European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0140OS00113.14W.1028.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Morteza A***** des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 29. Mai 2014 in Wien mit Gewalt gegen Attilane K***** dieser eine fremde bewegliche Sache, nämlich ihre Handtasche, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht, indem er von hinten mehrmals am Riemen der Handtasche riss, wobei er auf Grund der lauten Schreie und der Gegenwehr des Opfers von diesem abließ.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.
Der Mängelrüge zuwider sind die Feststellungen zum Tathergang (und dem darauf gerichteten Entschluss des Beschwerdeführers) keineswegs offenbar unbegründet (Z 5 vierter Fall). Das Erstgericht stützte sich nämlich auf die für glaubwürdig befundene Aussage des Opfers und die damit übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers vor der Kriminalpolizei. Es legte dabei auch mängelfrei dar, weshalb es dessen in der Hauptverhandlung geänderter Verantwortung nicht folgte (US 5 f).
Dass aus letzterer ‑ im Urteil ohnehin erörterter ‑ Aussage (er habe lediglich erreichen wollen, „von der Polizei ins Gefängnis gesteckt“ zu werden) für den Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen gezogen werden können, weckt entgegen der Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken (RIS‑Justiz RS0099674). Des Weiteren wird zu diesem Nichtigkeitsgrund bloß die Glaubwürdigkeit des Opfers (ohne Bezugnahme auf entscheidende Tatsachen) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, teils nominell auch Z 10) übergeht (vgl RIS‑Justiz RS0099724) mit der Behauptung fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite die ‑ wenngleich in die Beweiswürdigung eingefügte ‑ Urteilspassage (US 6), die alle Elemente des subjektiven Tatbestands abdeckt.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) kritisiert mit dem Argument, „das leichte Zerren an einer Handtasche“ sei „jedenfalls keine erhebliche Gewalt“, die Nichtannahme der Privilegierung des § 142 Abs 2 StGB. Damit verfehlt auch sie die gebotene Ausrichtung an den Feststellungen, denen zufolge der Beschwerdeführer mehrmals so heftig an der Handtasche riss, dass er dadurch das Opfer, welches sich zur Wehr setzte und mit einer Einkaufstasche auf ihn einschlug, zu Sturz brachte (US 4).
Bleibt anzumerken, dass die Erheblichkeit der angewendeten Gewalt im Sinn des § 142 Abs 2 StGB nach einem objektiv-individualisierenden Maßstab zu prüfen ist. Erheblichkeit ist dann anzunehmen, wenn der Täter bei einem Angriff auf die Person des Opfers beachtliche physische Kraft in vehementer Weise einsetzt (RIS-Justiz RS0094403, RS0094427, RS0094440, RS0094365; Eder-Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 56 ff). Stürzt ‑ wie hier ‑ eine erwachsene (körperlich nicht beeinträchtigte, demnach nicht von vornherein hilflose) Person auf Grund der eingesetzten Gewalt zu Boden, spricht dies in der Regel für ein Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle (11 Os 138/12x; vgl 9 Os 148/80 = SSt 51/50; 12 Os 61/07y = SSt 2007/49), weshalb die Nichtannahme der Privilegierung keine Feststellungen zu einer besonderen Beschaffenheit (Hilflosigkeit) des Opfers voraussetzt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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