OGH 15Os8/03

OGH15Os8/0326.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Burtscher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erwin S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Erwin S***** und Dr. Gerwig P***** sowie der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 22. Oktober 2002, GZ 27 Hv 105/02f-44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten, mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Erwin S***** und Dr. Gerwig P***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, letzterer als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt.

Danach haben in Seefeld im Februar 1997

I./ Erwin S***** als Bürgermeister der Gemeinde S***** mit dem Vorsatz, diese und das Land T***** in ihrem Recht auf Einhaltung der Bestimmungen der Tiroler Bauordnung, des Tiroler Raumordnungsgesetzes und des örtlichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde S***** als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er dem Bauwerber Friedrich K***** die baubehördliche Bewilligung zur Durchführung von Baumaßnahmen betreffend ein bereits errichtetes Appartementhotel und Personalhaus erteilte, obwohl er wusste, dass die betreffende Grundparzelle samt dem darauf errichteten Objekt zum Teil in der Bauverbotszone (Freiland) lag;

II./ Dr. Gerwig P***** zur Tat des Erwin S***** beigetragen, indem er den mit 21. Februar 1997 datierten Baubewilligungsbescheid im Auftrag des Bürgermeisters vorbereitete und ihm zur Unterschrift vorlegen ließ, obwohl er wusste, dass die betreffende Grundparzelle samt dem darauf errichteten Objekt zum Teil in der Bauverbotszone (Freiland) lag.

Das Schöffengericht hat dazu im Wesentlichen festgestellt, dass der Angeklagte S***** als Bürgermeister der Gemeinde S***** mit Bescheid vom 25. Oktober 1978 dem Bauwerber Franz K***** die baubehördliche Genehmigung für den Neubau eines Hotel-Garni in S***** erteilte. Mit Bescheiden vom 13. Juli 1980, 16. August 1981 und 4. Oktober 1982 wurde die ursprünglich zweijährige Frist für den Baubeginn jeweils um ein Jahr verlängert, letztere endete am 7. Dezember 1983. Mit Bescheid vom 19. April 1983 wurde in Abänderung des Erstbescheids sodann dem Bauwerber über sein Ansuchen die Errichtung eines - von den Außenmaßen her unveränderten - Appartementhotels bewilligt. In der Folge kam es zwar zu schriftlichen Äußerungen des Erstangeklagten dahingehend, dass die Baubewilligung mit 7. Dezember 1983 ihre Wirksamkeit verloren hätte, sowie dass die Errichtung des Appartementhotels aufgrund der ab 1. Jänner 1984 in Kraft getretenen vierten Raumordnungsgesetznovelle nicht mehr möglich sei, weil die Gemeinde nicht die Absicht habe, die nun für Appartementhotels erforderlichen Sonderflächen auszuweisen. Ungeachtet dessen teilte er dem Bauwerber auf dessen neuerliches Verlängerungsansuchen am 8. Jänner 1985 schriftlich mit, dass die Gemeinde S***** die Bewilligungsbescheide nach wie vor als rechtswirksam betrachte und somit eine Bebauung durch den Bauwerber zulässig sei. Nach (zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt nach dem 7. Dezember 1983, ersichtlich im Jahr 1985 erfolgten) Baubeginn fand am 29. November 1985 die Kollaudierung des Objekts statt; mit Bescheid vom 2. Dezember 1985 erteilte der Erstangeklagte die Benützungsbewilligung hiefür.

Aufgrund wiederholter Bemängelungen dieser Vorgangsweise durch den Tiroler Landesvolksanwalt kam es am 4. Februar 1997 zu einer neuen Bauverhandlung, nach welcher der Erstangeklagte dem Bauwerber mit Bescheid vom 21. Februar 1997 die baubehördliche Bewilligung betreffend das (bereits rund zwölf Jahre zuvor errichtete) Appartementhotel erteilte, obwohl er wusste, das das Objekt (nunmehr) zum Teil in der Bauverbotszone (Freiland) lag. Der Zweitangeklagte Dr. P***** hat als Gemeindesekretär diesen Bescheid in Kenntnis der genannten Umstände vorbereitet und dem Erstangeklagten zur Unterschrift vorlegen lassen. Beide handelten dabei mit dem Vorsatz, die Gemeinde S***** und das Land Tirol in ihrem Recht auf Einhaltung der Bestimmungen der Tiroler Bauordnung, des Tiroler Raumordnungsgesetzes und des örtlichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes zu schädigen.

Am 10. Oktober 2000 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde S***** die Umwidmung ua des als Freiland ausgewiesenen Bereiches des genannten Hotels in Bauland, dies wurde mit Bescheid des Amts der Tiroler Landesregierung vom 23. Jänner 2001 aufsichtsbehördlich genehmigt. Feststellungen über die Flächenwidmungen vor 1997, insbesondere im Zeitraum vom ersten Bewilligungsbescheid (1978) bis zur Errichtung des Hotels (1985), hat das Schöffengericht nicht getroffen. Gegen den Schuldspruch richten sich getrennt ausgeführte, auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Den - auch im Rahmen der Mängel- und Rechtsrügen erstatteten - Beschwerdevorbringen, mit denen erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Konstatierungen zum Schädigungsvorsatz der Angeklagten (Z 5a) dargetan werden, kommt Berechtigung zu. Das Schöffengericht ist der Sache nach erkennbar davon ausgegangen, dass die Angeklagten den Vorsatz hatten, die Gemeinde S***** und das Land T***** in ihrem Recht darauf, dass Bauobjekte - von gesetzlich normierten Ausnahmen abgesehen - nicht im Freiland errichtet werden dürfen und bereits vorschriftswidrig errichtete Bauten wieder abzubrechen sind (vgl SSt 51/55; JBl 1992, 56; 11 Os 44/96), zu schädigen.

Dabei blieben für die Annahme eines solchen Schädigungsvorsatzes maßgebliche Fragen ungeklärt, nämlich ob sich das Objekt bereits zu den ursprünglichen Bewilligungszeitpunkten sowie bei seiner Errichtung teilweise im Grünland oder aber zur Gänze im Bauland (siehe etwa S 79/I) befunden hatte, sowie ob der Baubeginn innerhalb von zwei Jahren nach dem 19. April 1983 und somit möglicherweise fristgerecht (siehe Zeugenaussage Dr. Sp***** S 53/II) erfolgt ist, wofür auch der Hinweis in der Benützungsbewilligung (S 103/I: "... bescheidgemäß ausgeführt ...") sprechen würde, sodass es bereits objektiv keines Sanierungsverfahrens bedurft hätte. Auch aufgrund des Umstands, dass im Bescheid vom 21. Februar 1997 explizit angeführt wurde, das Bauobjekt liege (im Bescheidzeitpunkt) zum Teil im Freiland sowie der ursprüngliche Baubescheid vom 25. Oktober 1978 in Zusammenhang mit jenem vom 19. April 1983 sei (gemeint: bei Baubeginn) nicht mehr wirksam gewesen, begegnen der somit im Sinn des Schuldspruchs gebotenen Hypothese, die Angeklagten hätten im Bescheid selbst ausdrücklich auf dessen Rechtswidrigkeit bewirkende Umstände hingewiesen, wiewohl sie mit Schädigungsvorsatz im oben angeführten Sinn handelten, erhebliche Bedenken. Die Annahme eines Schädigungsvorsatzes der Angeklagten würde bedeuten, dass sie diesen durch die Bescheidformulierungen selbst offen kundgetan hätten, was aber lebensfremd wäre (vgl 14 Os 9/02). Das Urteil war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285e StPO).

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