OGH 12Os61/07y

OGH12Os61/07y28.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Höller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mustafa J***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. Februar 2007, GZ 5 Hv 15/07h-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtvornahme der rechtlichen Unterstellung der Tat auch unter den Tatbestand des § 142 Abs 2 StGB und demzufolge im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen Privatbeteiligtenzuspruch enthaltenden Urteil wurde Mustafa J***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 10. Jänner 2007 in Graz mit Gewalt gegen eine Person eine fremde bewegliche Sache mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem er Prof. Dr. Helmut H***** einen Schlag oder Stoß gegen die linke Schulter versetzte und ihm im Zuge eines Handgemenges seine Handtasche im Wert von 20 Euro entriss.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Schuldspruch gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Dass die Zeugin Christine R***** den Angeklagten flüchtend beobachtet hatte, durfte das Erstgericht sehr wohl als eines der Indizien für dessen Täterschaft heranziehen. Angesichts der unmittelbar zuvor begangenen Raubtat, dem von ihr wahrgenommenen, in ihrer Nähe um Hilfe rufenden Opfer und in Ermangelung einer weiteren für die Tatbegehung in Frage kommenden Person widerspricht es weder den Denkgesetzen noch grundlegenden Erfahrungssätzen über Kausalzusammenhänge, dass die Tatrichter davon ausgingen, es habe sich bei dem von der Zeugin R***** wahrgenommenen, vom Flüchtenden unter seiner Jacke verborgenen (S 41) bzw unter seiner linken Achsel bzw dem linken Arm eingeklemmten Gegenstand (S 117, 153) um die zuvor geraubte Tasche gehandelt. Soweit der Nichtigkeitswerber insoweit Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) behauptet, verkennt er das Wesen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, der nur dann vorliegt, wenn im Urteil der eine entscheidende Tatsache betreffende Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergegeben wird (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467). Im Übrigen übergeht das weitere Vorbringen der Mängelrüge, dass die Täterschaft des Beschwerdeführers nicht alleine auf die Depositionen der Zeugin Christine R***** über die Flucht gestützt wurde. Vielmehr gründeten die Tatrichter ihre Feststellungen darauf, dass die genannte Zeugin den Flüchtenden im Rahmen einer Wahlkonfrontation eindeutig wiedererkannte, auf dessen markante Bekleidung und auf die Angaben des Zeugen Prof. Dr. H*****, wonach die Körpergröße des Angeklagten und sein Erscheinungsbild von hinten mit hoher Wahrscheinlichkeit mit jener Person übereinstimmt, die den Überfall verübte (US 7 iVm S 109 und 149). Die diesen Gesamtzusammenhang der Beweismittel außer Acht lassende, mit isolierten Aussageteilen argumentierende Mängelrüge bekämpft somit nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung lediglich die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Berechtigung kommt hingegen der sich gegen die Unterstellung der Tathandlungen unter § 142 Abs 1 StGB wendenden, eine solche auch unter Abs 2 leg cit anstrebenden Subsumtionsrüge (Z 10) zu. Die Tatrichter stellten fest, dass der mit Raubvorsatz handelnde Angeklagte dem 81-jährigen Prof. Dr. H***** von hinten einen Schlag gegen die linke Schulter versetzte, durch den der Genannte „etwas aus dem Gleichgewicht" kam, der Täter in der Folge mit beiden Händen an der Herrenhandtasche riss, deren Wegnahme auf Grund der Gegenwehr des Opfers vorerst scheiterte und erst durch einen neuerlichen, mit verstärkter Intensität geführten Griff gelang (US 4 f). Die ausgeübte Gewalt bewerteten die Tatrichter als erheblich, weil sie sich „gegen den bereits 81 Jahre alten Prof. Dr. H*****" richtete und „der Angeklagte erst beim zweiten Mal trotz Gegenwehr des Prof. Dr. H***** diesem die Handtasche entreißen konnte" (US 8). Weiters führten sie zwar zutreffend aus, dass auf die persönliche Beschaffenheit des Raubopfers Bedacht zu nehmen ist (Eder-Rieder in WK² § 142 Rz 56 f), trafen hiezu jedoch keine Feststellungen. Aus dem Lebensalter allein kann jedoch nicht auf die Hilflosigkeit des Überfallenen geschlossen werden, die ein geringeres Maß an Gewalt für das Überschreiten des Erheblichkeitsmaßstabs genügen ließe, gab dieser doch an, dem Täter nachgelaufen zu sein und die Tasche durch Zurufen zurückgefordert zu haben (S 151), um dadurch Passanten aufmerksam zu machen. Im Besonderen mangelt es an Konstatierungen zur körperlichen Verfassung des Raubopfers zum Tatzeitpunkt, die eine verlässliche Beurteilung zulassen, ob unter Anlegung eines gemischt objektiv-individuellen Maßstabes die Belastung des Opfers, einerseits durch den von Prof. Dr. H***** als mögliches (bloßes) Auf-sich-Aufmerksammachen seitens eines Bekannten eingestuften (S 109) Stoß oder Schlag auf die Schulter und andererseits durch zweimaliges Reißen an der Tasche, wodurch das Opfer weder zu Sturz kam, noch (äußerliche erkennbare) Verletzungen erlitt (S 37), im Vergleich zu Durchschnittsfällen gering war oder die Erheblichkeitsschwelle des § 142 Abs 2 StGB bereits überschritten hat.

Weiters mangelt es an Feststellungen, die eine Klärung zuließen, ob die Tat bloß unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat. Das Opfer trug zwar nach eigenen Angaben keine Verletzungen davon, gab aber gleichzeitig an, beim Vorfall „einen Schock" (vgl Eder-Rieder in WK² § 142 Rz 60) erlitten und noch am Tattag einen Internisten aufgesucht zu haben, wobei es ihm (erst) am folgenden Tag „schon einigermaßen besser" gegangen sei (S 37).

Auf Grund des dargelegten Rechtsfehlers mangels Feststellungen war der Nichtigkeitsbeschwerde in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben (§ 285e StPO). In ihrem erfolglosen Teil war sie gemäß § 285d Abs 1 StPO jedoch sofort zurückzuweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte