European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2007:0060OB00142.05H.0316.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Der seit der Ersteintragung der Gesellschaft mbH im Jahr 1989 insoweit inhaltlich unverändert gebliebene Punkt X. des Gesellschaftsvertrags lautet:
„Im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Gesellschafters, steht den übrigen Gesellschaftern ein Aufgriffsrecht am Geschäftsanteil zu. Der Übernahmspreis wird in diesem Fall im Rahmen der Bestimmungen der Konkursordnung über die Verwertung des Konkursvermögens bestimmt."
In der außerordentlichen Generalversammlung vom 17. 12. 2004 beschlossen die Gesellschafter einstimmig, den Gesellschaftsvertrag neu zu fassen. Punkt XI. der Neufassung des Gesellschaftsvertrags lautet:
„Im Fall der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Gesellschafters, steht den übrigen Gesellschaftern anteilsmäßig ein Aufgriffsrecht an Geschäftsanteilen zu. Wird dieses Aufgriffsrecht von einem der aufgriffsberechtigten Gesellschafter nicht binnen 4 Wochen nach Konkurseröffnung über das Vermögen des Gesellschafters ausgeübt, wächst dieses den übrigen Gesellschaftern anteilsmäßig zu. Der Übernahmepreis bei Ausübung des Aufgriffsrechtes entspricht dem Buchwert des Geschäftsanteiles."
Das Erstgericht wies - nach einem erfolglosen Verbesserungsversuch - den Antrag auf Eintragung der Neufassung des Gesellschaftsvertrags in das Firmenbuch ab, weil jede Beschränkung in einem Gesellschaftsvertrag, die den Masseverwalter verpflichte, den Geschäftsanteil des Gemeinschuldners an einen Mitgesellschafter abzutreten, nichtig sei und dies umsomehr gelte, wenn dem Masseverwalter ein bestimmter Abtretungspreis „Buchwert" vorgeschrieben werde.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte aus, im Fall der Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters einer Gesellschaft mbH könne weder ein Aufgriffsrecht zugunsten der Mitgesellschafter noch eine Abtretungsverpflichtung zu Lasten des Masseverwalters gültig vereinbart werden. Hinsichtlich des bereits im bestehenden Gesellschaftsvertrag ersichtlichen anteilsmäßigen Aufgriffsrechts der übrigen Gesellschafter habe es mangels eines Löschungsverfahrens sein Bewenden. Die übrigen begehrten Eintragungen stellten eine über die bisherige Vertragsgestaltung hinausgehende gesetzwidrige Bindung des Masseverwalters dar und seien daher abzuweisen. Sowohl die Bindung des Masseverwalters an den Übernahmspreis „Buchwert des Geschäftsanteils" als auch die Befristung des Aufgriffsrechts seien nämlich unzulässige Knebelungen des Masseverwalters. Es verstehe sich von selbst, dass die Festlegung eines Übernahmspreises - etwa in Höhe des Buchwerts - im Fall des Konkurses über das Vermögen eines Gesellschafters nicht zu Lasten des Masseverwalters vereinbart werden könne. Es sei rechtspolitisch verfehlt, im firmenbuchgerichtlichen Prüfungsverfahren eine gesellschaftsvertragliche Regelung für den Fall des Konkurses über das Vermögen eines Gesellschafters zu genehmigen, die im Konkursfall in dieser Form nicht wirksam werden könne. Es sei dem Firmenbuchgericht nicht zusinnbar, gegenüber dem in der Regel als juristischer Laien auftretenden Gesellschafter den falschen Schein einer gerichtlich genehmigten tauglichen Insolvenzvorsorge zu bieten, obgleich im Konkursfall die vorgesehene Regelung mangels gesetzlicher Grundlage nicht realisierbar sei.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil der Frage, ob die Befristung eines bereits vertraglich festgehaltenen Aufgriffsrechts und die Festlegung eines Übernahmspreises im Fall der Insolvenz eines Gesellschafters in Höhe des Buchwerts vom Firmenbuchgericht schon im Zug der Anmeldung des Gesellschaftsvertrags als Eintragungshindernis aufzugreifen und im Fall der Ergebnislosigkeit eines Verbesserungsverfahrens die Anmeldung zurückzuweisen sei, die in § 62 Abs 1 AußStrG erwähnte Bedeutung zukomme.
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Gesellschaft ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, das Firmenbuchgericht habe rechtspolitische Überlegungen nicht zu berücksichtigen. Dieses habe auch die „wirtschaftliche Seite" und die Zweckmäßigkeit von Vertragsbestimmungen nicht zu prüfen. Die Frage der Wirksamkeit/Bindung des Masseverwalters an ein Aufgriffsrecht/eine Anbietungspflicht sei nicht Gegenstand des Firmenbuchverfahrens über die Eintragung einer Satzungsänderung. Über die Nachteiligkeit einer Bewertungsregel sei nicht im Firmenbuchverfahren, sondern erst im Aufgriffsfall zu entscheiden. Es sei auch nicht Aufgabe des Firmenbuchgerichts, Personen zu schützen, die durch eine Eintragung nicht berührt werden. Der von ihm zu gewährleistende Gläubigerschutz beziehe sich nur auf Gläubiger der Gesellschaft. Gläubiger eines Gesellschafters seien Dritte, deren Schutz nicht in die materielle Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichts falle. Die Frage der Bindung des Masseverwalters an das Aufgriffsrecht (eine Anbietungspflicht) und der Zulässigkeit der „konkreten Bewertung des Aufgriffsrechtes" stelle sich erst bei Eintritt des Aufgriffsfalls. Ein Registrierungshindernis liege nicht vor.
Hiezu wurde erwogen:
Rechtliche Beurteilung
1. Das Rekursgericht stützte seine Auffassung, im Fall der Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters einer Gesellschaft mbH könne weder ein Aufgriffsrecht zugunsten der Mitgesellschafter noch eine Abtretungsverpflichtung zu Lasten des Masseverwalters gültig vereinbart werden, auf die Ausführungen Nitsches in seinem Aufsatz „Insolvenzvorsorge in Gesellschaftsverträgen", FS Jelinek, 187 ff. Nach Auffassung dieses Autors (idS auch Duursma‑Kepplinger/Duursma, Gesellschaftsvertragliche Aufgriffs- und Andienungsrechte im Konkursfall, in Buchegger, Beiträge zum Zivilprozess VI, 177 [186 ff]; Höller, ZIK 2004/188) sind sowohl ein Übertragungsgebot als auch ein Aufgriffsrecht Anträge im Sinn des § 26 KO, woran der Masseverwalter nicht gebunden sei, wenn sie vor Konkurseröffnung noch nicht angenommen worden sind (§ 26 Abs 3 KO). Der Antrag erlösche mit Konkurseröffnung. § 26 KO sei zwingend. Abweichende Vereinbarungen zum Nachteil der Konkursmasse, die eine Bindung des Masseverwalters an Anträge des Gemeinschuldners bewirken sollen, seien rechtsunwirksam. Folglich sei eine Belastung des Geschäftsanteils mit einer Anbotspflicht, die auch den Masseverwalter binde, nicht möglich. Im Fall des Aufgriffrechts zu Gunsten der Mitgesellschafter erlösche dieses Recht - ebenso wie eine Kaufoption - durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Gesellschafters (Optionsgebers). Die mit dem gemäß § 1 KO in die Konkursmasse fallenden Geschäftsanteil verbundene Rechtsausübung stehe dem Masseverwalter zu, eine Immunisierung durch bevorzugten Zugriff der Mitgesellschafter auf den Geschäftsanteil sei ausgeschlossen.
Im vorliegenden Fall muss auf diese Auffassung nicht weiter eingegangen werden (ablehnend Schmidsberger, Beschränkungen der Übertragung von Geschäftsanteilen, in Kalss/Rüffler, Satzungsgestaltung in der GmbH - Möglichkeiten und Grenzen 120 f), weil sich die Unzulässigkeit der Eintragung aus anderen hier maßgeblichen Gründen ergibt.
2. Regelt der Gesellschaftsvertrag einer GmbH - etwa im Zusammenhang mit Aufgriffsrechten - die Abfindung ausscheidender Gesellschafter nicht, so hat der ausscheidende Gesellschafter Anspruch auf den vollen Wert - den Verkehrswert - des Geschäftsanteils (Reich‑Rohrwig, GmbH‑Recht1 620; Koppensteiner, GmbHG² Anh § 71 Rz 8). Der Gesellschaftsvertrag kann die Höhe der Abfindung reduzieren (vgl 2 Ob 189/01k; Koppensteiner, GmbHG² Anh § 71 Rz 9; Reich‑Rohrwig aaO 620 f).
Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 8 Ob 16/94 (= SZ 68/28 = GesRZ 1995, 265 = RdW 1995, 217 = ecolex 1995, 415) unter Berufung auf deutsche Lehre bei einer Personenhandelsgesellschaft ausgesprochen, dass Abfindungsklauseln in einem Gesellschaftsvertrag unzulässig und unwirksam sind, soweit sie mit zwingenden gesetzlichen Vorschriften oder außergesetzlichen Regeln unvereinbar sind, die dazu dienen, ein Minimum an Chancengleichheit zwischen den verbleibenden Gesellschaftern einerseits und dem ausgeschiedenen Gesellschafter, seinen Erben und Gläubigern andererseits zu gewährleisten. So kann Drittbeeinträchtigung, insbesondere Gläubigerbeeinträchtigung, eine Abfindungsklausel sittenwidrig und damit unzulässig machen.
Im Grundsatz können die zum Recht der Personengesellschaften entwickelten Schranken der Zulässigkeit von Abfindungsbeschränkungen in Gesellschaftsverträgen auf gesellschaftsvertragliche Beschränkungen des Entgeltanspruchs des ausscheidenden Gesellschafters im Fall der Ausübung eines statutarischen Aufgriffsrechts oder in im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Fällen des Ausscheidens eines Gesellschafters (s SZ 69/37; Koppensteiner, GmbHG² Anh 71 Rz 2 mwN) bei einer Gesellschaft mbH übernommen werden (vgl Koppensteiner, GmbHG² Anh § 71 Rz 9). Nach in Österreich und Deutschland in der Lehre herrschender Meinung ist eine Regelung in der Satzung einer Personengesellschaft oder einer GmbH wegen Gläubigerbenachteilung sittenwidrig (§ 879 Abs 1 ABGB; § 138 Abs 1 BGB), wenn sie den Entgeltanspruch eines Gesellschafters im Wesentlichen nur für den Fall seines durch Konkurseröffnung bedingten Ausscheidens, nicht aber in einem vergleichbaren Fall auf weniger als den Verkehrswert beschränkt (Koppensteiner, GesRZ 1991, 120; derselbe in Straube, HGB³ Art 7 Nr 15, 16 Rz 23; Kastner/Doralt/Nowotny 5, Gesellschaftsrecht 131; Jabornegg in Jabornegg, HGB § 138 Rz 40; Roth/Fitz, Unternehmensrecht² Rz 360; Krejci, Gesellschaftsrecht I 344 Fn 221; Rüffler, Ausschluss von Gesellschaftern und Übertragungsverpflichtungen in Kalss/Rüffler, Satzungsgestaltung in der GmbH - Möglichkeiten und Grenzen 89 f; vgl Talos, Buchwertklauseln bei Personenhandelsgesellschaften 126 ff [133]; Ulmer in Großkomm z GmbHG § 34 Rz 95 mwN; derselbe in MünchKomm4 BGB § 738 Rz 47 f mwN; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht4 1485; derselbe in MünchKomm HGB § 131 Rz 160 mwN; ders in Schlegelberger, HGB5 § 138 Rz 64; Sosnitza in Michalski, GmbHG § 34 Rz 58 je mwN).
Eine einseitige - im Sinn der vorstehenden Ausführungen sittenwidrige (§ 879 Abs 1 ABGB) - Gläubigerbenachteilung durch die Beschränkung des Entgelts für den Geschäftsanteil des in Konkurs verfallenen Gesellschafters ist im vorliegenden Fall gegeben:
Der Gesellschaftsvertrag und seine angemeldete Neufassung enthalten ein Kündigungsrecht eines Gesellschafters. Punkt VII. der Satzung (entspricht dem Punkt X. der Neufassung) sieht vor, dass jeder Gesellschafter die Beteiligung an der Gesellschaft zum Ende eines Kalenderjahres unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist kündigen kann und die Kündigung nicht die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hat, sofern ein oder mehrere andere Gesellschafter bereit sind, den Geschäftsanteil des kündigenden Gesellschafters zu übernehmen. Der Übernahmspreis entspricht dem Buchwert des Geschäftsanteils und ist innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden des Gesellschafters zu leisten. Weitere Fälle eines Aufgriffsrechts oder des Ausscheidens eines Gesellschafters sieht der neu gefasste Gesellschaftsvertrag nicht vor.
Der Kündigungsfall ist dem Konkursfall (Punkt XI. des Gesellschaftsvertrags) nicht vergleichbar, weil der Gesellschafter nicht kündigen muss, um aus der Gesellschaft auszuscheiden, sondern seinen Geschäftsanteil an einen Mitgesellschafter oder - mit (gerichtlich ersetzbarer [§ 77 GmbHG]) - Zustimmung der übrigen Gesellschafter (Punkt IX. der Satzung bzw Punkt VIII. Absatz 3 der Neufassung) an Dritte veräußern und so den vollen Wert seines Geschäftsanteils realisieren könnte. Auch (Privat‑)Gläubiger eines Gesellschafters sind im Exekutionsverfahren - anders als bei einer Offenen Gesellschaft (§ 135 UGB) - nicht auf eine Kündigung der Gesellschaft angewiesen. Sie können - trotz der Vinkulierung - den Geschäftsanteil pfänden und zum Schätzwert verkaufen lassen. Im Konkurs hingegen erhielten die Gläubiger nur einen Betrag in Höhe des „Buchwerts", der in der Regel niedriger als der wirkliche Wert des Geschäftsanteils ist.
Rechtsfolge der dargelegten Sittenwidrigkeit ist die Nichtigkeit der Entgeltsbestimmung (§ 879 Abs 1 ABGB). Diese durch sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung begründete Nichtigkeit ist von Amts wegen wahrzunehmen (vgl SZ 61/249; Krejci in Rummel³, ABGB § 879 Rz 248; Apathy/Riedler in Schwimann³, ABGB § 879 Rz 36) und begründet ein Eintragungshindernis (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, Firmenbuchgesetz § 15 FBG Rz 33). Da die Vorinstanzen im Ergebnis die Eintragung der angemeldeten Änderung des Gesellschaftsvertrags zu Recht abgelehnt haben, war dem Revisionsrekurs nicht stattzugeben.
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