 EUR netto zu Recht, die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und die Beklagte zur Zahlung des Klagsbetrags sA verpflichtet sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten insoweit teilweise Folge, als es die Nettoforderung (Dienstfahrzeug und Diensthandy als Sachbezüge) nur im Ausmaß von 21.402,24 EUR netto sA als berechtigt erachtete und das Mehrbegehren von 14.418,73 EUR netto sA abwies. Es kam zusammengefasst zum Ergebnis, dass der Dienstvertrag wirksam abgeschlossen worden sei und sich sämtliche dem Kläger vorgeworfenen Entlassungsgründe entweder als nicht stichhaltig erwiesen hätten oder verspätet aufgegriffen worden seien, sodass die Entlassung unberechtigt gewesen sei. Die Ansprüche seien nicht verfallen. Die Gegenforderung sei nicht berechtigt.

In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision beantragt die Beklagte, das Berufungsurteil im Sinn einer Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurück‑, in eventu abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Beurteilung des wirksamen Zustandekommens des Dienstvertrags einer Korrektur bedarf; sie ist daher teilweise berechtigt.

1. Die Beklagte richtet sich zunächst gegen die Rechtswirksamkeit des Dienstvertrags, insbesondere des vereinbarten Kündigungsverzichts bis 2017, weil der Vertrag vom Vereinspräsidenten ohne Beschluss des Vereinsvorstands herbeigeführt worden sei. Dies sei dem Kläger bekannt gewesen.

1.1. Die Unterscheidung zwischen der organschaftlichen Bestellung eines Geschäftsführers und seiner dienstvertraglichen Anstellung wurde bereits vom Berufungsgericht ausführlich (Berufungsurteil S 188 ff) dargelegt. Hier ist zum Abschluss des Dienstvertrags des Klägers Stellung zu nehmen:

Aus § 8 Pkt 8. des Gesellschaftsvertrags der Beklagten ergibt sich, dass der Dienstvertrag eines Geschäftsführers von ihrer Generalversammlung zu beschließen ist. Diese besteht hier aus dem Verein als Alleingesellschafter der Beklagten. Der Verein wird nach § 11 Pkt 6. der Vereinsstatuten nach außen durch den Präsidenten vertreten. Die Vertretungsbefugnis für den Verein als für den Abschluss des Dienstvertrags zuständigen Alleingesellschafter der Beklagten kam danach alleine dem Präsidenten zu.

1.2. Vereinsintern obliegt die Beratung und Beschlussfassung hinsichtlich aller Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich der Generalversammlung oder dem erweiterten Vorstand des Vereins vorbehalten sind, dem Vorstand (§ 11 Pkt 3.e. der Vereinssatzung). Mangels einer anderen Regelung fällt daher auch die Beschlussfassung über den Abschluss des Dienstvertrags des Klägers darunter.

1.3. Faktisch hatte der Vereinspräsident die bisherigen Geschäftsführer der Beklagten immer alleine ausgewählt, bestellt und angestellt sowie in der Folge den Vereinsvorstand und den Aufsichtsrat der Beklagten davon jeweils informiert. Daraus kann prinzipiell geschlossen werden, dass die Vertragsabschlusskompetenz des Vorstands in dem Maß, als es der regelmäßigen Praxis und Übung entsprach, dem Vereinspräsidenten übertragen worden war. Im Umkehrschluss kann eine solche Übertragung daher nicht angenommen werden, soweit der Inhalt eines Dienstvertrags nicht der regelmäßigen Praxis und Übung entsprach.

1.4. Das Entgelt des Klägers war dem Vereinsvorstand in der Sitzung vom 10. 12. 2008 mit dem Verweis des Präsidenten auf den Dienstvertrag des zweiten Geschäftsführers der Beklagten bekannt gegeben worden, sodass diesbezüglich von einer Billigung des Vorstands ausgegangen werden kann.

1.5. Anders verhält es sich mit dem von der Beklagten bekämpften Kündigungsverzicht. Dieser hätte eine finanzielle Verpflichtung des Vereins zur Zahlung eines monatlichen Entgelts von 10.600 EUR brutto vierzehnmal jährlich für mehr als acht Jahre ‑ dh rund 1,2 Mio EUR - selbst für den Fall bedeutet, dass die Beklagte das Dienstverhältnis mit dem Kläger, abgesehen von einem Entlassungsgrund, nicht weiter fortsetzen gewollt oder gekonnt hätte. Unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers ist der vereinbarte Kündigungsverzicht zwar nicht verwerflich oder sittenwidrig. Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass es der damaligen Übung und Praxis im Verein entsprach, dass der Vereinspräsident im Zusammenhang mit dem Abschluss von Geschäftsführer-Dienstverträgen ohne vorherige Information des Vorstands Vertragskonditionen mit derart weitreichenden finanziellen Verpflichtungen für die Beklagte einging. Hier wurde der Vereinsvorstand entgegen den sonstigen Gepflogenheiten überdies selbst nachträglich nicht über die Details des Dienstvertrags des Klägers informiert. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Präsident vereinsintern befugt gewesen wäre, ohne Beschlussfassung oder Befassung des Vereinsvorstands eine für die Finanzgebarung des Vereins so bedeutsame Vertragsbedingung wie den bis 31. 8. 2017 geltenden Kündigungsverzicht mit dem Kläger zu vereinbaren. Schließlich setzte auch weder der alte noch der neue Vereinsvorstand, der den Dienstvertrag des Klägers im Frühjahr 2011 erstmals näher hinterfragte, ein Verhalten, das als nachträgliche Billigung des Kündigungsverzichts verstanden werden könnte.

1.6. Aus Gründen des Verkehrsschutzes wird die Gültigkeit des vom Vertreter, hier dem Vereinspräsidenten, mit einem Dritten, hier dem Kläger, abgeschlossenen Geschäfts grundsätzlich nicht berührt.

Davon wird aber dann eine Ausnahme gemacht, wenn der Dritte nicht schutzwürdig ist (RIS‑Justiz RS0019576; RS0016733). Dies wird dann angenommen, wenn der Vertreter und der Dritte kollusiv, also absichtlich zusammengewirkt haben, um den Vertretenen zu schädigen; dem ist gleichzuhalten, dass der Vertreter mit Wissen des Dritten bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelte oder sich der Missbrauch dem Dritten geradezu aufdrängen musste (s RIS‑Justiz RS0061587 [T1, T4], RS0061579 [T1, T2]; zur Bedeutung der Schutzwürdigkeit des Vertragspartners s auch Apathy in Schwimann/Kodek 4 § 1017 ABGB Rz 13; Strasser in Rummel 3 § 1017 ABGB Rz 23b).

1.7. Im vorliegenden Fall war der Kläger zum Zeitpunkt, als seine Bestellung bei der Beklagten vom Vereinsvorstand beschlossen wurde, Finanzreferent und damit noch Mitglied des Vereinsvorstands. Als solcher musste ihm bewusst sein, dass sowohl die Bestellung als auch die Anstellung eines Geschäftsführers der Beklagten, soweit sie über den Abschluss üblicher Geschäftsführer-Dienstverträge hinausging, vereinsintern in die Zuständigkeit des Vereinsvorstands fiel. Er machte seine Bestellung auch selbst ‑ ungeachtet der sonstigen Gepflogenheiten ‑ explizit von der Zustimmung des Vereinsvorstands abhängig.

Obwohl der Kläger bereits über einen Entwurf seines Dienstvertrags verfügte, wurde der Kündigungsverzicht in der Vereinssitzung vom 10. 12. 2008 nicht thematisiert. Der Vereinspräsident informierte den Vorstand darüber nicht. Bezüglich der Frage nach dem Gehalt des Klägers verwies er lediglich auf jenes des zweiten Geschäftsführers und berief sich im Übrigen nur darauf, dass die Details erst mit dem Aufsichtsrat zu klären seien. Gerade dem Kläger als Finanzreferent musste damit klar sein, dass der Vereinsvorstand über die finanziellen Implikationen seines Dienstvertrags in keiner Weise ausreichend informiert war. Dennoch wurde sein Dienstvertrag schon am Tag nach der Beschlussfassung unterzeichnet, ohne dass der Vereinsvorstand ‑ dem der Kläger noch bis Mai 2009 angehörte ‑ später darüber informiert worden wäre. Da der Kläger hier aber offenbar durch Billigung der unzureichenden Informationslage des Vereinsvorstands in Kauf nahm, dass ein der Beklagten nachteiliges Geschäft (Kündigungsverzicht) zu seinem Vorteil abgeschlossen werden sollte, muss im Sinn der dargelegten Rechtsprechung von einem qualifizierten Teilnahmeverhalten des Klägers an der Vorgangsweise des Vereinspräsidenten ausgegangen werden. Dem Kläger ist es daher verwehrt, sich auf die Vertretungsmacht des Vereinspräsidenten zum Abschluss seines Dienstvertrags zu berufen.

1.8. Auf den Umstand, dass der Dienstvertrag als Rechtsgeschäft der Beklagten mit einem Geschäftsführer nach § 8 Pkt 7 des Gesellschaftsvertrags der Zustimmung ihres Aufsichtsrats bedürfen, kommt es danach nicht weiter an. Festzuhalten ist nur, dass die Beklagte gar nicht behauptet hat, dass diese Zustimmung ‑ anders als eine gesetzlich vorgesehene Zustimmung des Aufsichtsrats (dazu etwa A. Heidinger in Gruber/Harrer, GmbHG [2014] § 30j GmbHG Rz 45 mwN) ‑ ein Erfordernis für die zivilrechtliche Wirksamkeit des Dienstvertrages sein sollte.

2. Die Frage der Beklagten, ob ein Kündigungsverzicht in der Praxis tatsächlich gelebt werden kann, zielt offenbar darauf ab, eine nachträgliche Genehmigung dieser Klausel oder eine daraus resultierende Vorteilszuwendung iSd § 1016 ABGB zu bestreiten. Da § 1016 ABGB jedoch nur Fälle des Mangels einer ausreichenden Vertretungsmacht im Außenverhältnis betrifft, der hier aufgrund der umfassenden Vertretungsbefugnis des Vereinspräsidenten nicht gegeben war, ist diese Erwägung nicht weiter zielführend. Wie dargelegt, liegt aber ohnedies kein Verhalten des Vereins vor, das als Einverständnis mit dem Kündigungsverzicht gedeutet werden könnte.

3. Mangels Wirksamkeit des Kündigungsverzichts ist die weitere Frage der Beklagten, „welche Kündigungsfrist einem Dienstgeber zumutbar ist bzw unter welcher Konstellation an Stelle einer fristlosen Entlassung nur eine Kündigung auszusprechen ist“, nicht entscheidungsrelevant.

4. Die weiteren Revisionsausführungen sind darauf gerichtet, dass die Entlassung des Klägers berechtigt und auch nicht verspätet erfolgt sei. Vorab ist dazu festzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht des Berufungsgerichts teilt, sodass zunächst darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Im Einzelnen:

4.1. Die Beklagte richtet sich gegen die Ausführung des Berufungsgerichts, dass es hinsichtlich allfälliger bei der Schwestergesellschaft gesetzter Entlassungsgründe an einem Konnex zur Beklagten fehle. Aufgrund des engen Zusammenhangs der beiden Gesellschaften würden die vom Kläger bei der Schwestergesellschaft gesetzten Entlassungsgründe auch bei ihr Entlassungsgründe darstellen.

Dass der Kläger kein Beschäftigungsverhältnis mit der Schwestergesellschaft hatte, gesteht die Beklagte selbst zu, sodass nur fraglich sein könnte, ob die vom Kläger als Geschäftsführer der Schwestergesellschaft gesetzten Handlungen für die Beklagte einen Vertrauensbruch begründen.

Sofern sie als eine solche Handlung die Überweisung von 400.000 EUR von der Beklagten auf die Schwestergesellschaft zum Jahreswechsel 2010/2011 erwähnt, hat schon das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass eine darauf gestützte Entlassung jedenfalls verfristet war.

4.2. An anderer Stelle führt die Beklagte zu einem Konnex mit der vom Kläger bei der Schwestergesellschaft gesetzten Entlassungsgründe ins Treffen, dass er die Wirtschaftsprüfung der Jahresabschlüsse der Schwestergesellschaft unterlassen habe.

Die Schwestergesellschaft war als „kleine“ Kapitalgesellschaft nicht von Gesetzes wegen (§ 221 Abs 1 UGB), sondern lediglich nach ihrem Gesellschaftsvertrag prüfpflichtig. Allerdings wurde diese Prüfpflicht schon seit ihrer Gründung im Jahr 2005, sohin mehrere Jahre vor Übernahme der Geschäftsführung durch den Kläger, nicht gelebt. Wenn das Berufungsgericht meinte, dem Kläger könne eine jahrelang übliche bzw geduldete Praxis nicht als Entlassungstatbestand zugerechnet werden, ohne dass er zuvor zur Einhaltung der gesellschaftsvertraglichen Vorgaben bezüglich der Jahresabschlüsse aufgefordert worden wäre, so liegt darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung. Ungeachtet dessen wäre eine darauf gestützte Entlassung auch verfristet, weil der Kläger im Juni 2011 als Geschäftsführer der Schwestergesellschaft zurücktrat und somit bereits damals feststellbar war, dass auch für den Jahresabschluss 2010 keine Prüfung beauftragt worden war.

4.3. Die Beklagte sieht eine Vertrauensunwürdigkeit des Klägers auch darin, dass er bezüglich der Überweisung des Betrags von 400.000 EUR eine „bewusste Falschinformation“ betrieben habe. Sie habe erst in der Sitzung vom 22. 11. 2011 erfahren, dass der Überweisung nur eine Weisung des Vereinspräsidenten, nicht aber die erforderlichen Vorstands‑ und Aufsichtsratsbeschlüsse zugrunde gelegen seien.

Mit der Überweisung setzte der Kläger eine an ihn und seinen Mitgeschäftsführer gerichtete schriftliche Weisung des früheren Vereinspräsidenten vom 29. 12. 2010 als Vertreter des Alleingesellschafters der Beklagten im Hinblick auf die geplante Fusion um. Zur umfassenden Vertretungsbefugnis des Vereinspräsidenten als Gesellschafter der Beklagten im Außenverhältnis wurde bereits Stellung genommen (oben Pkt 1.2.). Mangels aufrechter Funktion des Klägers im Vereinsvorstand ist hier auch kein Raum für sein Mitwirken an einer vereinsintern nicht gedeckten Vorgangsweise des Vereinspräsidenten.

Dem Aufsichtsrat der Beklagten lag schon in seiner konstituierenden Sitzung vom 14. 3. 2011 die Fusionsbilanz und das Konzept eines Verschmelzungsvertrags vor. Der Kläger erläuterte die Fusion mit allen Vor‑ und Nachteilen. In der von ihm vorgelegten Stellungnahme zur aktuellen Situation der Schwestergesellschaft ist ausdrücklich erwähnt, dass ein Verrechnungsbetrag von 400.000 EUR im Auftrag des Gesellschafters von der Beklagten an die Schwestergesellschaft zur Anweisung gebracht wurde. Der Aufsichtsrat war auch in Kenntnis der Patronatserklärung des Vereins. Schon in dieser Sitzung beschloss er, das Land zu fragen, ob Überschüsse der Beklagten zur Verlustabdeckung bei der Schwestergesellschaft verwendet werden können. Angesichts dieses Kenntnisstands des Aufsichtsrats kann in einer Gesamtsicht über die Informationsflüsse in und zwischen den Gesellschaften aber schwerlich davon ausgegangen werden, dass der Kläger den Aufsichtsrat über dessen eigene Beschlusslage hätte täuschen wollen. Wenn das Berufungsgericht die darauf gestützte Entlassung des Klägers am 23. 11. 2011 überdies als verfristet erachtete, so liegt auch darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.

4.4. Die Beklagte sieht in der Überweisung der 400.000 EUR auch eine widmungswidrige Verwendung der vom Land zweckgebundenen Gelder der Beklagten. Derartiges geht aus dem Sachverhalt allerdings nicht hervor, zumal es vor der Neukonstituierung des Vereins im Frühjahr 2011 ständige Intention des Vereins und seiner Repräsentanten war, die Betreuung und Therapierung behinderter und in ihrer Entwicklung gestörter Kinder über die Schwestergesellschaft durch finanzielle Unterstützungen aufrecht zu erhalten. Diese Intention verfolgte der Verein auch nach seiner Neukonstituierung, wenn auch in etwas differenzierter Form, weiter.

4.5. Der Vorwurf sozialer Inkompetenz des Klägers wegen eines informativen Rundschreibens zur Dienstfreistellung einer Angestellten, mit dem er Gerüchten vorbeugen wollte, begründet weder bei einer Einzelbetrachtung noch vor dem Hintergrund des Gesamtsachverhalts eine solche Vertrauensunwürdigkeit, die die Entlassung rechtfertigen würde.

5. Die Beklagte meint, sämtliche Entlassungsgründe unverzüglich geltend gemacht zu haben und fragt, inwiefern Entlassungsgründe verfristen könnten, wenn noch der alte Vereinsvorstand des Alleingesellschafters Kenntnis von einem Entlassungsgrund gehabt habe, jedoch die Entlassung dann ausgesprochen werde, wenn der neue Vereinsvorstand konstituiert sei. Erst der Wechsel des Vorstands habe dazu geführt, dass die davor gelegenen Vorkommnisse genauer betrachtet und untersucht worden seien.

Damit geht sie jedoch am Sachverhalt vorbei, nach dem bereits anlässlich der außerordentlichen Generalversammlung des Vereins am 11. 3. 2011 der Vereinsvorstand neu gewählt wurde, auch in der Folge zahlreiche Sitzungen des Vereinsvorstands stattfanden, laufend die finanzielle Situation der Schwestergesellschaft und insbesondere auch die Überweisung der 400.000 EUR zur Sprache gebracht wurde, diese bereits am 14. 3. 2011 Anlass für die Abgabe einer von allen Vorstandsmitgliedern genehmigten Patronatserklärung des Vereins gegenüber der Beklagten war, die Entlassung des Klägers jedoch erst am 23. 11. 2011 ausgesprochen wurde. Dass die Entlassung aus dem Grund einer unzulässigen verdeckten Gewinnausschüttung rechtzeitig erfolgt sei, kann danach nicht angenommen werden.

6. Die Beklagte fragt weiter, ob den Geschäftsführer einer gemeinnützigen GmbH nicht eine erhöhte Sorgfaltspflicht treffe. Die Frage ist insofern verfehlt, als es nur darauf ankommen kann, dass der Geschäftsführer bei seiner Geschäftsgebarung den Gemeinnützigkeitsstatus der Gesellschaft im Blick haben muss und diesen nicht gefährden darf. Dass dies der Fall gewesen wäre, steht nicht fest. Das Erstgericht traf hier vielmehr ausdrücklich eine Negativfeststellung (Ersturteil S 136). Auch das Vorbringen, es sei nicht tragbar, den Alleingesellschafter bei der Generalversammlung zu überrumpeln und vorzuspielen, die Überweisung von 400.000 EUR sei nicht absehbar gewesen, geht zur Gänze am festgestellten Sachverhalt vorbei.

7. Die Beklagte verlangt im Sinne einer Schadensminderung die Anrechnung eines allfälligen Einkommens des Klägers aus einer Pension, gesteht allerdings selbst zu, in erster Instanz nur vorgebracht zu haben, dass er sich „entsprechende Einkünfte, die er zu erzielen in der Lage gewesen wäre bzw ist“, anrechnen lassen müsse.

Den anrechnungspflichtigen Erwerb muss der Dienstgeber behaupten und beweisen (RIS‑Justiz RS0021543; RS0028309). Zu Recht hat das Berufungsgericht kein ausreichend konkretisiertes erstinstanzliches Vorbringen gesehen und das Berufungsvorbringen der Beklagten, der Kläger könne durch den Nachkauf von Pensionszeiten durch Zahlung von 120.000 EUR bereits vor dem fiktiven Kündigungstermin die vorzeitige Alterspension mit einem 15%igen Pensionsabschlag erlangen, als unzulässige Neuerung erachtet. Ungeachtet dessen bedarf es keiner näheren Erörterung, dass dem Kläger die Zahlung dieses nicht unerheblichen Betrags zum Antritt einer ‑ überdies geminderten ‑ Pension nicht zuzumuten ist.

8. Auf die Frage der Beklagten, ob die Aufsichtsratspflicht für die Überweisung der 400.000 EUR von der Beklagten an ihre Schwestergesellschaft durch eine einzelne Person (Vereinspräsident) ersetzt werden könne, kommt es nicht an, weil selbst das Fehlen eines wirksamen Aufsichtsratsbeschlusses dem Klagsanspruch nur dann entgegenstünde, wenn der Kläger durch die Nichteinholung der Zustimmung einen Entlassungsgrund gesetzt hätte und dieser rechtzeitig geltend gemacht worden wäre. Das wurde bereits oben verneint.

Hervorzuheben ist noch, dass in der der Entlassung vorangehenden Sitzung der Beklagten vom 22. 11. 2011 lediglich neu war, dass die Anweisung des Betrags von 400.000 EUR am 30. 12. 2010 in der Vereinsbilanz 2010 aufschien, was aber in einem binnen weniger Tage korrigierten Buchungsfehler der Leiterin des Rechnungswesens der Beklagten begründet war, und dass Grundlage der Zahlungsanweisung ein schriftlicher Auftrag des früheren Vereinspräsidenten war. Dies ändert jedoch nichts am Bekanntsein des maßgeblichen Sachverhalts in den genannten früheren Sitzungen.

9. Auch ein „Dauersachverhalt, der naturgemäß nicht verfristen konnte“, liegt hier nicht vor. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Entlassungsrecht zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Entlassung 23. 11. 2011 infolge Verstoßes gegen den arbeitsrechtlichen Unverzüglichkeitsgrundsatz jedenfalls untergegangen war, ist danach zu teilen.

10. Zusammenfassend ist damit das Vorbringen, dass das Berufungsgericht betreffend die Vertrauensunwürdigkeit und die Verfristung von Entlassungsgründen von der ständigen Rechtsprechung abgewichen sei und sich nur unzureichend mit dem Thema der Fehlinformation der Beklagten durch den Kläger beschäftigt habe, nicht zutreffend.

11. Auch mit ihrem übrigen Vorbringen zum Verfall der Klagsansprüche kann die Beklagte auf die ‑ vom Obersten Gerichtshof geteilte ‑ Beurteilung des Berufungsgerichts verwiesen werden, dass die Verfallsklausel (Pkt X. 12. des Dienstvertrags) hier nur auf Auslagen und Schäden in Erbringung der Geschäftsführertätigkeit zu beziehen sei. Der Verfallseinwand ist danach unbegründet.

12. Im Ergebnis folgt aus all dem, dass die Entlassung des Klägers durch die Beklagte zu Unrecht erfolgte. Da der Kündigungsverzicht nicht wirksam vereinbart wurde, hat der Kläger damit Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung nach Maßgabe der mit ihm vereinbarten Kündigungsfrist von sechs Monaten mit Wirksamkeit zum letzten eines Kalendervierteljahres, dh für den Zeitraum von 24. 11. 2011 bis Juni 2012.

Die Höhe der aus dem Titel der Kündigungsentschädigung unter Berücksichtigung der kollektivvertraglichen Anpassungen festgestellten Bruttogehälter und Sonderzahlungen (s Ersturteil S 166 ff) wurde von der Beklagten nicht weiter in Frage gestellt, sodass sie der Berechnung der Klagsansprüche zugrunde gelegt werden kann. Daraus ergibt sich ein Bruttoanspruch des Klägers von

24. 11. 2011 ‑ 23. 2. 2012 45.796,77 EUR (fällig: 23. 11. 2011),

24. 2. 2012 ‑ 29. 2. 2012 3.628,29 EUR (fällig: 29. 2. 2012)

1. 3. 2012 ‑ 30. 6. 2012 15.549,75 EUR x 4 (fällig: jeweils am Monatsende),

in Summe daher 111.624,06 EUR brutto

Auch die Höhe der vom Berufungsgericht errechneten Ansprüche für die Sachbezüge (betriebliche Pensionskasse, Mobiltelefon, Dienstfahrzeug, Treibstoff, Parkplatz, s Berufungsurteil S 265 f) wurde im Revisionsverfahren nicht weiter beanstandet. Diese sind daher wie folgt anzunehmen:

24. 11. 2011 ‑ 23. 2. 2012 3.299,76 EUR (fällig: 23. 11. 2011),

24. 2. 2012 ‑ 29. 2. 2012 257,31 EUR (fällig: 29. 2. 2012)

1. 3. 2012 ‑ 30. 6. 2012 1.111,22 EUR x 4 (fällig: jeweils am Monatsende),

in Summe daher 8.001,95 EUR netto.

Dem Kläger stehen folglich insgesamt 111.624,06 EUR brutto sA und 8.001,95 EUR netto sA zu.

Nach all dem war der Revision teilweise Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

13. Die Übertragung der das erstinstanzliche Verfahren betreffenden Kostenentscheidung folgt dem Rechtssatz RIS‑Justiz RS0124588, nach dem im Falle der Notwendigkeit eingehender Berechnungen die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz an das Berufungsgericht übertragen werden kann. Im vorliegenden Fall betrifft diese Notwendigkeit nur das erstinstanzliche Verfahren (zahlreiche Klagsausdehnungen).

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 50, 43 Abs 1 ZPO.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger mit rund 36 % obsiegt, sodass die Ersatzquote zugunsten der Beklagten 28 % (Barauslagen: 64 %) beträgt.

Für das Revisionsverfahren war von einem Obsiegen des Klägers mit rund 37 %, sohin von einer Ersatzquote zugunsten der Beklagten von 26 % (Barauslagen: 63 %) auszugehen.

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