OGH 11Os64/14t

OGH11Os64/14t26.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. August 2014 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Anscheringer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Bernhard L***** und Peter B***** wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall; 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 12. März 2014, GZ 34 Hv 29/13g‑525, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0110OS00064.14T.0826.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, in seinen Schuld‑ und Strafaussprüchen sowie in den Privatbeteiligtenzusprüchen aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache dazu an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die Kassation der Strafaussprüche verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil ‑ welches überdies einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch von gleichartigen Anklagevorwürfen (ON 379) hinsichtlich der B***** GmbH enthält ‑ wurden der Erstangeklagte Bernhard L***** und der Zweitangeklagte Peter B***** jeweils des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall; 15 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie von spätestens Dezember 2009 bis zumindest 17. August 2013 in S***** und an Orten in Österreich im bewussten und gewollten Zusammenwirken 329 namentlich angeführte sowie weitere 799.671 namentlich nicht bekannte Personen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, nämlich zur Unterfertigung und Rücksendung eines Formulars, wodurch ein kostenpflichtiger Vertrag mit der I***** S.L. (im Folgenden: I*****) oder dem Nachfolgeunternehmern H***** S.L. (im Folgenden: H*****) für die Dauer von drei Jahren abgeschlossen wurde, sowie zur Überweisung näher angeführter Beträge auf Konten der I***** bzw der H***** teils verleitet, teils zu verleiten versucht, die die Opfer in einem gesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag von zumindest 1.238.495.085,89 Euro am Vermögen schädigten oder schädigen sollten,

indem sie namens der I***** und nachfolgend namens der H***** sogenannte Eintragungseinträge und Korrekturabzüge versandten, wobei in dem Formular der I***** und H***** durch das Schriftbild der Eindruck erweckt wurde, die gesamte Einschaltung sei kostenlos, während tatsächlich lediglich Änderungen kostenlos waren, und lediglich im Kleingedruckten angeführt wird, dass monatlich ein Preis von 43 Euro netto zu bezahlen ist, und sich lediglich aus der Randeintragung des Einschaltungszeitraums ergibt, dass ein Vertrag über drei Jahre abgeschlossen wird, und sie betreffend den Auftritt mit der H***** S.L. durch die Verwendung gelber Formulare mit dem Aufdruck „Gelbes Branchenbuch“ unter der irreführenden Verwendung des Firmenwortlauts H***** S.L. und betreffend die I***** S.L. durch die Anbringung eines gelben Balkens auf der Oberseite der Formulare, betreffend die I***** S.L. überdies durch die Verwendung eines Namensteils der He***** GmbH, nämlich „Bu*****“ vorspiegelten, es handle sich dabei um das in Österreich etablierte Unternehmen He***** GmbH (landläufig bekannt als „He*****“), und somit auch dadurch vorgetäuscht wurde, die Eintragung sei kostenlos, weil die He***** GmbH derartige Eintragungen kostenlos vornimmt,

„bzw“ es werde eine dem monatlichen Entgelt von 43 Euro netto entsprechende Leistung vorgenommen, wogegen die Einschaltungen tatsächlich im Wesentlichen wertlos waren, teilweise sogar falsche Daten eingetragen wurden, teilweise auch gar keine Eintragung vorgenommen wurde bzw diese einen lediglich geringeren, keinesfalls den Preis von 43 Euro netto monatlich rechtfertigenden Wert darstellte, „sowie teilweise zur Bezahlung von Mahnspesen, teilweise zur Bezahlung von Anwaltskosten“.

 

Dagegen richten sich die in einem Schriftsatz ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a, lit b und 10 StPO.

 

Die Tatsachenrüge (Z 5a) führt gegen die erstgerichtliche Annahme einer Täuschung (US 68 ff) die in den Akten vielfach erliegenden, von den Angeklagten zur Acquisition von Anträgen auf Eintragung in die von ihnen betriebenen Internetseiten verwendeten „Formulare“ (Beilagen ./I bis ./III des Ersturteils und ebenso des gegenständlichen Erkenntnisses) ins Treffen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Vorbringen ist geeignet, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die die Schuldsprüche tragenden Feststellungen zu erwecken:

Sowohl in Beilage ./I als auch ./II wird schon bei der Überschrift „Eintragungsantrag und Korrekturabzug“ durch ein hochgestelltes Zeichen („Sternchen“) auf einen weiter unten in der A4 großen Seite ersichtlichen Text verwiesen, der nicht nur die angebotenen Leistungen, sondern auch das dafür begehrte Entgelt enthält, wobei die Schriftgröße dieser Passage der überwiegend im Formular sonst verwendeten entspricht. Die angebotenen Leistungen werden neben dem (sogar fettgedruckten) Hinweis auf die Vertragsdauer (zB „Eintragungsdauer von 2010 bis 2013“) in einem grafisch hervorgehobenen Bereich in etwas größerer Schrift präzisiert („Name, Adresse, Telefon, Telefax, E‑Mail Internetadresse inklusive Link auf Ihrer Homepage und automatischer Anfahrtsroutenplaner zu Ihrem Standort“). Die gleich nach der Überschrift ‑ in gleicher Größe und gleichermaßen fettgedruckt ‑ enthaltene Information „Änderungen kostenlos“ wurde von den Tatrichtern mit dem Bedeutungsinhalt versehen, es sei eine kostenlose Einschaltung vorgetäuscht worden (US 68, 70, 82, 85).

Dagegen bestehen bei objektiver Gesamtbetrachtung (vgl RIS‑Justiz RS0014160, RS0092588) erhebliche Bedenken, wobei die Beschwerdeführer zutreffend hervorheben, dass sich die Vertragsanbote an „Firmen, Gewerbetreibende, Selbständige und öffentliche Einrichtungen“ richteten (RIS‑Justiz RS0092588 [T36]); so wurden an fünfzehn Polizeidienststellen (Fakten 9, 146, 165, 246 bis 257 [US 5, 30, 32, 45 ff]) und an die HER***** GmbH (Faktum 16 [US 6]) Antragsformulare übermittelt (vgl 15 Os 8/03).

Gleichermaßen erheblich bedenklich sind die erstgerichtlichen Annahmen (US 68, 82 ff) zur Vortäuschung einer Urheberschaft der HE***** GmbH („Der He*****“) aufgrund der Verwendung der diesem Unternehmen notorisch zugeordneten gelben Farbe und der ‑ allerdings keineswegs besonders hervorgehobenen ‑ Verwendung von Teilen der genannten Firma („Bu*****“ Beilage ./I; „H*****“ in Beilage ./II). Dabei kann nicht übersehen werden, dass die Urkunde Beilage ./III ‑ deren Verwendung vom Erstgericht als strafrechtlich unbedenklich eingestuft wurde (US 69, 89) ‑ gleichermaßen die gelbe Farbe „einsetzt“ und bloß die Ankündigung „Änderungen kostenlos“ ebensowenig enthält wie Firmenbestandteile der HE***** GmbH, im Übrigen aber den Urkunden Beilage I./ und ./II im Wesentlichen gleicht.

Zutreffend weisen die Rechtsmittelwerber zum objektiven Bedeutungsinhalt auch auf die weit überwiegende Zahl von Empfängern hin, die dieses Anbot eines Vertragsabschlusses nicht annahmen. Wenn sich das Erstgericht (US 101) dazu auf die ständige Rechtsprechung bezieht, wonach eine Nachlässigkeit oder Leichtgläubigkeit von Opfern bei erkennbarer wahrer Sachlage die Annahme einer Täuschung über Tatsachen nicht ausschließt (13 Os 127/07m [mwN] uva), bleibt festzuhalten, dass dies jedoch bei aktivem Handeln den Gebrauch einer Unwahrheit voraussetzt, die geeignet ist, einen Irrtum hervorzurufen (RIS‑Justiz RS0094032 [T1, T3]; auch RS0121294) ‑ gegen die diesbezüglichen erstgerichtlichen Annahmen bestehen indes ‑ wie dargelegt ‑ erhebliche Bedenken.

Verkehrsadäquates Verhalten ist selbst mit Täuschungseignung nicht tatbestandsmäßig, also selbst das Verlangen eines ‑ allenfalls ‑ überhöhten Preises für das an sich zulässige Anbieten einer von der Rechtsordnung tolerierten Leistung, mag dies auch (wegen „Anhängens“ an die Reputation eines anderen Anbieters) aus wettbewerbsrechtlichen Gründen unstatthaft sein (Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 18 mit Judikaturnachweisen; RIS‑Justiz RS0094254).

Alternativ (US 3 „bzw“) stützten die Tatrichter den Schuldspruch auf die Vortäuschung der Werthaltigkeit an sich wertloser Leistungen (US 71, auch 83 ff und 88) und billigten diesem Umstand somit schulderhebliche Bedeutung zu (13 Os 127/03; Ratz, WK‑StPO StPO § 281 Rz 341).

Diesbezüglich kann dem vom Erstgericht abgewiesenen (ON 524 S 6) Beweisantrag der Angeklagten auf Beiziehung eines Sachverständigen für Wirtschaftswerbung zur Begutachtung des Werbewertes der ‑ im Übrigen klar determinierten ‑ angebotenen Leistungen (ON 524 S 4 iVm ON 453) Berechtigung nicht abgesprochen werden, sodass der Verfahrensrüge (Z 4) in diesem Umfang stattzugeben war.

Ohne dass auf das übrige Vorbringen der Beschwerden einzugehen war, sah sich der Oberste Gerichtshof ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ zu dem aus dem Spruch ersichtlichen Vorgehen veranlasst (§ 285e StPO).

 

 

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