OGH 8Ob16/94 (RS0034714)

OGH8Ob16/949.2.1995

Rechtssatz

Abfindungsklauseln sind unzulässig und unwirksam, soweit sie mit zwingenden gesetzlichen Vorschriften oder außergesetzlichen Regeln unvereinbar sind, die dazu dienen, ein Minimum an Chancengleichheit zwischen den verbleibenden Gesellschaftern einerseits und dem Ausgeschiedenen, seinen Erben und Gläubigern andererseits zu gewährleisten. So kann Drittbeeinträchtigung, insbesondere Gläubigerbeeinträchtigung, eine Abfindungsklausel sittenwidrig und damit unzulässig machen. Hier: Die Zusicherung eines über dem Betrag der Einlage liegenden Abfindungsguthabens, das unabhängig von den Vermögensverhältnissen der Gesellschaft gewährt wird und die über einen so langen Zeitraum verlaufen, dass eine seriöse Voraussage darüber unmöglich ist, ob das Vermögen der Gesellschaft zu jenem Zeitpunkt einen Abfindungsanspruch in der zugesagten Höhe rechtfertigen wird, ist sittenwidrig.

Normen

ABGB §879 BIIj
ABGB §1203
HGB §138
HGB §188

8 Ob 16/94OGH09.02.1995

Veröff: SZ 58/28

8 Ob 2035/96iOGH12.09.1996

Auch; Beisatz: Gilt auch für den atypischen stillen Gesellschafter. (T1)

10 Ob 73/04iOGH11.01.2005

Auch; Beis wie T1; Beisatz: Mit dem Begriff "Einlage" muss keineswegs die ursprünglich vom atypisch stillen Gesellschafter bezahlte Einlage gemeint sein. (T2)

6 Ob 142/05hOGH16.03.2007

Vgl auch; nur: Abfindungsklauseln sind unzulässig und unwirksam, soweit sie mit zwingenden gesetzlichen Vorschriften oder außergesetzlichen Regeln unvereinbar sind, die dazu dienen, ein Minimum an Chancengleichheit zwischen den verbleibenden Gesellschaftern einerseits und dem Ausgeschiedenen, seinen Erben und Gläubigern andererseits zu gewährleisten. So kann Drittbeeinträchtigung, insbesondere Gläubigerbeeinträchtigung, eine Abfindungsklausel sittenwidrig und damit unzulässig machen. (T3)<br/>Beisatz: Nach in Österreich und Deutschland in der Lehre herrschender Meinung ist eine Regelung in der Satzung einer Personengesellschaft oder einer GmbH wegen Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig, wenn sie den Entgeltanspruch eines Gesellschafters im Wesentlichen nur für den Fall seines durch Konkurseröffnung bedingten Ausscheidens, nicht aber in einem vergleichbaren Fall auf weniger als den Verkehrswert beschränkt. (T4)<br/>Beisatz: Hier: Abfindungsklausel im Gesellschaftsvertrag einer GmbH, die im Fall des Konkurses eines Gesellschafters die Übernahme des Gesellschaftsanteils zum Buchwert vorsieht - Eintragung ins Firmenbuch verweigert. (T5)<br/>Veröff: SZ 2007/33

6 Ob 150/08iOGH07.08.2008

Vgl; Beisatz: Es bedurfte keines Eingehens auf die Frage, inwieweit § 76 Abs 4 GmbHG zwingend ist oder inwieweit auch hier im Gesellschaftsvertrag ein Aufgriffsrecht vorgesehen werden kann, weil auch ein anderes Eintragungshindernis bestand. Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach einhelliger Auffassung eine derartige Regelung (Abtretungspreis zum Buchwert) im Gesellschaftsvertrag wegen Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig sein kann, was insbesondere dann naheliegt, wenn der für den Fall des Konkurses oder der Zwangsvollstreckung vorgesehene Preis sich von demjenigen in vergleichbaren Fällen unterscheidet. (T6)

2 Ob 209/10iOGH10.11.2011

Vgl auch

6 Ob 85/14iOGH28.08.2014

Auch; Beisatz: Hier: Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. (T7)<br/>

6 Ob 35/16iOGH30.03.2016

Vgl; Beisatz: Durch die Normierung eines Aufgriffsrechts gezielt für den Insolvenzfall werden die Gläubiger im Fall der Insolvenz eines Gesellschafters schlechter gestellt als sie außerhalb der Insolvenz stünden. Ein redlicher Schuldner würde eine derartige Vereinbarung nicht abschließen, weil sich diese Vereinbarung nur zu Lasten der Befriedigung der Gläubiger auswirkt, dem aber kein schutzwürdiges Interesse der Gesellschaft gegenübersteht. Die Gläubigerbefriedigung geht den Interessen der Gesellschaft vor, sodass die Gläubiger jedenfalls den Schätzwert des Anteils erhalten sollen. (T8)<br/>Beisatz: Hier: Aufgriffsklausel sittenwidrig, wonach die Gläubiger unter anderem im Fall der Insolvenz eines Gesellschafters nur den halben Schätzwert erhalten sollen. (T9)

6 Ob 140/17gOGH25.10.2017

Auch; nur T3; Beis wie T4; Beisatz: Hier: Durch den gemeinnützigen Zweck (medizinische Forschung) weicht die Gesellschaft entscheidend vom gesetzlichen Leitbild einer Gesellschaft ab, deren Zweck es üblicherweise ist, das Vermögen der Gesellschafter durch Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft zu vermehren. In diesem Fall ist der Ausschluss der Rückerstattung der Einlage im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters weder sittenwidrig noch gröblich benachteiligend, zumal die Beiträge hier von Anfang an dafür bestimmt waren, zur Erfüllung des gemeinnützigen Zwecks verbraucht zu werden. (T10)<br/>Veröff: SZ 2017/123

Dokumentnummer

JJR_19950209_OGH0002_0080OB00016_9400000_001

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