OGH 6Ob85/14i

OGH6Ob85/14i28.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Eva Riess, Rechtsanwältin, 1080 Wien, Zeltgasse 3/12, als Insolvenzverwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mag. pharm. H***** B*****, gegen die beklagten Parteien 1. Z*****‑Apotheke KG, *****, 2. Mag. D***** P*****, beide vertreten durch Ehrenhöfer & Häusler Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, wegen 671.901,75 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2014, GZ 1 R 244/13d‑14, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 2. Oktober 2013, GZ 20 Cg 62/13y‑9, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00085.14I.0828.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Es wird in der Sache erkannt und das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 32.606,39 EUR (darin enthalten 1.428,09 EUR USt und 24.037,91 EUR Pauschalgebühr in dritter Instanz) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Das wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers am 18. Februar 2014 unterbrochene Verfahren wurde über Antrag der beklagten Parteien mit Beschluss des Erstgerichts vom 8. April 2014 gemäß § 7 Abs 2 IO fortgesetzt.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 19. Juli 1991 errichtete der Kläger als Komplementär mit einem Gesellschaftsanteil von 25 % mit dem einen 75%-igen Anteil haltenden Mag. H***** K***** (in der Folge als Kommanditist bezeichnet) als Kommanditisten die erstbeklagte Kommanditgesellschaft zum Betrieb einer Apotheke.

Der Gesellschaftsvertrag lautet auszugsweise:

§ 3

Apothekenkonzession

(1) [...].

(2) Die Konzession bildet ohne Rücksicht darauf, auf wessen Namen sie lautet, einen Vermögensbestandteil der Gesellschaft.

(3) [...].

(4) Für den Fall, daß der Komplementär aus der Gesellschaft unter Lebenden aus welchem Grunde immer ausscheidet, ist er verpflichtet, alle Erklärungen abzugeben bzw. Unterschriften zu leisten, die zur Erteilung der Konzession zum Betriebe des Gegenstand dieser Gesellschaft bildenden Apothekenunternehmens unter Aufrechterhaltung des bisherigen Standortes an einen vom Kommanditisten oder dessen Rechtsnachfolgern namhaft gemachten leitungsberechtigten Pharmazeuten erforderlich sind.

(5) [...]

(6) Für den Fall, daß der Konzessionär den von ihm für den Fall des Ausscheidens übernommenen Verpflichtungen nicht nachkommen sollte, erlischt sein Anspruch auf Abfindung gemäß § 12 dieses Gesellschaftsvertrages.

[…]

§ 10

Dauer der Gesellschaft, Kündigung

[…]

(4) Der Komplementär scheidet jedenfalls mit Vollendung des Lebensjahres, mit dem er frühestens Leistungen der Pensionsversicherung aus der Alterspension in Anspruch zu nehmen berechtigt ist, aus der Gesellschaft gegen Abfindung gemäß § 12 dieses Gesellschaftsvertrages aus.

[…]

§ 11

Ausscheiden eines Gesellschafters, Übernahmsrecht

(1) Durch das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft aus welchem Grunde immer, Eröffnung des Ausgleichs- oder Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters, Kündigung durch einen Privatgläubiger eines Gesellschafters gemäß § 135 HGB, Ausschluss durch gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 140, 142 HGB wird die Gesellschaft nicht aufgelöst.

(2) In allen im vorstehenden Absatz angeführten Fällen scheidet der kündigende, ausgeschlossene bzw. ansonsten betroffene Gesellschafter aus der Gesellschaft aus. Die anderen Gesellschafter sind in diesem Fall berechtigt, den Anteil am Vermögen der Gesellschaft des ausscheidenden Gesellschafters gegen Abfindung gemäß § 12 dieses Gesellschaftsvertrages sowie gegen Schad‑ und Klagloshaltung des ausscheidenden Gesellschafters gegen alle Forderungen der Gesellschaftsgläubiger zu übernehmen und das Apothekenunternehmen mit allen Passiven und Aktiven fort zubetreiben, oder anstelle des ausscheidenden Gesellschafters einen neuen Gesellschafter in die Gesellschaft aufzunehmen. Sollte im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters die Gesellschaft nur aus zwei Gesellschaftern bestehen, so sind die vorstehenden Vereinbarungen analog zugunsten des verbleibenden der beiden Gesellschafter anzuwenden.

(3) Die Übernahmeerklärungen sind im Falle der Kündigung durch einen Gesellschafter oder durch einen Gläubiger eines Gesellschafters in der ersten Hälfte der Kündigungsfrist und im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Gesellschaft durch gerichtliche Entscheidung binnen einem Monat nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung abzugeben. […]

(4) [...].

§ 12

Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters

(1) Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Gesellschaft aus welchem Grunde immer, ausgenommen in den Fällen, in denen in diesem Vertrag etwas anderes vereinbart ist, ist dem ausscheidenden Gesellschafter das zurückzugeben, was er der Gesellschaft allenfalls lediglich zur Benützung überlassen hat sowie als Entgelt das auszuzahlen, was am Ende der Kündigungsfrist bzw. zum Ausscheidungsstichtag auf ihn nach dem Verhältnis seines Kapitalkontos zu den übrigen Kapital‑ bzw. Kommanditeinlagekonten vom Gesamtvermögen der Gesellschaft entfiele. Zusätzlich hat der ausscheidende Gesellschafter den Marktpreis seines Anteiles am Apothekenunternehmen zu erhalten.

[…]

(2) Die Auszahlung des nach den vorstehenden Grundsätzen gemäß Absatz 1 zu ermittelnden Auseinandersetzungsguthabens erfolgt in zwei gleichen Raten, von denen die erste am Tag des Ausscheidens des betreffenden Gesellschafters und die zweite innerhalb eines Jahres ab dem Tag der Einigung über den Marktpreis bzw. Bestimmung durch den Schiedsgutachter fällig ist. [...]“

Mit Vollendung seines 65. Lebensjahrs am 7. August 2003 hatte der Kläger Anspruch auf Alterspension und schied aus der Gesellschaft aus, weigerte sich jedoch, sein Ausscheiden zur Eintragung im Firmenbuch anzumelden, seine Konzession zurückzulegen und die zur Erteilung der Konzession an den Zweitbeklagten, der ab 23. September 2004 als neuer Komplementär vorgesehen war, notwendigen Erklärungen abzugeben.

Der Kommanditist brachte daraufhin gegen den nunmehrigen Kläger zu AZ 22 Cg 207/04y des Erstgerichts eine Klage auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht und zu AZ 23 Cg 211/04v des Erstgerichts eine Klage ein, mit der er die Verpflichtung des nunmehrigen Klägers zur Anmeldung seiner Löschung als Gesellschafter zum Firmenbuch und zur Zurücklegung seiner Konzession sowie zur Abgabe aller zur Verleihung der Konzession an den nunmehrigen Zweitbeklagten notwendigen Erklärungen begehrte.

Der nunmehrige Kläger bestritt in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren die ihm zur Last gelegten Verletzungen gesellschaftsvertraglicher Verpflichtungen und wendete vor allem ein, dass der Gesellschaftsvertrag in einzelnen Punkten dem Apothekengesetz widerspreche.

Mit Urteil des Erstgerichts vom 12. Juli 2008 wurde der nunmehrige Kläger als dort Beklagter schuldig erkannt, a) sein Ausscheiden als Gesellschafter der nunmehrigen erstbeklagten KG im Firmenbuch anzumelden, b) die ihm erteilte Konzession zum Betrieb der Z*****‑Apotheke zurückzulegen und alle Erklärungen abzugeben, dass die Konzession zum Betrieb dieser Apotheke unter Aufrechterhaltung des bisherigen Standorts an den nunmehrigen Zweitbeklagten verliehen werde.

Mit Schreiben vom 22. 9. 2008 legte der Kläger seine Konzession zugunsten des Zweitbeklagten zurück.

Im Verfahren AZ 23 Cg 285/08g des Erstgerichts wurde der nunmehrige Kläger als dort Beklagter schuldig erkannt, der nunmehrigen Erstbeklagten als dortiger Klägerin 524.866 EUR an eigenmächtig entnommenen Gesellschaftsgeldern samt Zinsen zurückzuzahlen und die Verfahrenskosten zu ersetzen.

Das Oberlandesgericht Wien gab der dagegen vom nunmehrigen Kläger erhobenen Berufung mit Urteil vom 22. Jänner 2011, AZ 4 R 184/10y, nicht Folge.

Der Kläger begehrt ‑ erkennbar von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand ‑ Zahlung von 671.901,75 EUR sA. Gemäß rechtskräftigem Urteil des Erstgerichts sei er am 7. August 2003 aus der erstbeklagten Gesellschaft ausgeschieden. Aufgrund der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 22. Jänner 2011, AZ 4 R 184/10y, stehe fest, dass er dem Grunde nach Anspruch auf eine Abfindung habe. Der Höhe nach stehe ihm eine Abfindung von mehr als 1.300.000 EUR zu, von der er vorerst die zum Zeitpunkt seines Austritts aus der Gesellschaft bzw zum 1. September 2003 fällige Hälfte in Höhe des Klagsbetrags geltend mache. Eine Aufrechnung der Erstbeklagten mit der von ihr zu AZ 23 Cg 285/08g ersiegten Forderung sei unzulässig. Der Zweitbeklagte habe die Gesellschaftsanteile des Klägers übernommen und hafte als deren nunmehriger Komplementär persönlich für die Schulden der Gesellschaft.

Die Beklagten wendeten ein, der Kläger habe entgegen seinen gesellschaftsvertraglichen Pflichten weder seinen (bereits am 7. August 2003 erfolgten) Austritt aus der Gesellschaft zur Eintragung im Firmenbuch angemeldet noch seine Konzession zurückgelegt und die zur Erteilung der Konzession an den Zweitbeklagten erforderlichen Erklärungen und Unterschriften abgegeben; er sei dazu erst mit dem im Verfahren AZ 22 Cg 207/04y ergangenen Urteil verpflichtet worden. Seine Konzession habe der Kläger erst mit Schreiben vom 22. September 2008 zurückgelegt. Der Kläger habe daher seinen Abfindungsanspruch gemäß § 3 Abs 6 des Gesellschaftsvertrags aufgrund grob schuldhafter Verletzung seiner in § 3 Abs 4 des Gesellschaftsvertrags vereinbarten Pflichten verloren. Die vom Oberlandesgericht Wien in seiner Entscheidung AZ 4 R 184/10y vertretene Rechtsansicht zur Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit des vollständigen Ausschlusses des Abfindungsanspruchs sei unrichtig. Nach in Österreich und Deutschland herrschender Rechtsprechung und Lehre sei der vollständige Ausschluss der Abfindung nur unzulässig, soweit dies mit zwingenden gesetzlichen Vorschriften oder außergesetzlichen Regeln unvereinbar sei, die dazu dienten, die Chancengleichheit der Gesellschafter zu beeinträchtigen. Im vorliegenden Fall könne von einer mangelnden Chancengleichheit keine Rede sein, habe es doch der Kläger selbst in der Hand gehabt, den Verlust seines Abfindungsanspruchs durch vertragskonformes Verhalten zu verhindern. Die Klagsforderung sei überhöht. Der Kläger habe vom Zeitpunkt seines Ausscheidens im August 2003 bis zur Löschung aus dem Firmenbuch und Zurücklegung seiner Konzession im September 2008 Bezüge von 530.511,65 EUR erhalten. Der Zweitbeklagte, der bei rechtmäßigem Verhalten des Klägers im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers als Komplementär und Konzessionär in die Gesellschaft eingetreten wäre, hätte für denselben Zeitraum aufgrund der mit ihm getroffenen Vereinbarung Bezüge von 418.178,35 EUR erhalten, so dass der Erstbeklagten ein Schaden von 112.333,30 EUR entstanden sei, den der Kläger durch sein rechtsmissbräuchliches Verhalten schuldhaft verursacht habe. Ein weiterer der Erstbeklagten vom Kläger verursachter Schaden liege darin, dass er von August 2003 bis September 2008 ihm nicht zustehende Gewinne von insgesamt 451.437,40 EUR entnommen habe. Im Zeitpunkt der Fälligkeit der ersten Rate des Abfindungsanspruchs habe daher bereits ein der Erstbeklagten vom Kläger verursachter Schaden von 563.770,70 EUR bestanden. Die Erstbeklagte habe bereits im Verfahren AZ 23 Cg 285/08g die Aufrechnung mit ihrem Schadenersatzanspruch erklärt und den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Abfindungsanspruch des Klägers getilgt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe durch die verspätete, erst nach gerichtlicher Durchsetzung erfolgte Zurücklegung seiner Konzession seinen Abfindungsanspruch gemäß § 3 Abs 6 des Gesellschaftsvertrags verloren. Dass die letztgenannte Vertragsbestimmung sittenwidrig und damit nichtig sei, habe der Kläger nicht behauptet. Dies sei auch nicht erkennbar.

Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Erstgericht habe gegen § 182a ZPO verstoßen, wonach das Gericht das Sach‑ und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern habe. Eine Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens der Parteien durch das Erstgericht sei bislang nicht erfolgt. Dass der Kläger kein Vorbringen zur Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit der den Verlust seines Abfindungsanspruchs vorsehenden Bestimmung des § 3 Abs 6 des Gesellschaftsvertrags erstattet habe (wozu er angesichts der seinen Abfindungsanspruch ‑ wenngleich bloß in der nicht bindenden Begründung ‑ dem Grunde nach bejahenden Ausführungen des Oberlandesgerichts Wien in der Entscheidung AZ 4 R 184/10y auch keine Veranlassung gehabt habe), liege allein daran, dass das Erstgericht das wechselseitige Sach‑ und Rechtsvorbringen sowie seine offenkundig von der zuletzt genannten Entscheidung abweichende Rechtsauffassung nicht mit den Parteien erörtert habe. Dies müsse das Erstgericht im zweiten Rechtsgang nachholen.

Gesellschaftsvertragliche Änderungen, welche die gesetzliche Abfindungsregelung modifizierten, seien grundsätzlich zulässig. Für derartige Modifikationen bestünden allerdings nicht unerhebliche Schranken. So gebiete der Gesellschafterschutz eine Grenze für die Zulässigkeit von Abfindungsklauseln. Abfindungsklauseln seien unzulässig und unwirksam, soweit sie mit zwingenden gesetzlichen Vorschriften (zB Sittenwidrigkeit gemäß § 879 ABGB) oder außergesetzlichen Regeln unvereinbar seien, die dazu dienten, ein Minimum an Chancengleichheit zwischen den verbleibenden Gesellschaftern und dem ausgeschiedenen Gesellschafter, seinen Erben und Gläubigern zu gewährleisten (8 Ob 16/94). In der zuletzt zitierten Entscheidung habe der Oberste Gerichtshof eine unabhängig von den Vermögensverhältnissen der Gesellschaft garantierte Abfindungssumme wegen Verstoßes gegen Gläubigerschutzinteressen und das Gebot der Gleichbehandlung der Gesellschafter für unzulässig gehalten, wenn die Zusage über zehn Jahre gegeben werde, sodass eine seriöse Voraussage über das Vermögen der Gesellschaft zum Abfindungszeitpunkt nicht möglich sei. Die Sittenwidrigkeit werde verstärkt, wenn die Klausel zur Irreführung der Anleger über den Wert der Beteiligung geeignet sei. In der von der Beklagten weiters zitierten Entscheidung 6 Ob 142/05h habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, eine Regelung in der Satzung einer Personengesellschaft oder einer GmbH wegen Gläubigerbenachteilung sei sittenwidrig, wenn sie den Entgeltanspruch eines Gesellschafters im Wesentlichen nur für den Fall seines durch Konkurseröffnung bedingten Ausscheidens, nicht aber in einem vergleichbaren Fall auf weniger als den Verkehrswert beschränke. Ein gänzlicher Abfindungsausschluss werde nur für den Fall des Todes des Gesellschafters als zulässig angesehen. Davon abgesehen sei der völlige Abfindungsausschluss jedoch unzulässig, weil sittenwidrig und nichtig, bewirke dieser doch regelmäßig eine subjektiv einschneidende Beschränkung der persönlichen und wirtschaftlichen Freiheit des Ausgeschiedenen. Eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot des Abfindungsausschlusses komme nach einem Teil der deutschen Lehrmeinungen in Betracht, wenn der Abfindungsausschluss als Vertragsstrafe für besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen eines Gesellschafters vereinbart worden sei. Selbst wenn man die Zulässigkeit eines Abfindungsausschlusses im Wege der Vertragsstrafe für besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen des Gesellschafters für zulässig erachte, müsse jedoch eine Mäßigung der Vertragsstrafe gemäß § 1336 Abs 2 ABGB möglich sein. Im vorliegenden Fall sehe § 3 Abs 6 des Gesellschaftsvertrags den Verlust des Abfindungsanspruchs des ausscheidenden Gesellschafters für den Fall vor, dass dieser bei Ausscheiden aus der Gesellschaft die zur Erteilung der für den Betrieb des den Gesellschaftsgegenstand bildenden Apothekenunternehmens erforderlichen Konzession an einen vom Kommanditisten oder seinen Rechtsnachfolgern namhaft gemachten leitungsberechtigten Pharmazeuten notwendigen Erklärungen und Unterschriften nicht abgebe. Die Vertragsklausel solle somit ein den Erhalt der Konzession gefährdendes Verhalten des Komplementärs unter die Sanktion des Verlusts seiner Abfindung stellen. Daraus folge jedoch nicht, dass mit dieser Bestimmung auch die Durchsetzung des Ausscheidens des Komplementärs bei Erreichen der Altersgrenze bezweckt sei und damit zwangsweise auch eine Streitigkeit zwischen den Gesellschaftern über das Vorliegen eines Ausscheidungstatbestands zum Verlust der Abfindung führen solle, auch wenn das Verhalten des Komplementärs den Bestand der Konzession für den Apothekenbetrieb gar nicht gefährde, etwa weil dieser über die Altersgrenze hinaus weiterhin tätig bleiben wolle. Rechtsfolge der Unzulässigkeit einer Abfindungsklausel sei deren (Teil‑)Nichtigkeit, die Lücke im Gesellschaftsvertrag sei durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen (§ 914 ABGB), die regelmäßig zu einer angemessenen Abfindung führe.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Abfindungsklauseln wie der vorliegenden, die den völligen Ausschluss der Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters einer Personengesellschaft im Fall von Pflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft in Gestalt einer Vertragsstrafe vorsehen, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Die Beklagten meinen, auch der vorliegende Sachverhalt falle unter § 3 Abs 6 des Gesellschaftsvertrags. Der Kläger habe daher seinen Anspruch auf Abfindung verloren. Gründe, wonach Abfindungsklauseln unwirksam sein könnten, nämlich Sittenwidrigkeit, Gläubigerbenachteiligung, Beschränkung der Ausübung des Kündigungs‑ und Auflösungsklagerechts oder Rechtsmissbrauch, lägen nicht vor. Sehe man in der genannten Klausel die Vereinbarung einer Vertragsstrafe, könne diese aufgrund der Vollkaufmannseigenschaft des Klägers nicht gemindert werden.

Diese Rechtsansicht der Beklagten ist zutreffend.

Folgendes wurde erwogen:

1. Ob ‑ wie das Berufungsgericht meint ‑ das erstinstanzliche Verfahren wegen unterlassener Erörterung des Sach‑ und Rechtsvorbringens durch das Gericht mangelhaft geblieben ist, kann dahingestellt bleiben: Auch wenn der Kläger das erst in der Berufung erstattete Vorbringen schon in erster Instanz erstattet hätte, wäre das Klagebegehren aus folgenden Gründen nicht berechtigt.

2. Aus der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 8 Ob 16/94 (RIS‑Justiz RS0034714) lässt sich für den Kläger nichts ableiten. Danach sind Abfindungsklauseln unzulässig und unwirksam, soweit sie mit zwingenden gesetzlichen Vorschriften oder außergesetzlichen Regeln unvereinbar sind, die dazu dienen, ein Minimum an Chancengleichheit zwischen den verbleibenden Gesellschaftern einerseits und dem Ausgeschiedenen, seinen Erben und Gläubigern andererseits zu gewährleisten. So kann Drittbeeinträchtigung, insbesondere Gläubigerbeeinträchtigung, eine Abfindungsklausel sittenwidrig und damit unzulässig machen.

Ein solcher Fall liegt nicht hier vor:

2.1. Eine völlige Gleichbehandlung der Gesellschafter ist hier schon deshalb nicht geboten, weil sich die Rechtsstellung der beiden ursprünglich an der Kommanditgesellschaft beteiligten Gesellschafter grundlegend voneinander unterscheidet. Der eine Gesellschafter ist Komplementär mit der unbeschränkten und gemäß § 128 UGB unbeschränkbaren Haftung für alle Gesellschaftsschulden, ist allein vertretungsbefugt und vor allem der (einzige) Träger der Apothekenkonzession, die der andere Gesellschafter als Kommanditist nach dem Gesetz gar nicht erwerben könnte (vgl § 12 Abs 2, § 46 Abs 2 ApothekenG); der andere Gesellschafter ist Kommanditist, dessen Rechtsstellung sich betreffend die Haftung für Gesellschaftsschulden, die Vertretungsbefugnis (vgl §§ 170 ff UGB) und die Apothekenkonzession grundlegend von der des Komplementärs unterscheidet.

2.2.1. Eine Gläubigerbeeinträchtigung kann mit der Klausel des Gesellschaftsvertrags, wonach der Konzessionär unter bestimmten Umständen seinen Abfindungsanspruch verliert, nicht verbunden sein. Da nach den einschlägigen apothekenrechtlichen Vorschriften der Konzessionär Komplementärgesellschafter der Kommanditgesellschaft sein muss (vgl § 12 Abs 2 Z 1 ApothekenG: „Gesellschafter mit ausschließlicher Geschäftsführungs‑ und Vertretungsbefugnis“ iVm § 170 UGB; 6 Ob 307/05y), hat Bestand und Höhe eines Abfindungsanspruchs des Konzessionärs bei dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft für die Gläubiger keine Bedeutung: Besteht kein Abfindungsanpruch, wird der den Gläubigern zur Verfügung stehende Haftungsfonds der Gesellschaft nicht geschmälert. Bekommt der Ausscheidende eine Abfindung, erhöht sich dadurch sein Haftungsfonds, mit dem er den Gläubigern auch nach seinem Ausscheiden weiter haftet (§ 159 HGB; vgl §§ 160 iVm 907 Abs 13 UGB).

2.2.2. Der in der Entscheidung 6 Ob 142/05h erörterte Fall, bei dem im Gesellschaftsvertrag der Entgeltanspruch eines Gesellschafters im Wesentlichen nur für den Fall seines durch Konkurseröffnung bedingten Ausscheidens, nicht aber in einem vergleichbaren Fall auf weniger als den Verkehrswert beschränkt wird, ist hier nicht gegeben.

3. Auch ein (außer im Fall des Todes eines Gesellschafters) verpönter gänzlicher Abfindungsausschluss liegt hier nicht vor, ist doch im Gesellschaftsvertrag der Verlust des Abfindungsanspruchs des Konzessionärs nicht generell, sondern nur bei bestimmten Vertragsverletzungen des Konzessionärs im Zuge des Ausscheidens aus der Gesellschaft vorgesehen.

4.1. Der in § 3 Abs 6 des Gesellschaftsvertrags vorgesehene Abfindungsausschluss ist nach Ansicht des Berufungsgerichts als Vertragsstrafe anzusehen. Die dafür in der Lehre geforderte (besonders) schwerwiegende schuldhafte Pflichtverletzung ( Schäfer in Staub , Großkomm HGB 5 , § 131 Rz 188 mwN; Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer , Gesellschaftsrecht Rz 2/587) ist zu bejahen, weil der Kommanditist trotz eindeutiger Regelung im Vertrag sein Recht auf das Ausscheiden des nunmehrigen Klägers klagsweise in zwei mehrere Jahre dauernden Gerichtsverfahren durchsetzen musste.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags, dass der Kläger als Komplementär mit Vollendung des Lebensjahrs, mit dem er frühestens Leistungen der Pensionsversicherung aus der Alterspension in Anspruch zu nehmen berechtigt ist (nach den Feststellungen mit Vollendung des 65. Lebensjahrs am 7. August 2004), aus der Gesellschaft ausscheidet.

Warum in diesem Fall der Abfindungsausschluss gemäß § 3 Abs 6 des Gesellschaftsvertrags bei ‑ hier vorliegenden ‑ Vertragsverletzungen des Klägers als Komplementär gemäß § 3 Abs 4 des Gesellschaftsvertrags nicht gelten soll, konnte das Berufungsgericht nicht überzeugend begründen. Nach dem Wortlaut der Vertragsbestimmungen fällt der hier vorliegende Beendigungsgrund (Erreichen des Pensionsalters) eindeutig unter die Abfindungsausschlussklausel des § 3 Abs 6 des Gesellschaftsvertrags. Die vom Berufungsgericht vorgenommene teleologische Reduktion der Abfindungsausschlussklausel ist nicht gerechtfertigt. Der hier vorliegende Beendigungsgrund des § 10 Abs 4 des Gesellschaftsvertrags ist nicht nur dann sinnvoll, wenn es um den Erhalt der apothekenrechtlichen Konzession für die Gesellschaft geht. Vielmehr kann hinter dieser Klausel auch die zulässige Absicht des Kommanditisten stehen, den Komplementär schon bei Erreichen des Pensionsalters (und nicht erst später) loszuwerden, weil er, der Kommanditist, die Apotheke etwa mit einem anderen Konzessionär und damit Komplementär fortführen will.

4.2. Zutreffend ist auch der Verweis der Beklagten darauf, dass im vorliegenden Fall eine Mäßigung der Vertragsstrafe nicht in Betracht kommt: Gemäß § 907 Abs 18 UGB sind die mit dem Handelsrechts-Änderungsgesetz, BGBl I 2005/120, geänderten Bestimmungen des Vierten Buches (§§ 343 bis 450) auf nach dem 31. Dezember 2006 abgeschlossene Rechtsgeschäfte anzuwenden.

Auf früher abgeschlossene Rechtsgeschäfte ‑ wie hier auf den 1991 abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag ‑ sind noch die nicht durch das Handelsrechts-Änderungsgesetz geänderten Bestimmungen des Vierten Buches des HGB anzuwenden. Danach kann gemäß § 348 HGB eine Vertragsstrafe, die von einem Vollkaufmann (vgl § 351 HGB) im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen ist, nicht gemäß § 1336 Abs 2 ABGB herabgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung zum HGB sind die persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementäre) einer Personengesellschaft des Handelsrechts Kaufleute (SZ 25/7; SZ 50/124; RIS‑Justiz RS0061239; vgl auch RS0076073; RS0076069; 8 Ob 25/91; Straube in Straube, HGB3 Vor § 1 Rz 22; U. Torggler/H. Torggler in Straube, HGB3 § 105 Rz 2c jeweils mwN). Da eine Personengesellschaft des Handelsrechts (OHG, KG) stets Vollkaufmannseigenschaft haben musste (§ 4 Abs 2 HGB), muss dies auch für Komplementärgesellschafter gelten.

Eine Minderung der Vertragsstrafe kommt im vorliegenden Fall daher jedenfalls nicht in Betracht, sodass eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich bei der betreffenden Bestimmung des Gesellschaftsvertrags ‑ im Sinne der Auslegung des Berufungsgerichts ‑ überhaupt um eine Vertragsstrafe im Rechtssinne handelt, unterbleiben kann.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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