OGH 25Os9/14g

OGH25Os9/14g3.10.2014

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 3. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Niederleitner und Mag. Dorn sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weitere Richter in der Disziplinarsache gegen Dr. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 19. Juli 2011, GZ D 2/05‑100 (D 21/06), nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur Generalanwältin Dr. Brenner, des Kammeranwalts Dr. Christian Tschurtschenthaler und des Verteidigers Mag. Siron Tischler zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0250OS00009.14G.1003.000

 

Spruch:

Der Berufung wegen Schuld wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung wegen Strafe Folge gegeben und unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 23. Jänner 2007, AZ D 12/06, vom 19. Februar 2007, AZ D 25/05, und vom 19. März 2012, AZ D 4/07, von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen.

Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Dr. ***** ‑ im dritten Rechtsgang ‑ des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (§ 1 zweiter Fall DSt) schuldig erkannt.

Danach hat er als Rechtsvertreter des M***** G***** und des H***** G*****

a./ mit Schreiben vom 16. Juli 1999 seine Kosten wesentlich überhöht verrechnet, und zwar für einen Liegenschaftskauf mit 31.156,07 Euro, für eine Unternehmensgründung mit 25.387,32 Euro sowie für die Erstellung von Kreditverträgen und eine Pfandrechtslöschung mit 36.687,15 Euro, insgesamt daher mit 93.230,54 Euro;

b./ auf Bezahlung der Honorarnote in Höhe von 1.066.613,16 Schilling (77.513,80 Euro) samt Anhang durch Einleitung des Verfahrens AZ 21 Cg ***** des Landesgerichts K***** und Fortführung desselben beharrt, obwohl ein fälliger Honoraranspruch des Klägers in der genannten Höhe mangels Erfüllung des Vertrags mit M***** und H***** G***** nicht bestand;

c./ auf die nicht fällige Forderung von 1.066.613,16 Schilling (77.513,80 Euro) gegen M***** und H***** G***** durch Fortführung des Verfahrens AZ 21 Cg ***** des Landesgerichts K***** und Einbringung einer Berufung beharrt;

d./ auf die (zu b./ und c./ genannte) nicht fällige Forderung durch Einbringung einer außerordentlichen Revision beharrt, nachdem im Verfahren AZ 21 Cg ***** des Landesgerichts K***** durch Urteil die mangelnde Forderungsberechtigung infolge mangelnder Fälligkeit offengelegt wurde, und

e./ nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens AZ 21 Cg ***** des Landesgerichts K*****, in dem die Fälligkeit der Honorarforderung nicht gegeben war, durch Neuausstellung der Honorarnoten vom 20. März 2006 sowie durch Einleitung des Verfahrens AZ 50 Cg ***** des Landesgerichts K***** wegen 70.485,12 Euro (am 28. April 2006) nach Eintritt der Fälligkeit des Honorars neuerlich einen überhöhten Honoraranspruch geltend gemacht.

Er wurde gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 3.000 Euro und zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Disziplinarrats erbrachte der Beschuldigte als Rechtsvertreter des M***** G***** und des H***** G***** (lediglich) Leistungen im Wert von 41.665,63 Euro, sodass ihm gegenüber den Genannten einschließlich noch offener Barauslagen von 7.441,95 Euro ein Gesamtbetrag von 49.107,58 Euro zustand.

Dies leitete der Disziplinarrat aus dem im Honorarprozess AZ 50 Cg ***** des Landesgerichts K***** eingeholten und im Disziplinarverfahren verlesenen (ON 90 und 98) Gutachten des Sachverständigen für Honorarrecht der Rechtsanwälte Dr. E***** vom 29. September 2009, GZ 50 Cg *****‑48, dessen Ergänzungsgutachten vom 12. Mai 2010 (GZ 50 Cg *****‑67) ‑ in dem bei Abweichen vom beanspruchten Betrag auch die für die Bewertung wesentlichen Erwägungen angeführt werden ‑ sowie dem Ergebnis der mündlichen Gutachtenserörterung in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 4. November 2010 (GZ 50 Cg *****‑76) ab, weil das Gutachten unter Bedachtnahme auf das detaillierte Vorbringen des Beschuldigten und dessen umfangreiche Vorlage von Urkunden erstellt worden und als schlüssig anzusehen sei. Die Feststellung der Höhe der Barauslagen und Übersetzungskosten sei, soweit relevant, auf Grundlage der Angaben des Beschuldigten erfolgt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld (zum von den Kategorien der die Schuldfrage betreffenden Nichtigkeitsgründe erfasste Fehlerbereich s RIS‑Justiz RS0128656) und Strafe.

Die Berufung wegen Schuld schlägt fehl.

Die Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) kritisiert, der Disziplinarrat habe nicht begründet, warum er den Ausführungen des Beschuldigten „betreffend die Verrechnung der einzelnen Leistungen nicht gefolgt sei“, sodass sich die Berufung des angefochtenen Erkenntnisses auf das als schlüssig angesehene Sachverständigengutachten als „bloße Scheinbegründung“ darstelle.

Keine oder eine offenbar unzureichende Begründung liegt vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungen ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0099413). Eine darauf gestützte Rüge darf sich jedoch nicht auf einzelne beweiswürdigende Erwägungen betreffend eine entscheidende Tatsache beschränken, sondern muss das Urteil in seiner Gesamtheit beachten (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 394, 455; RIS‑Justiz RS0119370, RS0116504).

Die Rüge verkennt, dass sich das im Zivilverfahren eingeholte Sachverständigengutachten mit allen Positionen des Kostenbegehrens und den Einwänden des Beschuldigten im Detail auseinandergesetzt hat, worauf das angefochtene Erkenntnis auch Bezug nahm (ES 8), sodass dessen Begründung, die ‑ dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 1 Z 5 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) folgend ‑ keine Nacherzählung der Depositionen des Sachverständigen und des Beschuldigten enthält (vgl Danek, WK‑StPO § 270 Rz 38), nicht offenbar unzureichend iSd Z 5 vierter Fall ist.

Nominell unter Z 5, der Sache nach mit Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) behauptet der Berufungswerber das Fehlen von Feststellungen zu den von ihm erbrachten Leistungen, weiters darüber, „ob und inwieweit die Tätigkeit mit besonderen Komplikationen iSd § 3 Abs 1 NTG verbunden war“, schließlich auch, dass er im Rahmen seiner Vertretungstätigkeit ausschließlich slowenisches Recht anwenden habe müssen und seine Kommunikation mit den slowenischen Behörden und Vertragspartnern in dieser Sprache stattgefunden habe.

Dabei vernachlässigt er, dass der Disziplinarrat mit hinreichend deutlichen Verweisen (ES 7 f) auf das oben angeführte Gutachten Dris. E***** erkennbar (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19) dessen ‑ sich auch mit den genannten Umständen auseinandersetzende ‑ Erwägungen über die Grundlagen für die Annahme von Vertretungsleistungen des Beschuldigten im Wert von (bloß) 41.665,63 Euro übernommen hat (vgl Danek, WK‑StPO § 270 Rz 32 mwN). Dieser Annahme steht auch der rechtskräftige (Teil‑)Freispruch des Beschuldigten durch das ‑ in einem früheren Rechtsgang gefällte ‑ Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 8. Jänner 2007, GZ D 2/05‑67, nicht entgegen, stellte dieser in Bezug auf die Nichtannahme von Doppelverrechnungen und die Verrechnung nicht notwendiger Leistungen mit Blick auf den unter einem ergangenen Schuldspruch (iSd Punkte b./ bis d./ des nunmehr angefochtenen Erkenntnisses) bloß einen unzulässigen und rechtlich unbeachtlichen „Qualifikationsfreispruch“ dar (vgl RIS‑Justiz RS0120128, RS0115553 [T5]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 523 ff, 563 f), sodass der Disziplinarrat nicht gehindert war, auch die (späteren) Gutachtensannahmen betreffend Doppelverrechnungen und die Verrechnung nicht notwendiger Leistungen zu übernehmen.

Soweit die Rechtsrüge das Fehlen von Feststellungen dazu behauptet, „ob“ die Geltendmachung um 57,87 % und 43,53 % überhöhter Kosten durch den Beschuldigten mutwillig oder aufgrund unvertretbarer Rechtsansicht erfolgt sei, vernachlässigt sie einerseits, dass das konstatierte fahrlässige Verhalten (ES 9) für die Annahme des Disziplinarvergehens genügt (RIS‑Justiz RS0055146), und legt andererseits nicht dar, aufgrund welcher Verfahrensergebnisse davon auszugehen sei, dass der Beschuldigte „gute Gründe“ gehabt hätte, die Höhe der verzeichneten Kosten für angemessen zu halten.

Die zum Schuldspruch a./ aufgrund des Tatzeitpunkts 16. Juli 1999 den Eintritt der Verjährung gemäß § 2 „Abs 5“ DSt behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit b) verkennt, dass diese ‑ eine (zehnjährige) „absolute“ Verjährungsfrist beinhaltende ‑ Bestimmung (BGBl 1990/474) bereits mit 31. Mai 1999 außer Kraft getreten ist (BGBl I 1999/71) und für den stattdessen geltenden Strafaufhebungsgrund (RIS‑Justiz RS0118545, RS0091923) des § 2 Abs 1 Z 3 DSt idgF die Verjährungsverlängerung nach Abs 4 leg cit gilt. Solcherart legt die Berufung nicht schlüssig dar, warum trotz der zu e./ festgestellten Geltendmachung des Honoraranspruchs mit neuerlicher Klage vom 28. April 2006 (ES 6 letzter Absatz) Verjährung eingetreten sein sollte.

Der die Beweiswürdigung des Disziplinarrats bekämpfenden Schuldberufung kommt keine Berechtigung zu, weil der Disziplinarrat die erhobenen Beweise einer denkrichtigen und lebensnahen Würdigung unterzog und mit schlüssiger Begründung - der sich der Oberste Gerichtshof im Rahmen der Prüfung der Verfahrensergebnisse anschließt (vgl Ratz, WK‑StPO § 467 Rz 2) ‑ hinreichend darlegte, wie er zu den den Schuldspruch tragenden Konstatierungen gelangte, wobei das exakte Ausmaß der Überhöhung von Honorarforderungen keinen entscheidungswesentlichen Umstand für die Annahme des Disziplinarvergehens betrifft (RIS‑Justiz RS0055148). Mit der Wiederholung mehrerer gegen die Richtigkeit des Sachverständigengutachtens gerichteter Argumente des Beschuldigten im Zivil- und Disziplinarverfahren vermag die Berufung keine Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit dieser Feststellungen zu wecken oder eine Außerachtlassung aktenkundiger Beweisergebnisse aufzuzeigen, die sich mit dem festgestellten Sachverhalt nicht in Einklang bringen ließen. Einer Beweiswiederholung oder -ergänzung bedurfte es daher nicht.

Hingegen kommt der Berufung wegen Strafe im Ergebnis Berechtigung zu. Gemäß § 16 Abs 5 zweiter Satz DSt iVm §§ 31, 40 StGB war auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 23. Jänner 2007, AZ D 12/06, vom 19. Februar 2007, AZ D 25/05, und vom 19. März 2012, AZ D 4/07, Bedacht zu nehmen, mit denen über den Beschuldigten Geldbußen von insgesamt 6.000 Euro verhängt wurden. Dabei waren die Tatbegehung über einen längeren Zeitraum und das Zusammentreffen mehrerer Disziplinarvergehen unter Berücksichtigung der genannten Vorverurteilungen als erschwerend zu werten, als mildernd hingegen die vom Beschuldigten nicht zu vertretende (insgesamt) unverhältnismäßig lange Dauer des Verfahrens (§ 34 Abs 2 StGB). In Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Taten und die Schuld des Beschuldigten erschien eine zusätzliche Geldbuße von 2.000 Euro angemessen; zum Ausgleich für die ‑ durch die lange Verfahrensdauer bewirkte ‑ Grundrechtsverletzung war jedoch von der Verhängung einer Zusatzstrafe abzusehen (vgl RIS‑Justiz RS0114926).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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