OGH 14Os9/02

OGH14Os9/0215.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Traar als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christian N***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 18. Oktober 2001, GZ 16 Hv 1.032/01y-14, in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Klien in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil als unangefochten unberührt bleibt, im Übrigen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Teilfreisprüche enthält, wurde Christian N***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in H***** als Bürgermeister der Stadt H*****, somit als Beamter, mit dem Vorsatz, die Stadt H***** bzw das Land Vorarlberg an ihren Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Stadt H***** bzw des Landes Vorarlberg als deren Organ, nämlich als Baubehörde erster Instanz, in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich dadurch missbraucht, dass er es nach dem 10. August 2000 unterließ, bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft D***** Anzeige gegen Peter N***** wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung nach § 55 Abs 1 lit a des Vorarlberger Baugesetzes (Beginn von Bauarbeiten zum Neubau und Umbau des bestehenden Gebäudes auf GSt-Nr. 469 KG H***** ohne Baubewilligung) zu erstatten.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Der Beschwerdeführer ist mit seiner Tatsachenrüge (Z 5a) im Recht. Zwar sieht der Oberste Gerichtshof keine Veranlassung, von seiner bisherigen Judikatur abzugehen, wonach den Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz (§ 50 Abs 1 des Vorarlberger Baugesetzes [Vlbg BauO]) und damit Garanten für die Einhaltung der Baunormen die Pflicht zur Anzeige der im Baugesetz normierten und ihm in Ausübung seines Amtes bekannt gewordenen Verwaltungsübertretungen bei der zur Entscheidung hierüber berufenen Bezirkshauptmannschaft (§ 55 leg.cit.) ohne eigenen Ermessensspielraum trifft (insb 14 Os 27/96; s auch JBl 1994, 487 = 16 Os 19/92).

Dessen ungeachtet ergaben sich nach der Aktenlage erhebliche Bedenken gegen die vom Schöffengericht getroffene subsumtionsrelevante Feststellung, dass der Angeklagte beim Unterlassen der Anzeigeerstattung wusste, dass ihm kein Ermessensspielraum dahin eingeräumt war, vorerst mit einer Ermahnung im Baueinstellungsbescheid auf den Bauwerber in Richtung einer Abstandnahme vom bauordnungswidrigen Verhalten hinwirken zu dürfen, und dass er solcherart wissentlich seine Befugnis missbrauchte. Dies nicht zuletzt deshalb, weil in dem vom Angeklagten als Bürgermeister unterfertigten Bescheid vom 17. August 2000 (S 189 f) in der Begründung ausdrücklich nicht nur auf die bestehende Verpflichtung zur Anzeigeerstattung an die zuständige Bezirkshauptmannschaft hingewiesen wird, sondern unter einem auch darauf, dass "diese gesetzliche Normierung .... in Anspruch genommen" werde, "sollte der Bauwerber trotz Baueinstellung die nicht bewilligten Bauarbeiten fortsetzen". Will man einen wissentlichen Befugnismissbrauch des Angeklagten annehmen, so bedeutete dies, dass er durch diese Formulierung im Bescheid seinen eigenen Missbrauch kundgetan hätte, was allerdings lebensfremd wäre.

Aus den dargelegten Gründen war eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich, weshalb in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde spruchgemäß zu erkennen war.

Stichworte