OGH 5Ob145/14f

OGH5Ob145/14f26.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in den verbundenen außerstreitigen Wohnrechtssachen der Eigentümer des Hauses *****, als Antragsteller sowie Antragsgegner, sämtliche vertreten durch Engin Deniz Reimitz Hafner Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die Antragsgegnerin sowie Antragstellerin G***** GmbH, 1010 *****, vertreten durch Mag. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abänderung des Sachbeschlusses des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 4. Oktober 2013, GZ 61 Msch 19/12s(26/12w)‑49, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin und Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 1. Juli 2014, GZ 40 R 144/14v‑60, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00145.14F.0926.000

 

Spruch:

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG kann nach dem Eintritt der Rechtskraft eines Beschlusses, mit dem über die Sache entschieden wurde, seine Abänderung beantragt werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte. Diese Gründe eines Abänderungsantrags entsprechen dem Wiederaufnahmsklagegrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO (vgl RIS‑Justiz RS0124752), weshalb die in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu dem genannten Klagegrund entwickelten Kriterien auch im außerstreitigen Abänderungsverfahren heranzuziehen sind.

1.1. Dass sich aus späteren Tatumständen die Unrichtigkeit eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens ergeben soll, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0044555) für sich allein noch kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund. Der bloße Verdacht der Unrichtigkeit eines Sachverständigengutachtens vermag daher per se eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zu begründen (RIS‑Justiz RS0044411 [T5]). In seiner jüngeren Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof aber auch mehrfach die Ansicht vertreten, einem nachträglichen Gutachten könne die Eignung als Wiederaufnahmsgrund nicht von vornherein abgesprochen werden, wenn das Gutachten des Hauptprozesses auf einer unzulänglichen Grundlage beruhte, die durch das neue Gutachten richtig gestellt oder vervollständigt wird (2 Ob 230/06x mwN; RIS‑Justiz RS0044834 [T10, T12]). Eine derartige Unzulänglichkeit muss konkret und schlüssig dargelegt werden (RIS-Justiz RS0044834 [T14]). Ob das Vorbringen im jeweiligen Einzelfall dafür ausreicht, begründet nur im Fall einer aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung eine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0044411 [T19]).

1.2. Im vorliegenden Fall rechtfertigt die ehemalige Mieterin eines Geschäftslokals ihren Antrag auf Abänderung eines rechtskräftigen Sachbeschlusses über die Feststellung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses mit einem gerichtlichen Sachverständigengutachten, das in einem anderen mietrechtlichen Außerstreitverfahren für dasselbe Bestandobjekt einen wesentlich niedrigeren Hauptmietzins festsetzte als das im vorliegenden Verfahren eingeholte Gutachten. Es ist zwar richtig, dass beide Gutachten von ein und demselben Sachverständigen aufgrund derselben Befundaufnahme (am 22. 10. 2012) erstattet wurden, sie betrafen jedoch jeweils einen anderen Stichtag. Das erste Gutachten beurteilte den Hauptmietzins zum Stichtag 1. 1. 2012, das zweite hingegen zum 1. 11. 2007. Beide ermittelten den angemessenen Hauptmietzins jeweils anhand von für den jeweiligen Stichtag relevanten Vergleichsmieten. Angesichts der Entwicklung des Immobilienmarkts in dem zwischen den Stichtagen liegenden Zeitraum kann dem Rekursgericht bei der Beurteilung des geltend gemachten Abänderungsgrundes als abstrakt untauglich keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende und damit korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vorgeworfen werden.

2. Der Oberste Gerichtshof hat den Gegnern des Revisionsrekurswerbers die Einbringung einer Revisionsrekursbeantwortung nicht freigestellt, weshalb ihnen analog § 508a Abs 2 letzter Satz ZPO kein Kostenersatzanspruch für ihre Rechtsmittelgegenschrift zusteht (RIS‑Justiz RS0124792).

Stichworte