Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat ihre Revisionskosten selbst zu tragen.
Entscheidungsgründe:
Die am 30. 5. 1982 geborene Klägerin absolvierte ab 1. 8. 1997 eine Lehre als Köchin, die sie mit Lehrabschlussprüfung am 5. 7. 2000 erfolgreich beendete. Danach war sie im erlernten Beruf beschäftigt und erwarb insgesamt 42 Beitragsmonate (infolge unselbständiger Erwerbstätigkeit) in folgenden Zeiträumen: vom 25. 7. bis 20. 11. 2000, vom 25. 12. 2000 bis 15. 5. 2001, vom 2. 7. bis 11. 11. 2001, vom 24. 12. 2001 bis 21. 5. 2002, vom 1. 7. bis 17. 11. 2002, vom 25. 12. 2002 bis 23. 5. 2003, vom 14. 7. 2003 bis 8. 1. 2004, vom 25. 12. 2008 bis 21. 4. 2009 und vom 19. 5. bis 4. 10. 2009. Weitere berufliche Tätigkeiten hat sie im Zeitraum zwischen dem Abschluss der Lehre und dem Stichtag (1. 6. 2011) nicht verrichtet. In dieser Zeitspanne liegen jedoch noch insgesamt 61 Versicherungsmonate infolge Bezugs von Wochengeld sowie Zeiten der Kindererziehung, die sich teilweise zeitlich mit dem Bezug von Arbeitslosen‑ und Krankengeld decken. Von 1. 6. 2011 bis 31. 12. 2012 hat die beklagte Partei der Klägerin befristet eine Invaliditätspension gewährt. Seit 1. 1. 2013 bezieht die Klägerin Pensionsvorschuss.
Mit dem näher festgestellten Leistungskalkül kann die Klägerin aufgrund verschiedener ‑ teilweise binnen sechs Monaten behebbarer ‑ Leiden noch als Portierin, Museumswärterin, Sortiererin oder Verpackerin tätig sein.
Mit Bescheid vom 21. 12. 2012 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 15. 10. 2012 auf Weitergewährung der befristet zuerkannten Invaliditätspension mit der Begründung ab, dass eine Invalidität nicht mehr gegeben sei.
Die dagegen erhobene Klage ist auf Weitergewährung der Invaliditätspension über den 31. 12. 2012 hinaus gerichtet. Der Klägerin komme, auch wenn sie die zeitlichen Voraussetzungen zur Erlangung des Berufsschutzes im Sinn des § 255 Abs 2 Satz 3 ASVG nicht erfülle, Berufsschutz als gelernte Köchin zu, weil das Gesetz insoweit eine alters- und geschlechterdiskriminierende Regelung enthalte.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und bestritt insbesondere, dass der Klägerin Berufsschutz als gelernte Köchin zukomme.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit folgender Begründung ab: Eine überwiegende Tätigkeit im Sinn des § 255 Abs 1 und Abs 2 ASVG in der seit 1. 1. 2011 gültigen Fassung liege nur dann vor, wenn innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit nach § 255 Abs 1 oder als Angestellter ausgeübt wurde. Lägen jedoch ‑ wie hier ‑ zwischen dem Ende der Ausbildung und dem Stichtag weniger als 15 Jahre, müsste zumindest in der Hälfte der Kalendermonate, jedenfalls aber für zwölf Pflichtversicherungsmonate eine Erwerbstätigkeit nach Abs 1 oder als Angestellte/r gegeben sein. Als Ende der Ausbildung gelte unter anderem gemäß § 255 Abs 2a ASVG der Abschluss des Lehrberufs. Die Klägerin habe ihre Lehre als Köchin am 5. 7. 2000 abgeschlossen, also innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag. Für ihren Berufsschutz wäre erforderlich, dass sie ab diesem Zeitpunkt in zumindest der Hälfte der Kalendermonate bis zum Stichtag als Köchin tätig gewesen wäre. Da dies nicht der Fall sei, genieße die Klägerin keinen Berufsschutz. Eine Diskriminierung könne darin nicht erkannt werden, weil nach der zitierten Bestimmung die Voraussetzung für die Erlangung des Berufsschutzes für Berufseinsteiger wie die Klägerin drastisch gegenüber den sonst erforderlichen 90 Beitragsmonaten innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag herabgesetzt sei. Die Invalidität der Klägerin sei daher nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen, wobei die Klägerin zwar unter gesundheitlichen Einschränkungen leide, es für sie aber auf dem allgemeinen Stellenmarkt noch zahlreiche Verweisungsberufe gebe, zB den festgestellten Beruf eines Portiers, aber auch den des Museumswärters, Billetteurs, Sortierers oder Verpackers und etliche mehr.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Soweit sie im Unterbleiben der Einholung eines berufskundlichen Gutachtens zur Frage, ob ihr Leistungskalkül einer Tätigkeit als Köchin entgegenstehe, eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz erblicke, und fehlende Feststellungen zum selben Themenkomplex rüge, wären die Berufungsausführungen bei Vorliegen von Berufsschutz zwar begründet. Dies sei unter Berücksichtigung des unbekämpft feststehenden Sachverhalts zum Versicherungsverlauf und zum Ausmaß der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit jedoch nicht der Fall. Daher komme es auf diese Aspekte letztlich nicht an.
Die Klägerin vertrete den Standpunkt, § 255 Abs 2 Satz 3 ASVG diskriminiere sie aufgrund ihres Geschlechts und (jugendlichen) Alters, weil bei Herausnahme der Zeiten des Bezugs von Wochengeld und der Kindererziehung aus dem Rahmenzeitraum (wie in § 255 Abs 2 Satz 4 ASVG vorgesehen) der Beobachtungszeitraum lediglich 69 Monate betragen würde, sodass sie mit 42 Beitragsmonaten (infolge unselbständiger Erwerbstätigkeit als Köchin) die Voraussetzung erfülle, in der Hälfte des Beobachtungszeitraums einer (qualifizierten) Erwerbstätigkeit nachgegangen zu sein. Damit werde sie vom Gesetz nicht nur gegenüber Anspruchswerbern männlichen Geschlechts, die in weit weniger Fällen Kindererziehungszeiten aufwiesen, benachteiligt, sondern auch gegenüber älteren Anspruchswerbern, weil Kindererziehungszeiten naturgemäß im jüngeren Lebensalter anfielen.
Eine analoge Anwendung des vierten Satzes in § 255 Abs 2 ASVG auf die Konstellation der Klägerin, die unter den dritten Satz dieser Norm zu subsumieren sei, scheitere jedoch schon an der mangelnden „planwidrigen“ Unvollständigkeit des Gesetzes und am Grundsatz, dass ein Rechtssatz, der im Gesetz nicht einmal angedeutet sei, auch nicht im Wege der Auslegung Geltung erlangen könne. Dies ergebe sich nicht nur aus der eindeutig unterschiedlichen Formulierung der beiden angeführten Sätze in § 255 Abs 2 ASVG, sondern insbesondere auch aus den dazu vorliegenden Materialien, die ausdrücklich darauf Bezug nähmen, dass dann, wenn weniger als 15 Beobachtungsjahre vorliegen, eine Ausdehnung des Beobachtungszeitraums nicht möglich sei, und dass für diese Personengruppe „die Hälfteregelung“ bezogen auf den Berufsschutz unbeschränkt gelte (RV 981 BlgNR 24. GP 205).
Die von der Klägerin angesprochene Richtlinie (RL 79/7/EWG) habe zum Ziel, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit und der sonstigen Bestandteile der sozialen Sicherung im Sinn des Art 3 der Richtlinie schrittweise verwirklicht werde (Art 1). Gemäß Art 3 Abs 1 lit a der Richtlinie finde sie Anwendung auf die gesetzlichen Systeme, die Schutz gegen ua Invalidität bieten. Versicherungssysteme, die Leistungen von der Dauer und Höhe der Beitragszahlung abhängig machten, diskriminierten automatisch Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit (etwa zur Erziehung ihrer Kinder) öfter unterbrechen würden. Grundsätzlich sei es aber objektiv gerechtfertigt, in beitragsfinanzierten Systemen die Leistungen an die Höhe und Dauer des Beitrags zu binden. Die Ausnahmevorschrift in Art 7 Abs 1 lit b der Richtlinie gehe gerade davon aus, dass Frauen etwa durch Teilzeit (wegen Kindererziehung) benachteiligt würden und dies an sich auch richtlinienkonform sei. Deshalb erlaube dieser Artikel ausdrücklich eine ‑ an sich (lt Richtlinie) Beitragszahler diskriminierende ‑ Begünstigung von Frauen dadurch, dass ihnen für diese Zeit Beiträge gutgeschrieben würden. In diesem Sinn habe der EuGH schon in der Rechtssache C‑297/93, Grau‑Hupka dargelegt, dass die angesprochene Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht verpflichte, für Personen, die Kinder aufgezogen haben, unter anderem Leistungsansprüche aufgrund von Zeiträumen der Beschäftigungsunterbrechung wegen Kindererziehung vorzusehen. Diesen Standpunkt habe der EuGH auch in jüngster Zeit aufrecht erhalten (Rechtssache C‑537/07, Sanchez‑Camacho , Rn 62). Aufgrund letzterer Entscheidung (Rn 43) sei auch klargestellt, dass § 2 Nr 6 und 8 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub die Mitgliedstaaten nicht verpflichte, den Arbeitnehmern während der Zeit, in der sie einen Elternurlaub in Teilzeit in Anspruch nehmen, zu garantieren, dass sie Rechte auf künftige Leistungen der sozialen Sicherheit in dem selben Umfang erwerben, als ob sie weiter eine Vollbeschäftigung ausgeübt hätten. Die diesem Erkenntnis zugrunde liegende Konstellation sei auch auf den vorliegenden Sachverhalt zu übertragen, weshalb auch unionsrechtliche Erwägungen den Standpunkt der Klägerin aus dem Blickwinkel einer Alters- oder einer Geschlechtsdiskriminierung nicht stützen könnten.
Gleiches gelte für die aus Art 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) abgeleitete Argumentation, dessen Abs 1 kein kategorisches Verbot von Unterscheidungen enthalte, die an eines der genannten Merkmale (hier: Geschlecht und Alter) anknüpften. Rechtfertigungen seien vielmehr möglich und auch in jedem einzelnen Fall zu prüfen.
Außerdem stehe der Europäischen Gemeinschaft keine allgemeine Festsetzungsbefugnis für das sozialrechtliche Sachrecht zu. Vielmehr habe die Beurteilung, ob die Leistungsvoraussetzungen für einen Pensionsanspruch in jenem Staat, in dem er in Anspruch genommen werde, erfüllt seien, gesondert von der Verordnung 883/2004 zu erfolgen, die eine Koordinierung, nicht aber eine Harmonisierung der nationalen Systeme vorsehe. In verfassungsrechtlicher Hinsicht sei gerade im Sozialversicherungsrecht eine durchschnittliche Betrachtungsweise erforderlich, die auf den Regelfall abstelle und Härten in Einzelfällen nicht ausschließen könne. Da die Finanzierung des gesamten Sozialversicherungssystems überwiegend durch Beiträge der Versicherten erfolge, sei es gerechtfertigt, Zeiten, in denen Beiträge geleistet worden seien, für die Frage der Erfüllung der Bruchteilsdeckung günstiger zu behandeln als Zeiten ohne Beitragsleistung. In diesem Sinn sei nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber zwischen Arbeitnehmerinnen differenziere, die längere Zeit (nämlich zumindest siebeneinhalb Jahre) einer Erwerbstätigkeit (berufsschutzerhaltend) nachgingen und jenen, bei denen dies nicht der Fall sei. Es bestehe daher insgesamt kein Anlass, die Frage der Kompatibilität des dritten Satzes des § 255 Abs 2 ASVG mit dem Unionsrecht an den Europäischen Gerichtshof heranzutragen. Vielmehr entspreche es gefestigter Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0125347), dass sich aus § 232 Abs 1 ASVG ergebe, dass der Gesetzgeber in Bezug auf die Feststellung der Leistungen aus der Pensionsversicherung Zeiten der Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG nicht als Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit behandle, auch wenn sie gemäß § 225 Abs 1 Z 1 ASVG Beitragszeiten seien, und dass daraus (weil in diesen Zeiten ebenso wie in den Ersatzzeiten, die sie ablösten, eine „Berufstätigkeit“, die beurteilt werden solle, nicht ausgeübt werde) abzuleiten sei, dass unter „Beitragsmonaten“ im Sinn des § 255 Abs 2 ASVG nicht Zeiten nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG zu verstehen seien. Andernfalls bestünde ein sachlich nicht gerechtfertigter Unterschied zu jenen (vor dem 1. 1. 1955 geborenen) Versicherten, für die weiterhin die Ersatzzeitenregelung des § 227 ASVG Anwendung finde (RIS‑Justiz RS0125347 [T1]). Auch wenn die Klägerin nicht ausdrücklich im gegenteiligen Sinn argumentiere, näherten sich deren Ausführungen im Ergebnis ‑ wenngleich aus dem Blickwinkel einer Außerachtlassung der entsprechenden Zeiten ‑ dem Gegenteil dieser Auffassung. Außerdem sei dem Argument der Alters- (präzise: Jugend-)Diskriminierung noch entgegenzuhalten, dass durchaus Fallkonstellationen denkbar seien, in denen einem Anspruchswerber schon in jüngsten Jahren Berufsschutz im Sinn des von der Klägerin als diskriminierend erachteten Satz 3 des § 255 Abs 2 ASVG zukommen könne: Etwa wenn einer Anspruchswerberin nach erfolgreichem Abschluss der Lehrzeit und 25 Pflichtversicherungsmonaten einer Erwerbstätigkeit aufgrund der Einschränkung des Leistungskalküls die Ausübung des erlernten Berufs nicht mehr möglich sei.
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil eine erhebliche Rechtsfrage mit der in § 502 Abs 1 ZPO gemeinten Intensität nicht zu lösen sei.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt und angeregt, dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 267 AEUV ‑ zusammengefasst ‑ folgende Fragen vorzulegen:
Ist Art 4 der Richtlinie 79/7/EWG bzw sind der allgemeine Rechtsgrundsatz des Verbots der Alters- und der Geschlechterdiskriminierung sowie Art 21 Abs 1 GRC dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie § 255 Abs 2 ASVG entgegenstehen, die bei Antragstellerinnen auf Invaliditätspension, deren Ausbildungsende mehr als 15 Jahre zurückliegt, Zeiten der Kindererziehung oder des Bezugs von Wochengeld bei der Berechnung der für die Erlangung von Berufsschutz notwendigen Erwerbszeiten notwendigen Mindestanzahl an Erwerbszeiten (50 % Klausel) zu Gunsten der älteren Antragstellerinnen faktisch unberücksichtigt lässt, während bei jüngeren Antragstellerinnen, bei denen das Ausbildungsende [noch] keine 15 Jahre zurückliegt, solche Zeiten voll zur Berechnung der „50 % Klausel“ mitgerechnet werden, obwohl es in diesen Fällen für die Antragstellerinnen unmöglich bzw nur erschwert möglich ist, die notwendigen versicherungspflichtigen Erwerbszeiten zu begründen, wobei im Vergleich dazu bei Männern solche Zeiten [gar nicht] (weil bei ihnen der Wochengeldbezug denkunmöglich ist) bzw in vergleichsweise minimalem Umfang (Kindererziehung) vorliegen [können], und Männer unter denselben Voraussetzungen (wenn das Ausbildungsende weniger als 15 Jahre zurückliegt) daher über eine potentiell längere Rahmenfrist zur Erlangung der notwendigen Erwerbszeiten verfügen.
In der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt die beklagte Partei, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist ‑ entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ‑ zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin macht geltend, § 255 Abs 2 ASVG sehe vor, dass sich der Zeitraum der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag um Zeiten der Kinderbetreuung, des Wochengeldbezugs etc gemäß § 8 Abs 1 Z 2 lit a, d, e und g ASVG verlängere; dass also (mit anderen Worten) Zeiten der Kinderbetreuung oder des Wochengeldbezugs bei der Berechnung des Beobachtungszeitraums ausgenommen würden. Der Sinn einer solchen Regelung liege darin, Frauen, die überwiegend von solchen Zeiten betroffen seien, gegenüber Männern bei der Beurteilung des Vorliegens eines Berufsschutzes nicht zu diskriminieren. Eine Besserstellung jener Personen, deren Ausbildungsende weniger als 15 Jahre vor dem Stichtag gelegen sei, liege gar nicht vor, weil die Voraussetzungen jeweils die gleichen seien, nämlich in beiden Fällen eine Erwerbstätigkeit für die Dauer von zumindest der Hälfte des Beobachtungszeitraums. Diese Gruppe sei vielmehr schlechter gestellt, weil die faktische Herausnahme von Zeiten der Kinderbetreuung oder des Wochengeldbezugs aus dem Beobachtungszeitraum aufgrund der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung in § 255 Abs 2 ASVG nicht möglich sei. Faktisch führe die Verlängerung des Beobachtungszeitraums für die Betroffenen, deren Ausbildung länger als 15 Jahre zurückliege, zu einer „Herausnahme“ der Zeiten der Kindererziehung bzw des Wochengeldbezugs. Demgegenüber sei es jungen Müttern ‑ unabhängig von ihrer Arbeitsbereitschaft ‑ aufgrund des Gesetzes gar nicht möglich, während des Mutterschutzes zu arbeiten. Eine Herausnahme dieser Zeiten wäre jedoch auch bei jenen Antragstellerinnen, deren Ausbildung weniger als 15 Jahre zurückliege möglich. Dadurch würde sich der Beobachtungszeitraum um Zeiten der Kinderbetreuung bzw des Kindergeldbezugs verkürzen, und damit auch jener Zeitraum, während dessen eine einschlägige Erwerbstätigkeit gefordert werde. Darin, dass der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe, sondern diese Diskriminierung der Frauen zugelassen habe, liege ein Verstoß gegen Art 4 der RL 79/7/EWG vor. § 255 Abs 2 ASVG wäre daher richtlinienkonform im Sinn einer faktischen Herausnahme der typischerweise nur Frauen betreffenden Zeiträume der Kinderbetreuung und des Wochengeldes auszulegen, auch wenn ‑ wie im Fall der Klägerin ‑ das Ausbildungsende weniger als 15 Jahre vor dem Stichtag liege. Eine teleologische Interpretation des § 255 Abs 2 ASVG würde dies zulassen. Gleiches gelte für eine Auslegung des § 255 Abs 2 ASVG nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Verbots einer Alters- bzw Geschlechterdiskriminierung und des § 21 GRC: Bei älteren Antragstellerinnen würden durch die genannte Herausnahme nämlich nur Zeiten einer „auch potentiell möglichen Beschäftigung zur Berechnung der 50 % Klausel (= 90 Monate)“ herangezogen. Dies stehe mit dem vom EuGH in ständiger Rechtsprechung bestätigten Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung gemäß Art 6 Abs 3 EUV (Rs C‑144/04, Mangold ; C‑555/07, Kücükdeveci ) in Widerspruch. Abschließend rügt die Revisionswerberin als sekundären Feststellungsmangel, dass die Vorinstanzen nicht festgestellt hätten, welche Tätigkeiten eine Köchin regelmäßig vorzunehmen habe. Wären solche Feststellungen getroffen worden, hätte sich ergeben, dass der Klägerin eine Weiterbeschäftigung als Köchin aufgrund der vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht möglich sei. Dies hätte sich aus dem Leistungskalkül und einem berufskundlichen Gutachten ergeben.
Die Revisionsbeantwortung hält dem entgegen, dass dem allgemein gehaltenen Verweis auf die von der Revision zitierten Urteile des EuGH schon deshalb die Grundlage fehle, weil darin festgehalten sei, dass auch das als allgemeiner Rechtsgrundsatz aufgefasste Diskriminierungsverbot nicht pauschal auf jede gesetzliche Ungleichbehandlung anzuwenden sei; vielmehr verfügten die Mitgliedstaaten „unbestreitbar über einen weiten Ermessensspielraum bei der Wahl der Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik“ (C‑555/07, Kücükdeveci , Rn 20-38; C‑411/05, Palacois de la Villa , Rn 68; C‑144/04, Mangold , Rn 63). Die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, dürfe nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (C‑378/07 bis C‑380/07, Angelidaki ua, Rn 199, mit Verweis auf C‑212/04, Adeneler ua, Rn 110; C‑268/06, Impact , Rn 100 sowie auf den Beschluss Vassilakis ua, Rn 58). Zudem sei auf die gänzlich andere Sachlage zu verweisen, zu der die beiden Entscheidungen des EuGH ergangen seien, die zur Stützung des Standpunkts der Revision herangezogenen würden: Sowohl in Mangold als auch in Kücükdeveci sei es um explizit normierte Altersgrenzen (Vollendung des 25. bzw 52. Lebensjahrs) gegangen; in der Bestimmung des § 255 Abs 2 Satz 3 und 4 ASVG werde dagegen ausdrücklich nicht auf ein bestimmtes Alter abgestellt. Da § 255 Abs 2 ASVG nicht direkt auf das Geschlecht der versicherten Person Bezug nehme, deren Berufsschutz zu prüfen sei, liege auch keine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor. Eine der Ansicht der Revisionswerberin entsprechende Auslegung der zitierten Bestimmung würde auf ein gleichheitswidriges Ergebnis hinauslaufen, weil auch denkbar sei, dass im verlängerten Rahmenzeitraum keine oder keine qualifizierten Beitragsmonate gelagert seien. Außerdem scheitere die analoge Anwendung des § 255 Abs 2 Satz 4 ASVG ‑ wie vom Berufungsgericht aufgezeigt ‑ am Fehlen einer planwidrigen Gesetzeslücke. Da Männer durch die in § 8 Abs 1 Z 2 lit d und e ASVG genannten Zeiten nicht [nur] für zweimal acht Wochen, sondern für einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten (§ 20 WG, § 1 ZDG) an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert würden, seien Frauen nicht schlechter gestellt als Männer. Auch eine Diskriminierung aufgrund des Alters finde ihre Grenze in den jeweiligen faktischen Gegebenheiten und es stehe dem Gesetzgeber frei, innerhalb des Verfassungsrahmens pensionsrechtliche Regelungen zu treffen, die im Verhältnis zu anderen Gruppen als „Diskriminierung“ interpretiert werden könnten, sich bei näherer Betrachtung jedoch als Ergebnis dieser faktischen Umstände darstellten. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers werde (noch) nicht verlassen, wenn der Personenkreis der älteren Versicherten beim Zugang zum Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit unter Inanspruchnahme des Berufsschutzes gegenüber demjenigen der jüngeren Versicherten „bevorzugt“ werde, weil gerade die bisher erbrachten Beitragsleistungen ein Grundpfeiler des Systems der Pensionsversicherung seien.
Rechtliche Beurteilung
Dazu wurde erwogen:
1. Invalidität im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG liegt dann vor, wenn eine Versicherte (wie die Klägerin) überwiegend in erlernten (angelernten) Berufen tätig war und ihre Arbeitsfähigkeit infolge ihres körperlichen oder geistigen Zustands auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in jedem dieser Berufe herabgesunken ist. Als überwiegend im Sinn des Abs 1 galten nach § 255 Abs 2 zweiter Satz ASVG idF vor dem Inkrafttreten des BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111 (BBG 2011), solche erlernte (angelernte) Berufstätigkeiten, wenn sie in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach diesem Bundesgesetz während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (§ 223 Abs 2 ASVG) ausgeübt wurden.
2. Mit dem BBG 2011 erfolgte in § 255 Abs 2 ASVG hinsichtlich der Frage, wann ein qualifizierter Beruf als überwiegend ausgeübt anzusehen und somit geeignet ist, Berufsschutz zu begründen, eine sehr einschneidende Änderung: Nach § 255 Abs 2 idF BBG 2011 liegt eine überwiegende Tätigkeit im Sinn des Abs 1 vor, wenn innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit nach Abs 1 oder als Angestellte/r ausgeübt wurde (Satz 2). Liegen zwischen dem Ende der Ausbildung und dem Stichtag weniger als 15 Jahre, so muss zumindest in der Hälfte der Kalendermonate, jedenfalls aber für zwölf Pflichtversicherungsmonate, eine Erwerbstätigkeit nach Abs 1 oder als Angestellte/r vorliegen (Satz 3). Liegen zwischen dem Ende der Ausbildung und dem Stichtag mehr als 15 Jahre, so verlängert sich der im zweiten Satz genannte Rahmenzeitraum um Versicherungsmonate nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a, d, e und g ASVG (Satz 4). Nach § 255 Abs 2a ASVG idF BBG 2011 gelten als Ende der Ausbildung nach Abs 2 der Abschluss eines Lehrberufs, der Abschluss einer mittleren oder höheren Schulausbildung oder Hochschulausbildung sowie der Abschluss einer dem Schul- oder Lehrabschluss vergleichbaren Ausbildung, jedenfalls aber der Beginn einer Erwerbstätigkeit nach Abs 1 oder als Angestellter.
2.1. Nach den Materialien (ErläutRV 981 BlgNR 24. GP 204 f) reichten nach dem damals noch geltenden Recht auch sehr wenige Monate einer Beschäftigung aufgrund einer erlernten oder angelernten Tätigkeit zur Erlangung des Berufsschutzes aus, wenn in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag generell sehr wenige Beitragsmonate (zB bei lang dauernder Arbeitslosigkeit) vorlagen. Künftig soll nur eine längere tatsächliche Ausübung des erlernten (angelernten) Berufs geschützt werden und daher zur Erlangung des Berufsschutzes erforderlich sein. Als Erfordernis für das Bestehen eines Berufsschutzes muss daher (für Stichtage ab 1. 1. 2011) die Ausübung von mindestens 7,5 Jahren einer solchen qualifizierten Tätigkeit innerhalb von 15 Jahren vor dem Stichtag vorliegen. Die „Beobachtungsjahre“ werden bei ArbeiterInnentätigkeiten vom Stichtag zurück bis zum Abschluss der ersten berufsschutzbegründenden Ausbildung (Anlernzeit), nach der die versicherte Person ins Berufsleben eintritt, gerechnet. Liegen mehr als 15 Beobachtungsjahre vor und fallen in den Beobachtungszeitraum Zeiten der Kindererziehung (höchstens 4 Jahre pro Kind), des Wochengeldbezugs, von Präsenz‑ oder Zivildienst, so erfolgt eine Ausdehnung der Rahmenfrist um diese Zeiten („Rahmenfristerstreckung“).
2.2. Seit 1. 1. 2011 ist es somit für die Erlangung eines Berufsschutzes nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG grundsätzlich erforderlich, dass ein Versicherter 7,5 Jahre der Ausübung eines qualifizierten Berufs innerhalb von 15 Jahren vor dem Stichtag nachweisen kann. Motiv des Gesetzgebers war es, nur noch eine längere Ausübung des qualifizierten Berufes zu schützen. Bei Überprüfung des Überwiegens werden alle Zeiten einer qualifizierten Tätigkeit zusammengerechnet, also alle einschlägigen Arbeiter- und Angestelltenberufe berücksichtigt. Liegen in dem Rahmenzeitraum auch Zeiten der Kindererziehung, des Wochengeldbezugs, des Präsenz‑ oder Zivildienstes, so kommt es zu einer entsprechenden Rahmenfristerstreckung ( Födermayr in SV‑Komm § 255 ASVG Rz 112 ff).
2.3. Gleichzeitig wurde durch das BBG 2011 ‑ in Abkehr von der bisherigen Judikatur (vgl 10 ObS 36/04y, SSV-NF 19/18) ‑ in § 255 Abs 4 ASVG die Regelung eingefügt, dass sich der für die Erlangung des Tätigkeitsschutzes nach dieser Gesetzesstelle ebenfalls maßgebende Rahmenzeitraum von 180 Monaten vor dem Stichtag um neutrale Monate nach § 234 Abs 1 Z 2 lit a ASVG (= Zeiten des Bezugs einer Pension) oder Monate des Bezugs von Übergangsgeld verlängert (§ 255 Abs 4 Z 1 ASVG idF BBG 2011). Nach den Materialien (ErläutRV 981 BlgNR 24. GP 206) sollen Zeiten des Bezugs einer Pension und von Übergangsgeld aufgrund geminderter Arbeitsfähigkeit als neutrale Zeiten beim Beobachtungszeitraum gewertet werden (dh dieser Zeitraum wird um die neutralen Monate ausgedehnt), um auf diese Weise den Erhalt eines einmal erlangten Tätigkeitsschutzes sicherzustellen.
2.4. Mittlerweile hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Frage der Rahmenfristerstreckung beim Berufsschutz mit Wirkung ab 1. 1. 2014 eine weitere Änderung vorgenommen. Gemäß § 234 Abs 1 Z 5 ASVG idF Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012, BGBl I 2013/3, stellen auch Zeiten des Rehabilitationsgeldbezugs ab 1. 1. 2014 neutrale Zeiten dar. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 24) dient diese Regelung der Klarstellung, dass diese Zeiten nicht auf die Beobachtungszeiträume für die Erlangung bzw die Erhaltung des Berufs‑ oder Tätigkeitsschutzes angerechnet werden (10 ObS 12/14h mwN).
3. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditätspension an die Klägerin zum Stichtag 1. 6. 2011 zu prüfen: Nach ständiger Rechtsprechung löst nämlich ein ‑ wie hier ‑ fristgerechter Weitergewährungsantrag im Fall lückenlosen Weiterbestehens von Invalidität keinen neuen Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit und ebenso keinen neuen Stichtag im Sinn des § 223 Abs 2 ASVG aus (vgl RIS‑Justiz RS0105152). Daher ist die Frage des Berufsschutzes nach jenem Stichtag zu beurteilen, der der Gewährung der Invaliditätspension zugrunde lag (vgl RIS‑Justiz RS0083653).
3.1. Die Vorinstanzen haben eine Invalidität der Klägerin nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG idF BBG 2011 zum Stichtag 1. 6. 2011 mit der Begründung verneint, dass sie ihre Lehre als Köchin zwar am 5. 7. 2000 (innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag) abgeschlossen habe, aber nicht die für einen Berufsschutz zumindest erforderliche Hälfte der Kalendermonate einer Tätigkeit als Köchin vorlägen, weil die Klägerin innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag neben 42 Beitragsmonaten im erlernten Beruf noch insgesamt 61 Versicherungsmonate infolge des Bezugs von Wochengeld und Zeiten der Kindererziehung (teilweise zeitlich deckend mit Zeiten des Bezugs von Arbeitslosen‑ und Krankengeld) erworben habe.
3.2. Die Klägerin hält dieser Beurteilung der Vorinstanzen im Wesentlichen entgegen, dass die gebotene europarechtskonforme Auslegung der geltenden Regelung des § 255 Abs 2 Satz 3 ASVG (wonach [ua] Zeiten des Bezugs von Wochengeld und Zeiten der Kindererziehung im Beobachtungszeitraum für die Frage des Berufsschutzes mitberücksichtigt würden) zur „faktischen Herausnahme“ solcher ‑ überwiegend junge Mütter betreffender ‑ Zeiträume führen müsse. Im Ergebnis begehrt die Klägerin somit, die Bestimmung des § 255 Abs 2 Satz 4 ASVG idF BBG 2011 über die „Rahmenfristerstreckung“ im aufgezeigten Sinn „analog“ anzuwenden, sodass die „Herausnahme“ von Zeiten des Bezugs von Wochengeld und der Kindererziehung (im Ausmaß von 61 Versicherungsmonaten) eine Reduzierung des Beobachtungszeitraums gemäß § 255 Abs 2 Satz 3 ASVG auf 69 Monate bewirke. In diesem Zeitraum habe die Klägerin im erlernten Beruf als Köchin insgesamt 42 Beitragsmonate erworben, sodass ihr Berufsschutz zukomme.
4. Der erkennende Senat hat erst jüngst, in der Entscheidung 10 ObS 12/14h, einen Fall beurteilt, in dem zwischen dem Beginn der qualifizierten Tätigkeit des Klägers als Maurer und dem maßgebenden Stichtag (1. 12. 2011) jedenfalls mehr als 15 Jahre lagen, sodass sich der Rahmenzeitraum der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag nach § 255 Abs 2 letzter Satz ASVG um die in § 8 Abs 1 Z 2 lit a, d, e und g ASVG genannten Zeiten der Kindererziehung, des Wochengeldbezugs sowie der Präsenz‑ und Zivildienstleistung verlängerte. Dazu wurde festgehalten, dass nach der Bestimmung des § 255 Abs 4 Z 1 ASVG idF BBG 2011 Zeiten des Bezugs einer Pension und von Übergangsgeld den Beobachtungszeitraum für den Tätigkeitsschutz verlängern, während sich eine vergleichbare Regelung in § 255 Abs 2 ASVG für den Berufsschutz nicht findet. Eine Erstreckung der Norm des § 255 Abs 4 Z 1 ASVG idF BBG 2011 im Weg der Analogie (§ 7 ABGB) auf Zeiten des Bezugs einer befristeten Invaliditätspension wurde jedoch für geboten erachtet:
4.1. Demnach ist für die Frage des Erhalts des Berufsschutzes nach § 255 Abs 2 ASVG ‑ gemessen am Konzept des Gesetzgebers und zur Vermeidung einer dem Gleichheitssatz widersprechenden Rechtslage ‑ das Vorliegen einer planwidrigen Gesetzeslücke bei der Frage der Erstreckung der Rahmenfrist anzunehmen, die im Hinblick auf das Gebot der verfassungskonformen Interpretation im Wege der analogen Anwendung des § 255 Abs 4 Z 1 ASVG zu schließen ist (RIS‑Justiz RS0129361; so auch Födermayr in SV‑Komm § 255 ASVG Rz 114).
4.2. In der Entscheidung 10 ObS 12/14h wurde aufgezeigt, dass eine „Gesetzeslücke“ vorliegt, wenn eine Unvollständigkeit innerhalb eines Gesetzes vom Standpunkt der Zwecke und Werte des konkreten Gesetzes selbst festgestellt werden kann. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner Absicht und Teleologie, ergänzungsbedürftig sein, ohne dass diese Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht ( Posch in Schwimann/Kodek , ABGB 4 I § 7 Rz 2 mwN; RIS‑Justiz RS0008866). Ob dies der Fall ist, ist aufgrund der Rechtsordnung einschließlich aller auch als Auslegungskriterien heranzuziehenden Maßstäbe zu beurteilen. Eine teleologische Lücke liegt vor, wenn die ‑ mit Hilfe der Interpretationsregeln ermittelte ‑ ratio legis (bzw das höhere Rechtsprinzip) in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgeanordnung (bzw der Werttendenz) einer gesetzlichen Norm auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall fordert ( F. Bydlinski in Rummel , ABGB 3 § 7 Rz 2; 10 ObS 118/09i, SSV-NF 23/75 mwN ua). Bei der Beurteilung der Lückenhaftigkeit sind auch die späteren Änderungen der Gesamtrechtsordnung zu berücksichtigen, wenn sie auf eine Neubewertung der beteiligten Interessen durch den Gesetzgeber schließen lassen ( Schauer in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.00 § 7 Rz 9).
4.3. Zwar wird die Regelung des § 255 Abs 2 ASVG in den Materialien (ErläutRV 981 BlgNR 24. GP 204 f) mit der notwendigen Verschärfung der Voraussetzungen für die Erlangung des Berufsschutzes begründet. Die Bestimmung des § 255 Abs 2 Satz 4 ASVG soll jedoch offenbar den Erhalt eines einmal erlangten Berufsschutzes sicherstellen: Wenn in den (langen) Beobachtungszeitraum Zeiten der Kindererziehung (höchstens 4 Jahre pro Kind), Wochengeld, Präsenz- oder Zivildienst fallen, erfolgt eine Ausdehnung der Rahmenfrist um diese Zeiten („Rahmenfristerstreckung“ [vgl dazu 10 ObS 12/14h, RIS‑Justiz RS0129361]).
5. Anders als im Fall der Klägerin wurde also in der Entscheidung 10 ObS 12/14h der Wegfall eines bereits erlangten Berufsschutzes durch Zeiten eines Pensionszugs verneint. Hier steht hingegen die Frage im Vordergrund, ob die Klägerin zum ursprünglichen Stichtag (1. 6. 2011) überhaupt Berufsschutz nach den verschärften Voraussetzungen des § 255 Abs 1 und 2 ASVG idF BBG 2011 erlangt hat.
5.1. Zutreffend weist die Revisionsgegnerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Revision selbst festhält, der Gesetzgeber habe ‑ angesichts „der von ihm gewählten Formulierung der Rahmenzeiterstreckung“ ‑ von der Möglichkeit einer Berücksichtigung der Zeiten des Wochengeldbezugs in der von der Klägerin angestrebten Weise „nicht Gebrauch gemacht“ (Seite 8 der Revision):
5.2. Nach dem Wortlaut des § 255 Abs 2 Satz 4 ASVG ist nämlich eindeutig nur eine Erstreckung der Rahmenfrist um Zeiten (ua) des Bezugs von Wochengeld und Zeiten der Kindererziehung vorgesehen, nicht jedoch eine „Herausnahme“ dieser Zeiten aus dem Beobachtungszeitraum nach § 255 Abs 2 Satz 3 ASVG, um einen Berufsschutz (doch) erlangen zu können. Dies ergibt sich auch aus den Materialien zur genannten Bestimmung. Danach ist dann, wenn ‑ wie hier ‑ weniger als 15 Beobachtungsjahre vorliegen, eine Ausdehnung des Beobachtungszeitraums nicht möglich und für diese Personengruppe gilt die „ Hälfteregelung “ bezogen auf den Berufsschutz unbeschränkt (RV 981 BlgNR 24. GP 205).
5.3. Zutreffend zeigt schon das Berufungsgericht daher auf, dass eine analoge Anwendung des vierten Satzes in § 255 Abs 2 ASVG idF BBG 2011 auf die Konstellation der Klägerin, die dem dritten Satz dieser Norm unterfällt, zum einen am Fehlen planwidriger Unvollständigkeit des Gesetzes und zum anderen daran scheitert, dass ein Rechtssatz, der im Gesetz nicht einmal angedeutet ist, auch nicht im Wege der Auslegung Geltung erlangen kann.
5.4. Davon ausgehend hat der erkennende Senat die mit der Novellierung der Bestimmung des § 255 Abs 2 ASVG idF BBG 2011 eingeführte Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Erlangung eines Berufsschutzes nämlich bereits dahin beurteilt, dass die unzweifelhafte Ausdrucksweise des Gesetzes in seinem wörtlichen (nächstliegenden) Verständnis keine offenbaren Wertungswidersprüche in der Rechtsordnung provoziert, mit bestehendem Wertungskonsens innerhalb der Rechtsgemeinschaft nicht unvereinbar ist und auch der „Natur der Sache“ nicht zuwiderläuft. Daher ist es nicht Aufgabe der Gerichte, durch weitherzige Interpretation rechtspolitische oder wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen, die den Gesetzgeber (bewusst oder unbewusst) nicht veranlasst haben, Gesetzesänderungen vorzunehmen; es ist nicht Sache der Rechtsprechung, allenfalls als unbefriedigend erachtete Gesetzesbestimmungen zu ändern oder zu beseitigen (10 ObS 50/12v, SSV-NF 26/33 = DRdA 2013/11, 136 [krit Panhölzl bzgl der teleologischen Reduktion der Anwendung der Hälfteregel leg cit auf einen bestimmten Personenkreis]; RIS-Justiz RS0009099):
5.4.1. Steht doch den Gerichten nicht zu, ohne Vorliegen einer Gesetzeslücke an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und (rechtsfortbildend) einen Regelungsinhalt zu schaffen, dessen Normierung ausschließlich dem Gesetzgeber obläge (RIS-Justiz RS0008757 [T2]; RS0008866 [T16]; RS0098756 [T3 und T5]; 7 Ob 1/14v, 10 ObS 114/13g mwN).
5.5. Da auch die unionsrechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts zutreffend sind, genügt es, auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 510 Abs 3 2. Satz ZPO). Die Revision der Klägerin vermag dieser Argumentation, wie auch die Ausführungen in der Revisionsbeantwortung der beklagten Partei zutreffend aufzeigen, nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen. Die Revisionswerberin will die von ihr behauptete unmittelbare Diskriminierung im Wesentlichen aus allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts ableiten. Diesem Ansatz ist aus folgenden Erwägungen, die der erkennende Senat bereits in der Entscheidung 10 ObS 118/13w dargelegt hat, entgegenzutreten:
5.5.1. Auf Grundlage des Art 21 GRC, der durch einschlägige Antidiskriminierungsrichtlinien konkretisiert wird, schreibt das Antidiskriminierungsrecht der Europäischen Union vor, dass Personen, die sich in ähnlichen Situationen befinden, ähnlich behandelt werden müssen und nicht benachteiligt werden dürfen, nur weil sie ein bestimmtes Merkmal aufweisen, das einen Schutzgrund darstellt. Damit wird die unmittelbare Diskriminierung angesprochen. Eine solche liegt dann vor, wenn eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu einer Person in einer sachlich ähnlichen Situation (Vergleichsperson) gegeben ist, wobei die Ursache dafür im Schutzgrund besteht. Es ist somit ein kausaler Zusammenhang zwischen der nachteiligen Behandlung und dem Schutzgrund erforderlich. Eine nachteilige Behandlung kann somit (abhängig von der Rechtfertigung) dann zu einer unmittelbaren Diskriminierung führen, wenn die betroffene Person weniger günstig behandelt wird als eine andere Person in einer ähnlichen Situation. Der Hauptunterschied zwischen beiden Personen muss im Schutzgrund bestehen (10 ObS 118/13w mwN).
5.5.2. Die Klägerin rügt ihre Diskriminierung aufgrund des Geschlechts als junge Frau, speziell als junge Mutter, der es von Gesetzes wegen verwehrt gewesen sei, während des Mutterschutzes zu arbeiten. Die Verlängerung des Rahmenzeitraums nach § 255 Abs 2 Satz 4 ASVG (die als „Herausnahme“ der dort genannten Versicherungszeiten zu verstehen sei) werde aber nur für Fälle angeordnet, in denen zwischen dem Ende der Ausbildung und dem Stichtag (bereits) mehr als 15 Jahre liegen.
5.5.3. Zu Recht hält die beklagte Partei diesen Ausführungen entgegen, dass junge Männer insoweit nicht besser sondern schlechter gestellt sind: Für sie kommt nach dieser Bestimmung zwar nicht das Beschäftigungsverbot von zweimal acht Wochen nach §§ 3 bis 5 MSchG in Betracht; im Rahmen der in § 8 Abs 1 Z 2 lit d und e ASVG genannten Zeiten sind sie jedoch für einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten (§ 20 WG, § 1 Abs 5 ZDG) an der Ausübung der Erwerbstätigkeit gehindert.
5.5.4. Eine Diskriminierung aufgrund des Alters ist ebenfalls nicht zu erkennen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 10 ObS 50/12v, SSV-NF 26/33 festgehalten, dass gegen die Bestimmung des § 255 Abs 2 idF BBG 2011 keine Bedenken bestehen: Es erscheint nämlich nicht unsachlich, wenn für die Erlangung des Berufsschutzes grundsätzlich auf die bestimmte Mindestversicherungszeit einer qualifizierten Erwerbstätigkeit in einem bestimmten Rahmenzeitraum abgestellt wird, bei jenen Versicherten, bei denen nur ein kürzerer Beobachtungszeitraum vorliegt, hingegen auf das Erfordernis der sogenannten „ Halbdeckung “ mit einer absoluten Untergrenze von zwölf Monaten einer qualifizierten Tätigkeit. Dass der Gesetzgeber für die zweite Gruppe ‑ mangels Vorliegens der Grundvoraussetzungen einer ausreichenden Ausübungszeit (7,5 Jahre) für die Erlangung von Berufsschutz ‑ keine Rahmenfristerstreckung vorgesehen hat, und die „ Hälfteregelung “ bezogen auf den Berufsschutz für diese (Kurzzeit-)Versicherten daher unbeschränkt gilt, führt zu keiner anderen Beurteilung.
5.5.5. Demgemäß sieht der erkennende Senat auch keinen Anlass, eine Vorabentscheidung durch den EuGH ‑ wie von der Klägerin angeregt ‑ einzuholen. Der Revision muss vielmehr insgesamt ein Erfolg versagt bleiben.
5.5.6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG, weil keine berücksichtigungswürdigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin, die den ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, dargetan wurden und solche auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich sind.
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